„Why Poverty? " - Armut warum? Das ist die Frage, die Journalisten
vom Radio, Fernsehen und Internet in der vergangenen Woche in ganz Europa gestellt
haben. Es handelt sich um eine Informationskampagne über alte und neue Armut und davon
was man machen kann, um das Leben derer, die leiden, zu verbessern - sowohl in wohlhabenden
Ländern, als auch in Entwicklungsländern. In diesem Leitartikel stellt Philippa Hitchen,
Journalistin bei der englischsprachigen Sektion, den spezifischen Beitrag der Kirche
dar. „Es geht um gerechte Beziehungen" - so sagte ein weiser Franziskanermönch
vor vielen Jahren. „Es geht um das Verständnis unseres Platzes im Ökosystem des Lebens,
darum unsere Abhängigkeit zu verstehen, nicht nur die von Gott, sondern voneinander
und von der gesamten Schöpfung.“
In den letzten zwanzig Jahren ist unsere
Vorstellung von Armut, ausgehend vom Konzept der Weltbank der neunziger Jahre, abgewichen,
das sich auf diejenigen beschränkte, die mit „weniger als einem Dollar pro Tag" leben.
Heute, wie uns die „Millennium Development Goals" erinnern, geht es nicht mehr darum
wie viel eine Person verdient. Heute spricht man über den Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung
und zu sauberem Wasser; es gilt die Umwelt zu schützen, die Ignoranz zu bekämpfen,
die Gleichberechtigung von Männern und Frauen zu fördern und die Beteiligung an politischer
Mitbestimmung zu erhöhen. 2015 sollte ein wichtiges Ziel markieren: die Halbierung
der Zahl der in Armut lebenden Menschen auf der ganzen Welt. Es ist aber ein Ziel,
das auch dafür sorgen müsste einen besseren Zugang zu neuen Kommunikationstechnologien
und dem Internet zu garantieren. Oft ist es gerade der Mangel daran, was ganze Länder
in einen Zustand der Unterentwicklung und Demütigung bringt.
Es dauerte Jahrzehnte
bis die Finanzinstitute und andere den Fehler des Modells „top-down“ oder „gleiche
Größe für alle" verstanden, wenn es um die internationale Entwicklung geht. Seit einiger
Zeit jedoch fördert die katholische Kirche eine Soziallehre, die auf Stärkung, Interkonnektivität
und auf einer ganzheitlichen und gemeinsamen menschlichen Würde basiert. Es ist gerade
das, was viele religiöse Männer und Frauen auf der ganzen Welt tun, wenn sie Schulen
und Krankenhäuser, Initiativen und Programme verwalten, die vielen Menschen helfen,
sich selbst zu helfen - anstatt von westlicher Nächstenliebe abhängig zu sein.
Schon
im letzten Jahrhundert haben die Päpste und andere Vertreter der Kirche die Prinzipien
der sozialen Gerechtigkeit im Rahmen ihres historischen Kontextes entwickelt: 1889
in England, schlug sich Kardinal Henry Manning selbst als Vermittler während eines
berühmten Hafenarbeiterstreiks vor; die Enzyklika Rerum Novarum wurde von Papst
Leo XIII. nur zwei Jahre später veröffentlicht. Neuere Zeiten haben die Veröffentlichung
eines Dokuments vom Päpstlichen Rat für Gerechtigkeit und Frieden zur internationalen
Verschuldung gesehen, welches eine Kampagne zur Tilgung der Schulden namens "Drop
the Debt" vorwegnahm. Ganz zu schweigen von der Enzyklika Caritas in Veritate
von Benedikt XVI., die eine Herausforderung darstellt, damit Regierungen, Banken und
Konzerne, die Ursachen der Armut in der Welt heute in Angriff nehmen.
Also,
warum ist diese reichhaltige und abwechslungsreiche Unterweisung zur menschlichen
Würde und globalen Solidarität nicht mehr bekannt und verbreitet? Wie ist es möglich,
dass die Soziallehre der Kirche als „verstecktes Geheimnis" bezeichnet wird oder sogar
übersehen wird? Auch der irische Popstar Bono hat vor kurzem bei einem Besuch im Vatikan
Kardinal Turkson ermutigen wollen, die Präsenz der Kirche in der Kampagne gegen die
Armut zu erhöhen. Vielleicht gibt es eine Tendenz in der Kirche im Hintergrund zu
bleiben, sich in Stille der Arbeit zu widmen und den Politikern und Popstars die Rhetorik
zu überlassen? Oder vielleicht sind wir zu misstrauisch anderen gegenüber, die nicht
immer „unsere Art zu handeln“ teilen? In der Tat gibt es diejenigen, die nicht die
Gerechtigkeit und den Frieden als einen integralen Bestandteil des katholischen Glaubens
berücksichtigen. In vielen Seminaren und Schulungszentren sind die Kurse, die die
Soziallehre der Kirche vertiefen, noch „freiwillig". Es gibt eine weitere streng persönliche
Schwierigkeit: die Entscheidung, die Botschaft des Evangeliums ernst zu nehmen, bedeutet
unser Leben radikal zu verändern, unsere Beziehungen mit anderen - und nicht nur mit
denen, die uns am nächsten sind, wie Freunde und Verwandte, sondern auch mit denen,
die auf der anderen Seite der Welt leben. Es bedeutet Bestmögliches zu tun, um unsere
Zeit, unsere Energie und unser Geld einzusetzen. Es bedeutet die Art, in der wir uns
der Wirtschaft, Politik und Finanzwelt gegenüberstellen, zu verändern. Sind wir wirklich
in der Lage in dieser Adventszeit dem Beispiel des heiligen Franziskus zu folgen und
unseren Egoismus und unsere Heuchelei zur Seite zu legen? Schaffen wir es, nicht nur
in ökonomischer Hinsicht oder im Sinne der Nächstenliebe zu geben, sondern uns selbst
darzureichen, indem wir uns in den Dienst der anderen stellen - so wie Gott es für
uns getan hat? Nun, das ist ein Geschenk, das den Unterschied im Rahmen dieser
Weihnachtszeit machen würde.