Ein Interview der
französischen Wohnungsbauministerin hat zu einer scharfen Polemik zwischen der sozialistischen
Regierung und den katholischen Bischöfen geführt. Die Ministerin bitte „alle Gutwilligen“
doch sehr, angesichts des kalten Winters leerstehende Räume für Obdachlose zu öffnen,
hatte die Ministerin gesagt. Und dann nachgelegt: „Aber ich kann das Gesetz auch zwangsweise
durchsetzen, zum Beispiel besitzt doch der Erzbischof von Paris einige Gebäude, die
praktisch leer stehen.“ Eine kaum verhüllte Drohung mit Zwangsmaßnahmen, auf die der
Sprecher der französischen Bischöfe, Bernard Podvin, so reagiert:
„Zunächst
einmal rufe ich dazu auf, jede Polemik zu vermeiden, denn hier geht es um Hilfe für
die Armen. Die Kirche ist da schon sehr lange aktiv, und sie hat nicht auf diesen
Montagmorgen gewartet und auf dieses Säbelrasseln, um zu handeln! Alle Katholiken,
die sich schon seit langem an der Seite der Armen engagieren, können Ihnen das bestätigen.
Seit Montag erleben wir übrigens ein starkes und sehr positives Medieninteresse für
all das, was die Kirche im sozialen Bereich tut, und auch Menschen, die der Kirche
eher fernstehen, sagen uns jetzt, wie sehr sie unsere Arbeit für die Armen doch schätzen.“
Mit
„Säbelrasseln“ meint Podvin das, was die Ministerin Cécile Duflot – eine 37-jährige
Grünen-Politikerin – in der Tageszeitung „Le Parisien“ noch so alles gesagt hat. Textprobe:
„Ich würde ohne Wimpernzucken handeln, wie das de Gaulle auch gemacht hätte. Ich hoffe
doch sehr, dass es nicht zum Äußersten kommt, doch ich könnte es nicht begreifen,
wenn die Kirche sich unserem Ziel der Solidarität versperren sollte.“ Der Bischofssprecher
dazu:
„Es sind alle Bistümer in ganz Frankreich, die da wirklich eine gemeinsame
Anstrengung machen! Ordensleute, Freiwillige – das sind beeindruckende Zahlen. Wir
sollten jetzt wirklich jede Polemik fallenlassen, um vor Weihnachten den Kampf gegen
diese Armut aufzunehmen. Wir brauchen jetzt die Kraft eines Abbé Pierre, der uns aufzurütteln
wusste. Er sagte immer: Es ist sehr gut, was ihr schon macht, aber geht noch darüber
hinaus! In diesem Sinne wollen wir handeln.“
Das Erzbistum Paris ist nach
dem Staat und der Stadtverwaltung der größte Immobilienbesitzer in der französischen
Hauptstadt. Seit 2008 führt es jedes Jahr die Kampagne „Hiver solidaire“ durch, zu
deutsch „Solidarischer Winter“. Dabei werden Obdachlose und Bedürftige in 25 Pfarrgemeinden
untergebracht, um nicht der Kälte draußen ausgesetzt zu sein. „Viele Katholiken fragen
sich in Frankreich, warum Frau Duflot nicht die vielen leerstehenden Gebäude in staatlichem
Besitz erwähnt“, räsoniert eine katholische Internetseite. „Viele glauben, das könnte
etwas mit dem Streit über gleichgeschlechtliche Ehe zu tun haben. Mit der geheimen
Hoffnung, die Kirche auf diesem Gebiet einzuschüchtern.“