Kardinal Angelo Sodano,
der frühere Kardinalstaatssekretär, ist rüstig wie eh und je und taucht auch immer
wieder bei großen Zeremonien im Vatikan auf. Der langjährige Kirchendiplomat ist heute
Dekan des Kardinalskollegiums und wurde in diesen Tagen 85 Jahre alt.
Am bekanntesten
wurde er einem Fernsehpublikum weltweit, als seine große Zeit schon vorüber war: Am
Ostersonntag 2010. Da hielt er vor dem „Urbi et Orbi“-Segen von Benedikt XVI. ein
Grußwort an den Papst, um ihn der Rückendeckung der Kardinäle zu versichern. Ein absolut
unüblicher Schritt – und dazu noch auf dem Höhepunkt der Missbrauchskrise. Der Heilige
Vater solle sich doch um das, so wörtlich, „Geschwätz der Straße“ nicht kümmern, so
der Kardinal. Diese Formulierung nahmen ihm viele übel, sogar der Wiener Kardinal
Christoph Schönborn. Sodano hatte mit dem Wort „Geschwätz“ einen Begriff Benedikts
aus seiner Palmsonntagspredigt eine Woche zuvor zitiert, das war vielen nicht klar.
Es klang einigen wie fehlender Respekt vor den Opfern von Missbrauch aus dem Mund
eines – darf man das sagen? – manchmal arrogant wirkenden Kirchenmannes.
Dabei
ist das wohl der Haupt-Charakterzug des Angelo Sodano: die Treue zum regierenden Papst.
Vor kurzem, auf dem Höhepunkt des Vatileaks-Skandal, meldete sich der Chef-Senator
der Kirche wieder in diesem Sinne zu Wort: „Das Kardinalskollegium ist geistlich
vereint mit Ihnen, Heiliger Vater, zusammen mit der Päpstlichen Familie. Sie wollen
mit dem Nachfolger Petri ein Herz und eine Seele sein.“
Sodano stammt aus Asti,
einem hübschen Piemonteser Städtchen; der Vater war Landbesitzer und saß nach dem
Zweiten Weltkrieg im italienischen Parlament. Vor ungefähr einem halben Jahrhundert
trat Angelo in den Dienst des Heiligen Stuhls – eine Karriere bis zum Nuntius in Chile,
1977 bis -88, zur Zeit Pinochets. Spätestens hier wird er den diplomatischen Eiertanz
gelernt haben. 1990 macht ihn Johannes Paul II. zu seinem Kardinalstaatssekretär –
ein Jahr nach dem Fall der Mauer, in einem Moment, in dem die politische Landkarte
der Welt umgemalt wurde. Sodano, der Politiker: Unter seiner Verantwortung vollzog
der Vatikan als erster, zusammen mit Deutschland, die diplomatische Anerkennung von
Kroatien und Slowenien, als Jugoslawien in Stücke fiel. Manche sagen, das habe zum
Ausbruch des Balkankriegs mit beigetragen.
„Jeder Hirte ist ja dazu berufen,
das Licht Gottes in die Welt treten zu lassen – und auf diese Weise auch die Glut
seiner Liebe.“ Das ist Sodano, der Deutschlandkenner und Sprachbegabte. Als er der
Regierungschef im Palazzo Apostolico war, hatte er das Staatssekretariat und die Kurie
im Griff; dem trauern heute einige noch nach. Sechzehn Jahre lang herrschte Sodano
im dritten Stock des „Palazzo Apostolico“ – auch noch ein Jahr lang unter Benedikt
XVI. Der hatte ihn nach seiner Wahl zum Papst sofort als Kardinalstaatssekretär bestätigt:
Dabei hatten manche Vaticanisti immer behauptet, Joseph Ratzinger und Angelo Sodano
stünden in verschiedenen Lagern, etwa beim Zwist zwischen Vatikan und deutscher Kirche
über Schwangerenberatung. Sodano hält noch heute unverbrüchlich zu Benedikt: „Ich
danke euch allen für das Zeichen der Nähe zum Papst. Ein großes Geschenk, das die
deutsche Kirche der Weltkirche gemacht hat.“
Sechzehn Jahre in der vatikanischen
Löwengrube – klar, dass man da auch mal Fehler macht, dass manche Aktion im Rückblick
schillert. Vor allem im Umgang mit den „Legionären Christi“ hat der Kardinal wohl
Warnungen angesichts des Doppellebens von Pater Marcial Maciel überhört und dem verlogenen
Padre zu beherzt die Türen geöffnet. Das große Werk des Angelo Sodano bleibt hingegen
sein Weiterstricken am weltweiten Netz der Vatikandiplomatie, die diplomatische Anerkennung
Israels durch den Vatikan – ein Durchbruch nach Jahrzehnten – und der Abschluss zahlreicher
Konkordate, die Ortskirchen rund um den Globus Religionsunterricht an Schulen und
freie Kultausübung sichern.
„Ich selbst habe eine tiefe Verehrung zu Unserer
Lieben Frau von Fatima, eine Verehrung, die ich von unserem betrauerten Papst Johannes
Paul II. gelernt habe.“ Es ist selten, dass dieser Kardinal mal von sich selbst spricht
wie hier. Wieweit er Machtpolitiker war und wie weit ein religiöser Mensch, das sah
man ihm nie an. Auf Besucher– damals im Palazzo Apostolico, heute im Äthiopischen
Kolleg in den Vatikangärten – wirkt Angelo Sodano freundlich-verschlossen. Und immer
bestens informiert. Herzlichen Glückwunsch, Eminenz! „Alle zusammen erheben wir heute
unsere Stimme zum Gesang des Te Deum und danken für die Gaben, die Gott uns geschenkt
hat!“