2012-12-06 14:44:07

Joachim Gauck beim Papst: Begegnung zweier Theologen


RealAudioMP3 Er habe heute „etwas sehr Bewegendes erlebt“: Das sagte der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck an diesem Donnerstag nach seinem Antrittsbesuch im Vatikan. Der frühere evangelische Pastor und DDR-Widerständler, der seit März Staatsoberhaupt ist, sprach mit Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone und Benedikt XVI.; vor seiner Audienz beim Papst hatte Gauck den Petersdom besucht, wo er u.a. am Grab von Papst Johannes Paul II. betete und am Ort des Petrusgrabes verweilte.

„Das war sozusagen die geistliche Einstimmung auf eine Begegnung, die natürlich auch geistlichen, aber vor allem auch politischen Inhalt hatte. Es war ein sehr offenes und freundschaftliches Gespräch, in herzlichem Einverständnis. Dieses Einverständnis bezog sich vor allem auf unseren gemeinsamen Willen, die Idee von Europa nicht aufzugeben, gerade angesichts der Krise an ihr festzuhalten und alles zu tun, um bei den Menschen ein Bewusstsein für die Wichtigkeit der europäischen Idee wach zu halten.“

Papst Benedikt habe sich auf die Begegnung mit Präsident Gauck gefreut, wie Papst-Sekretär Georg Gänswein Journalisten berichtete. Gauck selbst sagte zum Papst beim ersten Händedruck, er komme zu ihm als Bundespräsident und Landsmann, aber natürlich auch als Christ.

Unterhaltung zweier Christenmenschen
„Wenn sich zwei Christenmenschen unterhalten, dann sprechen sie natürlich nicht nur über die Welt, sondern auch über Gott. Ich wollte mit ihm nicht über die Differenzen sprechen, die die Protestanten und Katholiken miteinander auch haben, sondern über das, was uns verbindet. Wir haben aus unterschiedlichen Herkünften heraus in uns ein tiefes Wissen miteinander teilen können, dass die Welt etwas verliert, wenn sie Gott verliert. Und dass wir, jeder auf seine Weise, das auch zu erkennen geben, das ist ja klar: Er muss es und will es qua Amt, und ich werde es auch in meinen Möglichkeiten tun, weil ich es so gelebt habe.“

Schon am Vorabend seiner Papstaudienz war Gauck von Journalisten in Rom bei einem Hintergrundgespräch zu seinem Erstaunen vor allem mit theologischen Fragen konfrontiert worden. Der Präsident, der nach dem Mauerfall zu Beginn der neunziger Jahre aus dem Pastorenamt ausschied, um in die Politik zu wechseln, zeigte sich sehr gespannt auf die Audienz beim Oberhaupt der katholischen Kirche. Er wolle mit seinem Rombesuch auch zeigen, dass der Bundespräsident zwar evangelisch sei, aber doch den Katholiken zugewandt. In seinem Statement nach der Audienz erzählte Gauck:

„Ich habe mich mit ihm auch ausgetauscht über die Rolle von Laienbewegungen in der katholischen Kirche, über dieses lebendige und fruchtbare Glaubensleben außerhalb der Ebene von Kirchenleitung und Bischöfen. Er erinnerte sich an seine Zeit an der Basis. Für mich als Protestanten ist dieses Prinzip der Mitwirkung der Vielen so wichtig gewesen, dass ich es in diesem Gespräch unterbringen wollte.“

Der Name Wittenberg fiel nicht – der Name Habermas schon
Eigentlich hatte der Bundespräsident den Papst auch auf das Reformationsgedenken ansprechen wollen, das die evangelische Kirche in Deutschland 2017 feiern wird. Aus Gaucks Sicht wäre es schade, wenn die katholische Kirche nicht in das Gedenken an die Reformation vor 500 Jahren mit einbezogen wäre. Doch dazu sei er in dem etwa 30-minütigen Gespräch nicht mehr gekommen – „nicht aus Furcht“, wie er erklärte:

„Wenn man sich austauscht über theologische und Glaubensthemen, dann gehen die Konkreta manchmal ein bisschen weg. Also, der Name Wittenberg ist nicht gefallen, der Name Habermas schon. Manchmal kommt in einem Gespräch auch etwas Überraschendes zustande. Insofern können Sie daraus entnehmen, dass es sehr lebendig war!“

Der heutige Papst hatte als Kardinal 2004 öffentlich mit dem Philosophen Jürgen Habermas über das Thema „Vernunft und Religion“ diskutiert. Zuvor hatte er sich 2001 in seiner weithin beachteten „Friedenspreisrede“ für einen intensiveren Dialog zwischen Religion, Wissenschaft und Gesellschaft ausgesprochen.

