2012-12-08 16:51:41

Text der Papstansprache an Mariä Empfängnis


Wir dokumentieren hier die Ansprache des Papstes anlässlich des „Hochfestes der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria“, gehalten am 8. Dezember 2012 am Fuße der Mariensäule auf der römischen „Piazza di Spagna“. Es handelt sich um eine Arbeitsübersetzung aus dem Italienischen.



Liebe Brüder und Schwestern!

Es ist immer eine besondere Freude, sich hier auf dem Spanischen Platz zum Hochfest Mariä Empfängnis zu versammeln. Wenn Römer, Pilger und Besucher am Fuße der Statue unserer geistlichen Mutter zusammenkommen, lässt uns das uns einig fühlen im Zeichen des Glaubens. Gern betone ich das in diesem Jahr des Glaubens, das die ganze Kirche gerade erlebt. Ich große euch mit großer Zuneigung und möchte mit euch einige einfache Gedanken teilen, die aus dem Evangelium dieses Feiertages kommen: dem Evangelium der Verkündigung.

Was wirklich groß ist, geschieht häufig unbeobachtet

Zunächst bewegt uns immer und bringt uns zum Nachdenken, dass dieser entscheidende Moment für das Schicksal der Menschheit, der Moment, in dem Gott Mensch wird, in große Stille gehüllt ist. Die Begegnung des göttlichen Boten und der Unbefleckten Jungfrau vollzieht sich völlig unbeobachtet: niemand weiß davon, niemand spricht darüber. Es ist ein Ereignis, das – würde es in unserer Zeit geschehen – keine Spur in Zeitungen und Zeitschriften hinterlassen würde, weil es ein Geheimnis ist, das sich in Stille vollzieht.

Was wirklich groß ist, geschieht häufig unbeobachtet, die stille Lautlosigkeit erweist sich fruchtbarer als die frenetische Aufregung, die unsere Städte kennzeichnet und die es – im geschuldeten Verhältnis – schon damals in wichtigen Städten wie Jerusalem gab. Dieser Aktivismus, der uns unfähig macht, innezuhalten, ruhig zu sein, die Stille zu hören, in der der Herr seine unaufdringliche Stimme hören lässt. Maria war am Tag, als sie die Verkündigung des Engels empfing, ganz gesammelt und zugleich offen für das Hören Gottes. In ihr gibt es kein Hindernis, keine Abschirmung, nichts, das sie von Gott trennt.

Das ist die Bedeutung ihres Seins ohne die Erbsünde: ihr Verhältnis zu Gott ist frei von jedem noch so kleinen Makel; es gibt keine Trennung, es gibt keinen Schatten von Egoismus, sondern einen perfekten Einklang: ihr kleines menschliches Herz ist perfekt im großen Herz Gottes „zentriert“. So erinnert die Zusammenkunft hier an der Mariensäule im Zentrum Roms uns vor allem daran, liebe Brüder, dass sich die Stimme Gottes im Getöse und in der Aufregung nicht vernehmen lässt; sein Muster in unserem persönlichen und sozialen Leben nimmt man nicht wahr, wenn man an der Oberfläche bleibt, sondern indem man zu einer tieferen Ebene vordringt, wo die wirkenden Kräfte keine wirtschaftlichen und politischen (mehr), sondern moralische und spirituelle sind. Maria lädt uns ein, zu diesem Ort hinabzusteigen und sich mit Gottes Tun in Einklang zu bringen.

Kein Werk unseres Tuns

Eine zweite, noch wichtigere Sache, die uns die heilige Jungfrau sagt, wenn wir hierhin kommen: dass die Rettung der Welt nicht Werk des Menschen ist – nicht Werk der Wissenschaft, der Technik, der Ideologie – sondern der Gnade.

