Benedikt XVI. an der Mariensäule: Der Lärm verdrängt die unaufdringliche Stimme Gottes
Es ist ein festes
Ritual geworden: Der Besuch des Papstes an der Mariensäule in Rom, immer am 8. Dezember.
Papst Pius IX. hatte sie errichten lassen, seit Papst Pius XII. ist sie Ort einer
jährlichen Papstandacht. So auch in diesem Jahr. Man fühle sich hier besonders einig
im Glauben, so Papst Benedikt XVI. in seiner Ansprache, Römer, Pilger und Touristen
kämen im Glauben zusammen.
In Seiner Ansprache hob Benedikt XVI. drei Aspekte
hervor, die aus dem Evangelium des Tages – der Verkündigung durch den Erzengel – den
Tag prägten. Da sei zum einen die große Stille, in die der Moment der Verkündigung,
in dem Gott Mensch wird und das Schicksal der Menschheit entscheidet, gehüllt sei:
„Die
Begegnung des göttlichen Boten und der Unbefleckten Jungfrau vollzieht sich völlig
unbeobachtet: niemand weiß davon, niemand spricht darüber. Es ist ein Ereignis, das
– würde es in unserer Zeit geschehen – keine Spur in Zeitungen und Zeitschriften hinterlassen
würde, weil es ein Geheimnis ist, das sich in Stille vollzieht. Was wirklich groß
ist, geschieht häufig unbeobachtet, die stille Lautlosigkeit erweist sich fruchtbarer
als die frenetische Aufregung, die unsere Städte kennzeichnet und die es – im Verhältnis
zu heute natürlich anders – schon damals in wichtigen Städten wie Jerusalem gab. Dieser
Aktivismus, der uns unfähig macht, innezuhalten, ruhig zu sein, die Stille zu hören,
in der der Herr seine unaufdringliche Stimme hören lässt.”
Immer wieder
greift der Papst dieses Thema auf, so zum Beispiel bei der Ansprache 2009 zu ebendieser
Gelegenheit, oder auch zur Botschaft zum Welttag der sozialen Kommunikationsmittel
in diesem Jahr: Es braucht Stille, denn Stille ist auch eine Form der Kommunikation.
Unsere Medienwelt und Öffentlichkeit könne diese Stille aber nicht ertragen. In diesem
Hören auf Gott in Stille zeige sich für die Glaubenden heute auch das Geheimnis des
Hochfestes, fügte der Papst an:
„Maria war am Tag, als sie die Verkündigung
des Engels empfing, ganz gesammelt und zugleich offen für das Hören Gottes. In ihr
gibt es kein Hindernis, keine Abschirmung, nichts, das sie von Gott trennt. Das ist
die Bedeutung ihres Seins ohne die Erbsünde: ihr Verhältnis zu Gott ist frei von jedem
noch so kleinen Makel; es gibt keine Trennung, es gibt keinen Schatten von Egoismus,
sondern einen perfekten Einklang: ihr kleines menschliches Herz ist perfekt im großen
Herz Gottes ‚zentriert’. So erinnert die Zusammenkunft hier an der Mariensäule im
Zentrum Roms uns vor allem daran, liebe Brüder und Schwestern, dass sich die Stimme
Gottes im Getöse und in der Aufregung nicht vernehmen lässt; sein Muster in unserem
persönlichen und sozialen Leben nimmt man nicht wahr, wenn man an der Oberfläche bleibt,
sondern indem man zu einer tieferen Ebene vordringt, wo die wirkenden Kräfte keine
wirtschaftlichen und politischen, sondern moralische und spirituelle Kräfte sind.”
Daran
schließt sich der zweite Aspekt der Überlegungen des Papstes direkt an: Die Rettung
der Welt ist nicht Werk des Menschen, also der Wissenschaft und Technik oder gar der
Ideologie. Sie sei Werk der Gnade:
„Was bedeutet dieses Wort? Gnade heißt
Liebe in ihrer Reinheit und Schönheit, es ist Gott selbst, der sich gezeigt hat, wie
es in der biblischen Heilsgeschichte erzählt wird, und vollständig mit Jesus Christus.
Maria wird „Voll der Gnade“ (Lk 1,28) genannt; mit dieser ihrer Identität erinnert
sie uns an den Vorrang Gottes in unserem Leben und in der Geschichte der Welt, erinnert
uns daran, dass die Macht der göttlichen Liebe stärker als das Böse ist und dass sie
die Leere ausfüllen kann, die der Egoismus im Leben der Personen, Familien, Nationen
und in der Welt entstehen lässt. Diese leeren Stellen können zum Inferno werden, wo
das menschliche Leben wie in die Tiefe und zum Nichts gezogen wird und wo es seinen
Sinn und sein Licht verliert.”
Es gebe „falsche Heilmittel“, die uns die
Welt anbiete, um die Leere auszufüllen, der Papst nannte beispielhaft Drogen. Diese
würden den „Schlund“ in das Nichts aber nur vergrößern.
„Nur die Liebe kann
vor diesem Fall bewahren, aber nicht irgendeine Liebe: eine Liebe, die in sich die
Reinheit der Gnade trägt – der Gnade Gottes, die verändert und erneuert – und die
so neuen Sauerstoff in die vergifteten Lungen einlässt, saubere Luft, neue Lebensenergie.
Maria sagt uns: so tief der Mensch auch fallen kann, es ist nie zu tief für Gott,
der bis in die Unterwelt gestiegen ist; so sehr unser Herz auch irregeführt ist, Gott
ist immer „größer als unser Herz“ (1 Joh 3,20). Der sanfte Hauch der Gnade kann die
dunkelsten Wolken zerstreuen und kann das Leben auch in den unmenschlichsten Situationen
schön und bedeutungsvoll machen.”
Diese Gewissheit der Gnade brachte Papst
Benedikt zu seinem dritten Punkt: Der authentischen Freude.
„Die Sünde
trägt eine negative Traurigkeit mit sich, die dazu führt, sich in sich selbst abzuschließen.
Die Gnade führt zu wahrer Freude, die nicht vom Besitz der Dinge abhängt, sondern
die im persönlichsten und tiefsten Bereich der Person gründet, und die nichts und
niemand wegnehmen kann. Das Christentum ist wesentlich ein „Evangelium“, eine „Frohe
Botschaft“, während andere denken, es sei ein Hindernis der Freude, weil sie darin
ein System an Verboten und Regeln sehen. In Wirklichkeit ist das Christentum die Verkündigung
des Sieges der Gnade über die Sünde, des Lebens über den Tod.”
Man müsse
lernen, ‚Nein’ zum Egoismus und ‚Ja’ zur authentischen Liebe zu sagen. Das könne Entbehrungen
und die Notwendigkeit einer inneren Disziplin mit sich bringen, aber nur, weil es
im Menschen eine „Giftige Wurzel des Egoismus“ gebe, die uns und anderen schade.
„In
dieser Adventszeit lehrt uns die unbefleckte Maria, die Stimme Gottes zu hören, der
in der Stille spricht; seine Gnade zu empfangen, die uns von den Sünden und von jedem
Egoismus befreit, um auf diese Weise die wahre Freude zu genießen. Maria, voll der
Gnade, bete für uns!“