Lebkuchen für den Papst
Als Geschenk brachte Präsident Gauck dem Papst seine Autobiographie, einen Spazierstock sowie Nürnberger Lebkuchen mit: In Nürnberg arbeitet Gaucks Lebensgefährtin, die Journalistin Daniela Schadt, die ihn bei seinem Besuch im Vatikan allerdings nicht begleitete. Benedikt revanchierte sich mit einem historischen Stich der Dombauhütte von St. Peter und mit seinem neuesten Jesusbuch. Im politischen Teil der Aussprache mit dem Papst, so Gauck, sei es vor allem um Europa gegangen.

„Natürlich hat er mich auch gefragt, wie Deutschland sich versteht in dieser Zeit der Debatten um richtige Lösungswege. Ich habe darauf hinweisen dürfen, dass die Bundesregierung wie alle Regierungen zuvor dem europäischen Gedanken treu geblieben ist! Es gebe keinerlei Zweifel daran, dass das auch in Zukunft so sein wird.“

Eigentlich habe er gedacht, im Papst einen „stärker von der Bürde des Amtes gezeichneten“ Menschen vorzufinden, berichtete der Bundespräsident. Aber „so habe ich das nicht erlebt“:

„Ich habe einen hellwachen Heiligen Vater erlebt, der sich auch auf meinen Besuch vorbereitet hatte, der einiges aus meinem Leben, einiges von meinen Lebenserfahrungen, zur Kenntnis genommen hatte; insofern ist mir auch eine Erwartung begegnet, in der Art: Ich möchte hören, was Sie mitzubringen haben. Ich habe eine konzise, nicht-triumphalistische Haltung des römisch-katholischen Kirchenoberhauptes erlebt, die angenehm war, die für mich als Protestant nicht Grenzen betonte – von Grenzen habe ich eigentlich nichts gemerkt, sondern diese menschliche und persönliche Direktheit war einfach dominierend.“

Hoffnungspotentiale aus dem Glauben
Für den früheren Bürgerrechtler Gauck war auch das Verweilen am Grab von Johannes Paul II. bewegend: Ihm imponiert die Hartnäckigkeit, mit der sich die polnische Kirche in den siebziger und achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts gegen das kommunistische Regime stellte.

„Wissen Sie, wenn man am Grab von Johannes Paul steht und mein Alter hat und aus dem Osten kommt, dann erinnert man sich auch an die Kraft, die der Glaube in den unterdrückten Menschen dort erzeugt hat, an ihre – sagen wir mal – größeren Hoffnungspotentiale. Es ist ja nicht so, dass die Glaubenden immer automatisch die besseren Menschen sind, aber vielleicht haben sie größere Hoffnungspotentiale in dieser Zeit der Unterdrückung entwickelt.“

Das sei Papst Benedikt „durchaus bewusst“ gewesen, so Präsident Gauck:

„Und das konnte ich ihm auch bestätigen. Dafür gibt es Beispiele, die man sehen und anfassen kann: Menschen, die im Grunde in einer glaubensfeindlichen Umwelt aus den Quellen des Glaubens geschöpft haben und dann diese Hoffnungspotentiale für eine Umgestaltung der Gesellschaft noch entwickeln konnten. Das haben wir durchaus besprochen.“

Als letzten deutschen Präsidenten bislang hatte Benedikt XVI. vor drei Jahren Horst Köhler im Vatikan empfangen. Im September 2011 hieß der damalige Bundespräsident Christian Wulff den Papst auf Staatsbesuch in Berlin willkommen.


Das vatikanische Staatssekretariat veröffentlichte nach Gaucks Termin bei Kardinal Bertone ein kurzes Statement. Darin werden „die sehr freundschaftlichen bilateralen Beziehungen hervorgehoben“. Bei dem Treffen Gaucks mit dem Papst und mit Bertone sei u.a. „über die christliche Sicht des Menschen wie auch über die Herausforderungen gesprochen worden, die sich in der globalisierten und säkularisierten Gesellschaft gegenwärtig stellen“. Der Meinungsaustausch habe sich besonders auf die derzeitige Wirtschaftskrise bezogen, „insbesondere in bezug auf ihre Auswirkungen in Europa sowie über den Beitrag, den die katholische Kirche hier leisten kann“.


(rv 06.12.2012 sk)







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