Was bedeutet dieses Wort? Gnade heißt Liebe in ihrer Reinheit und Schönheit, es ist Gott selbst, der sich gezeigt hat, wie es in der biblischen Heilsgeschichte erzählt wird, und vollständig mit Jesus Christus. Maria wird „Voll der Gnade“ (Lk 1,28) genannt; mit dieser ihrer Identität erinnert sie uns an den Vorrang Gottes in unserem Leben und in der Geschichte der Welt, erinnert uns daran, dass die Macht der göttlichen Liebe stärker als das Böse ist und dass sie die Leere ausfüllen kann, die der Egoismus im Leben der Personen, Familien, Nationen und in der Welt entstehen lässt.

Diese leeren Stellen können zum Inferno werden, wo das menschliche Leben wie in die Tiefe und zum Nichts gezogen wird und wo es seinen Sinn und sein Licht verliert. Die falschen Heilmittel, die die Welt anbietet, um diese Leere auszufüllen – sinnbildlich sind hier Drogen – vergrößern in Wirklichkeit den Schlund. Nur die Liebe kann vor diesem Fall bewahren, aber nicht irgendeine Liebe: eine Liebe, die in sich die Reinheit der Gnade trägt – der Gnade Gottes, die verändert und erneuert – und die so neuen Sauerstoff in die vergifteten Lungen einlässt, saubere Luft, neue Lebensenergie.

Maria sagt uns: so tief der Mensch auch fallen kann, es ist nie zu tief für Gott, der bis in die Unterwelt gestiegen ist; so sehr unser Herz auch irregeführt ist, Gott ist immer „größer als unser Herz“ (1 Joh 3,20). Der sanfte Hauch der Gnade kann die dunkelsten Wolken zerstreuen und kann das Leben auch in den unmenschlichsten Situationen schön und bedeutungsvoll machen.

Die authentische Freude aus der authentischen Liebe

Und daher kommt der dritte Punkt, den uns die unbefleckte Maria zeigt: sie erzählt uns von der Freude, von der authentischen Freude, die sich in einem sündenfreien Herz verbreitet. Die Sünde trägt eine negative Traurigkeit mit sich, die dazu führt, sich in sich selbst abzuschließen. Die Gnade führt zu wahrer Freude, die nicht vom Besitz der Dinge abhängt, sondern die im persönlichsten und tiefsten Bereich der Person gründet, und die nichts und niemand wegnehmen kann.

Das Christentum ist wesentlich ein „Evangelium“, eine „Frohe Botschaft“, während andere denken, es sei ein Hindernis der Freude, weil sie darin ein System an Verboten und Regeln sehen. In Wirklichkeit ist das Christentum die Verkündigung des Sieges der Gnade über die Sünde, des Lebens über den Tod. Und wenn es Entbehrungen und eine Disziplin des Geistes, Herzens und Verhaltens mit sich bringt, ist das der Fall, weil es im Menschen die giftige Wurzel des Egoismus gibt, die ihm selbst und anderen schadet. Man muss also lernen, ,Nein‘ zum Egoismus und ,Ja‘ zur authentischen Liebe zu sagen.

Die Freude Mariens ist vollständig, weil es in ihrem Herz keinen Schatten der Sünde gibt. Diese Freude fällt mit der Präsenz Jesu in ihrem Leben zusammen: der empfangene und in ihrem Schoß getragene Jesus, das ihrer mütterlichen Fürsorge anvertraute Kind, der Jugendliche und der reife Mann; Jesus, den sie von zu Haus losziehen sieht, dem sie über die Ferne hinweg im Glauben folgt, bis hin zum Kreuz und zu seiner Auferstehung: Jesus ist die Freude der Maria und die Freude der Kirche.

In dieser Adventszeit lehrt uns die unbefleckte Maria, die Stimme Gottes zu hören, der in der Stille spricht; seine Gnade zu empfangen, die uns von den Sünden und von jedem Egoismus befreit, um auf diese Weise die wahre Freude zu genießen.

Maria, voll der Gnade, bitte für uns!

(rv)








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