Erzbischof Tomasi: „In Ägypten wird die Jugend um ihre Hoffnung betrogen“
Das Verfassungsgericht
in Ägypten hat seine Arbeit auf unbestimmte Zeit ausgesetzt, nachdem mehrere hundert
Islamisten am Sonntag vor dem Gebäude des Verfassungsgerichtes demonstriert hatten.
Die Proteste seien ein „psychologischer Mordanschlag“, hieß es am Sonntag in einer
Erklärung des Gerichts. Dieses hätte am gleichen Tag über die Auflösung der Verfassunggebenden
Versammlung entscheiden sollen. Aus verfahrenstechnischen Gründen, so hieß es noch
am Sonntagmorgen, hätte sich das Gericht zu einer Verschiebung entschlossen. Nun wurde
bekannt gegeben, dass das Gericht seine Arbeit auf unbestimmte Zeit aussetzt.
Die
Hoffnungen, die die Menschen anfangs noch in den „arabischen Frühling“ setzten, scheint
nun zu verpuffen – sich zum Teil sogar ins Gegenteil zu verkehren. Der Ständige Beobachter
bei der UNO in Genf, Erzbischof Silvano Tomasi, sagte dazu am Wochenende gegenüber
Radio Vatikan:
„Die große Hoffnung, die der so genannte „arabische Frühling“
geweckt hat, erscheint in diesem Moment sehr zweifelhaft. Einige Seiten versuchen,
die Gesellschaft in den Ländern Nord-Afrikas und des Nahen Ostens bei der Entwicklung
in Richtung „mehr Offenheit und Toleranz“ zu unterstützen. Dabei soll die historische
Identität dieser Länder erhalten bleiben und diese Entwicklung soll keinem „übergestülpt“
werden – egal ob Laien oder Geistliche, für jeden soll es dabei auch Räume der Freiheit
geben. Leider sieht die aktuelle Entwicklung eher so aus, als wolle man
sich dem verschließen. Um es einmal drastisch auszudrücken: Das ist quasi ein „Betrug“.
Die jungen Leute werden um ihre Hoffnungen betrogen, die sie bei den vielen Demonstrationen
des arabischen Frühlings ausdrückten. Wenn in Ägypten die Scharia als Gesetz eingeführt
wird, dann geschieht das entgegen der Hoffnung der koptischen Christen, die zehn Prozent
der Bevölkerung ausmachen. Betrogen würde so auch die Hoffnung all der Menschen muslimischen
Glaubens, die sich eine offenere und tolerantere Gesellschaft wünschen.“