Papst Benedikt: Zirkuswelt ein Laboratorium der Ökumene
Es war ein ungewohntes
Bild, das sich erstaunten Touristen heute auf dem Petersplatz und in der Via della
Conciliazione bot. Auf dem Petersplatz selbst prangte ein Zirkuszelt, während auf
der Straße, die von der Engelsburg schnurgerade auf den Petersplatz zuläuft, Gaukler,
Spielmänner und Akrobaten dem Regen über Rom trotzten und eine bunte Darbietung ihrer
Kunst boten, während sie in einem großen Umzug Richtung Audienzhalle liefen. In der
Audienzhalle erheiterten verschiedene Artisten den Papst und die zahlreichen Teilnehmer
mit Auszügen aus ihrem Programm, bevor Benedikt XVI. sich mit herzlichen Worten an
sie wandte:
„Das, was eure große Familie ausmacht, ist die Fähigkeit, die
besondere und eurer Kunst eigene Sprache zu nutzen. Die Fröhlichkeit der Vorstellungen,
die Erholung verschaffende Freude am Spiel, die Grazie der Choreographien und der
Rhythmus der Musik stellen einen eigenen und unmittelbaren Kommunikationsweg für den
Dialog mit Groß und Klein dar, und bringen Gefühle der Heiterkeit, Freude und Eintracht
mit sich. Mit der Verschiedenheit eurer Berufe und der Originalität der Vorführungen
versteht ihr es, zum Staunen zu bringen und Bewunderung hervorzurufen, aber auch Gelegenheiten
zum Fest und gesunden Vergnügen zu bieten.“
Eben aufgrund dieser ihrer
Charakteristiken, so führte der Papst weiter aus, seien die Zirkusleute dazu aufgerufen,
Zeugnis für die ihrem Berufsstand innewohnenden Tugenden abzugeben: Der Respekt für
das Alter und seinen Erfahrungsschatz, der unbedingte Zusammenhalt der Familie und
die Aufmerksamkeit für Kranke oder behinderte Mitglieder der Zirkusgruppe. Die Audienz
für das fahrende Volk bettet sich ein in eine Serie von Initiativen des im Oktober
ausgerufenen Jahres des Glauben, wie auch der Papst selbst bei seiner Ansprache erinnerte.
„Liebe
Brüder und Schwestern, die Kirche erfreut sich an dem Einsatz, den ihr zeigt, und
schätzt die Treue zu den Traditionen, auf die ihr zu Recht stolz seid. Sie selbst,
die wie auch ihr, Pilgerin in dieser Welt ist, lädt euch dazu ein, durch eure tägliche
Arbeit an ihrer göttlichen Mission teilzuhaben. Die Göttlichkeit jedes Menschen findet
ihren Ausdruck auch im ehrlichen Ausüben seines Gewerbes und in seiner Uneigennützigkeit,
die sich nicht von wirtschaftlichen Überlegungen beherrschen lässt. So möget auch
ihr, während ihr auf die Qualität eurer Aufführungen achtet, nicht aufhören achtsam
zu sein damit ihr, mit den Werten des Evangeliums, weiterhin den jungen Generationen
die Hoffnung und die Ermunterung bieten möget, derer sie bedürfen.“
An
die deutschsprachigen Zirkusleute gewandt, mahnte der Papst:
„Liebe Freunde,
eure Welt kann ein Laboratorium im Bereich der großen Themenstellungen der Ökumene
und der Begegnung mit Menschen werden, die anderen Religionen angehören. Euer Glaube
möge euch leiten, wahre Zeugen Gottes und seiner Liebe zu sein, Gemeinden, die in
Brüderlichkeit, in Frieden und Solidarität vereint sind.“
Wie verschieden
die Lebensumstände der Zirkusleute sind, wurde während der Audienz an den verschiedenen
Beiträgen der Teilnehmer deutlich. Bunte Aufführungen vor dem Papst wechselten sich
ab mit berührenden Zeugnissen der Widrigkeiten des Lebens einer Berufsgruppe, die
selten lange genug an einem Ort verweilen kann, um Wurzeln zu schlagen und Freundschaften
zu schließen:
„Mein Name ist Sonja Probst, ich bin 28 Jahre alt. Meine Familie
und ich reisen mit unserem „Circus Probst“ durch ganz Deutschland. Wir sind unterwegs
mit einem Zirkuszelt für 1.200 Zuschauer. Es arbeiten 65 Menschen bei uns und wir
bewegen 74 Transporte von Stadt zu Stadt. Zu unserer Zirkusfamilie gehören auch rund
90 Tiere.“
Ihr Traum, so erzählte Sonja Probst, sei es von klein auf gewesen,
am Trapez zu arbeiten. Doch im Alter von 15 Jahren riss während einer Vorstellung
unter dem Zeltdach ein Sicherungsseil, und die junge Artistin stürzte so schwer, dass
sie anschließend zu hundert Prozent schwerbehindert zurückblieb und ihren Traum aufgeben
musste.
„Aber der liebe Gott half mir alles durchzustehen und wieder neuen
Mut zu fassen! Seit 2004 arbeite ich als Clown und bin sehr dankbar, dass ich doch
etwas gefunden habe, was mich erfüllt. Ohne meinen Glauben würde ich wahrscheinlich
heute nicht hier stehen. Ich danke Gott für jeden Tag, den ich erleben darf und sehe
nicht mehr alles als selbstverständlich an. Das Leben ist für mich jeden Tag wie ein
neues Geschenk für das ich dankbar bin.“