Joseph Ratzinger ist
Papst, davor war er Kardinal und Präfekt der Glaubenskongregation. Seine ersten Spuren
in Theologie und Kirche hat er aber bereits während des Zweiten Vatikanischen Konzils
hinterlassen. Als Berater von Kardinal Joseph Frings und später als eigenständiges
Mitglied der Theologiekommission hat er Vorlagen geschrieben, beraten, Anträge formuliert
und seinen Teil zum Konzil beigetragen. Wie genau dieser Anteil aussieht, das kann
man nun nachlesen, im siebten Band der gesammelten Werke Joseph Ratzingers. Vorgestellt
hat den Band an diesem Mittwoch der Präfekt der Glaubenskongregation, Erzbischof Gerhard
Ludwig Müller.
„Dieser Band steht unter dem Titel ‚Zur Lehre der Konzils’
– Es geht um Vorbereitung, Vermittlung und die Deutung des Konzils in wichtigen Kommentaren
Joseph Ratzingers. Es ist uns allen bekannt, dass der Theologieprofessor Joseph Ratzinger
das Konzil in allen seinen Phasen wesentlich mitgestaltet und begleitet hat.“
Der
erst 35 Jahre alte Theologe war sehr früh in die Vorbereitungen des Konzils einbezogen,
berichtet Müller:
„Kardinal Frings hat ihn um den Entwurf eines Vortrags
gebeten, den dieser vor dem Konzil in Genua halten sollte. Ratzinger lieferte in kurzer
Zeit ein Manuskript, das Frings für so gelungen hält, dass er es mit nur einer kleinen
Änderung völlig unverändert übernahm. Papst Johannes XXIII. erfuhr vom Referat des
Kölner Erzbischofs, er ließ Frings zu sich kommen, „Lieber Kardinal, sie haben es
alles so gesagt, wie ich es gedacht habe und sagen wollte, aber selbst nicht sagen
konnte.“ Es kam zu Gutachten für Konzilsentwürfen, zu Redeentwürfen für Frings, zu
Stellungnahmen und Korrekturvorschlägen für einzelne Dokumente des Konzils, wie auch
zu konkreten Textentwürfen, die alle hier dokumentiert sind.“
Die Mitarbeit
am Konzil geht aber über die vier Jahre hinaus, während derer es in Rom getagt hat.
Joseph Ratzinger, und auch das kann man in dem vorgestellten Doppelband studieren,
hat auch nachher das Nachdenken über das Konzil und dessen Rezeption geprägt, erinnert
Erzbischof Müller, und das bis heute:
„Papst Benedikt hat in dem Vorwort
zu dem vorliegenden Band die Aufgabe des Konzils wie folgt beschrieben: ‚Das Empfinden
für diesen Gegenwartsverlust des Christentums und für die Aufgabe, die daraus folgte,
war sehr genau zusammen gefasst in dem Wort Aggiornamento: Das Christentum muss im
Heute stehen um Zukunft formen zu können.“
Gegen Bruch-Theorie Hier
sieht Müller die Grundkonstante im Denken des Theologen Ratzinger, aber auch des Papstes
Benedikt XVI., wenn es um das Konzil geht. Er liest im Denken Ratzingers eine Linie,
die im Wirken und Sprechen des Papstes in der Formulierung der „Hermeneutik der Reform“
angekommen sei. Er wendete sich in deutlichen Formen gegen die Bruch-Theorie, und
zwar in ihren beiden Ausprägungen: Sowohl diejenigen, die das Zweite Vatikanum nicht
anerkennen, als auch diejenigen, die nur dieses Konzil anerkennen wollten, lägen falsch.
Ratzinger wende sich gegen beide.
„In der Phase der Rezeption erinnert er
immer wieder daran, das Konzil an seiner eigenen Intention zu messen und zu verstehen.
In der vielbeachteten Ansprache an die römische Kurie vom 22. Dezember 2005 betont
Papst Benedikt XVI. diese Hermeneutik der Reform und der Wahrung der Kontinuität gegenüber
einer Hermeneutik der Diskontinuität und des Bruches. Das betrifft sowohl diejenigen,
die hinter das Konzil zurück wollen, wie auch diejenigen, die es hinter sich lassen
wollen. Das kommt auf das gleiche raus. Es sind zwei Ideologien, die eine sagt, dass
die Tradition irgendwann aufgehört hat und davon bedeutet das Konzil eine Abweichung,
während die andere Seite sagt, dass das Konzil eigentlich nur ein Schritt auf dem
Weg zur einer anderen Kirche ist, in dem der ganze Bauplan und das ganze Fundament
verändert wird, an dessen Ende eben nicht mehr die katholische Kirche in ihrer geschichtlichen
und ihrer Offenbarungsidentität gehört.“
Beide Extreme seien nicht haltbar,
weder wissenschaftlich noch von der Lehre der Kirche her. Und das sei nicht nur Meinung
eines einzelnen Theologen – Joseph Ratzingers – sondern authentische Auslegung des
Konzils; man könne es in den Dokumenten selbst, etwa in „Dei Verbum,“ genau so nachlesen:
Dieses Konzil sei nur in der Linie mit allen anderen, vorhergehenden Konzilien zu
sehen und zu verstehen.
„Ich zitiere Joseph Ratzinger: ‚Es ist unmöglich,
sich für das Vatikanum Zwei und gegen Trient und Vatikanum Eins zu entscheiden, es
ist ebenso unmöglich, sich für Trient und Vatikanum Eins, aber gegen das Vatikanum
Zwei zu entscheiden.’ Hier ist alles gesagt.“
Die Vorstellung durch Erzbischof
Müller fand statt in der Bibliothek des Kollegs Santa Maria dell’Anima, der deutschsprachigen
Pilgerkirche in Rom, genau dort, wo während der Konzils Kardinal Frings untergebracht
war, wo beraten wurde und wo Joseph Ratzinger mitgearbeitet und diskutiert hatte.
Zu Gast war neben viel vatikanischer und deutschsprachiger Prominenz unter anderem
auch der heutige Sekretär des Papstes, Prälat Georg Gänswein.