2012-11-27 11:37:14

Dialogzentrum der Religionen in Wien eröffnet


RealAudioMP3 Es gibt eine neue internationale Einrichtung für den Dialog der Religionen: In Wien wurde am Montagabend das König-Abdullah-Dialogzentrum (KAICIID) eröffnet. Es geht auf die Initiative von Saudi-Arabien zurück; Spanien und Österreich sind ebenfalls Gründerstaaten, der Vatikan hat einen Beobachterstatus. Das Zentrum soll nach dem Wunsch des Papstes einen Dienst an der weltweiten Religionsfreiheit erfüllen, betonte der vatikanische Kurienkardinal Jean-Louis Tauran bei der Einweihung in der Wiener Hofburg vor über 800 Vertretern von Weltreligionen, Regierungen und NGOs.

„Jeder erhofft sich von dieser Initiative ... Weitblick, Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit. Das Zentrum stellt eine Gelegenheit zu offenem Dialog über viele Themen dar, darunter diejenigen, die mit Religionsfreiheit zu tun haben - Religionsfreiheit in all ihren Formen, für jeden, überall!“

Das Zentrum werde sich auch „mit Fällen des Scheiterns“ von Religionsfreiheit beschäftigen, so der Präsident des Päpstlichen Rates für den Dialog. Es werde „dann die Aufgabe des Zentrums sein, diese Fälle auf ihre Authentizität zu prüfen und konsequent zu reagieren“. Gläubige sollten „alles unternehmen und unterstützen, was die menschliche Person in ihren materiellen, moralischen und religiösen Aspirationen fördert“, so Kardinal Tauran.

„Dazu braucht es drei Haltungen: Respekt des anderen in seinem Anderssein; gegenseitiges objektives Wissen um die religiösen Traditionen und Kulturen des jeweils anderen; und Zusammenarbeit, damit unsere Pilgerfahrt zur Wahrheit in Freiheit vonstatten gehen kann.“

Die Kirche wolle nach dem Wunsch des Papstes all jenen nahe sein, die auf diesem Weg Leid zu ertragen hätten, so Tauran. Das neue Zentrum geht auf eine bahnbrechende Begegnung des saudischen Königs mit dem Papst zurück.

„Ich bin ausgesprochen dankbar für das, was Kardinal Tauran gesagt hat“, erklärt im Gespräch mit uns der Sekretär des Päpstlichen Dialogrates. Es ist der spanische Combonianer-Pater und Islamwissenschaftler Miguel Angel Ayuso Guixot, der für den Vatikan im Aufsichtsrat der neuen Organisation sitzen wird. „Tauran hat mit sehr wenigen Worten die Bedeutung des Zentrums herausgearbeitet, als er sagte: Wir stehen hier unter Beobachtung! Die internationale Gemeinschaft erwartet sich einiges von diesem neuen Zentrum. Wir wollen im Aufsichtsrat eng zusammenarbeiten, wann immer sich die Möglichkeit dazu bietet, um jedem Menschen das Grundrecht der Religionsfreiheit zu verschaffen. Ich bin davon überzeugt, dass wir durch unsere Förderung von Religionsfreiheit etwas für die volle Würde jedes Menschen tun.“

Volle Unterstützung für die neue internationale Organisation kommt auch von UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon. In seiner Rede würdigte er die Ziele der neuen internationalen Organisation zur Stärkung der Menschenrechte. Die „Vision von Religion als Ermöglicher von Respekt und Versöhnung“ könne er „voll unterstützen“, betonte Ban. „Wir haben aus wirtschaftlichen und sozialen Gründen zu oft erlebt, wie hasserfüllt religiöse Führer Minderheiten zur Zielscheibe machen. Dabei wissen wir doch genau, dass den anderen Beschuldigen keine gesunde politische Strategie für ein Land, einen Kontinent oder für die Welt ist! Wir sollten uns mehr darum bemühen, Grenzen zu überwinden. Ich freue mich über das Engagement dieses Zentrums, seine Türen für alle Religionen der Welt zu öffnen.“ Der UNO-Chef erinnerte daran, dass Religionsführer „einen immensen Einfluss haben“: „Sie können starke Kräfte für Zusammenarbeit und gegenseitiges Lernen sein. Sie können ein Beispiel geben für das Gespräch mit anderen. Sie können Völker zusammenführen auf der Basis von Überzeugungen, die alle Glaubenden gemeinsam haben.“

„Wir sehnen uns nach dem Tag, an dem Hass und Zerstörung dem Respekt für Würde und Einzigartigkeit des Menschen weichen!“ Das sagte der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I., der aus Istanbul angereist war. Das Zentrum müsse sich zur Aufgabe machen, den bereits bestehenden interreligiösen Dialog „von der obersten Ebene der religiösen Amtsträger auf die Kanzel und von dort auf die Straße“ zu bringen. Klar sei: „Ein Krieg im Namen der Religion ist eine Krieg gegen die Religion", sagte Bartholomaios.

Der saudische Außenminister Prinz Saud Al-Faisal Bin Abdulaziz Al-Saud begründete die Auswahl Wiens als Standort der neuen Organisation u.a. mit dessen Rolle als „Schnittpunkt der Kulturen“. Mit der Realisierung des Wiener Dialogzentrums habe sich für König Abdullah „ein Traum erfüllt“. Das Zentrum solle „Botschafter für die Anliegen der Religionen“ in aller Welt sein. Angesichts von Terrorismus und Auseinandersetzungen, in denen religiöse Werte nicht beachtet werden, gelte es der Gewaltspirale Einhalt zu gebieten. „Wir dürfen das Feld nicht der Gewalt überlassen“, betonte der saudische Prinz.

„Der Terror vom 11. September 2001 hat gezeigt, dass religiöse Ansichten genug Macht haben, um Frieden oder Krieg zu bringen“ - daran erinnerte der Präsident der Europäischen Rabbinervereinigung, Pinchas Goldschmidt. Interreligiösen Dialog dürfe es nicht nur zwischen jenen geben, die ohnehin von der Notwendigkeit des Dialogs überzeugt seien oder wenig Einfluss in ihren Religionsgemeinschaften ausübten, so der Moskauer Rabbiner. Umso wichtiger sei, dass die Initiative zum König-Abdullah-Zentrum „aus dem Herzen der islamischen Welt“ gekommen sei.
Der katholische Dialog-Beauftragte im Erzbistum Wien, Pfarrer Rupert Ruprecht, sagt im Interview, dass aus seiner Erfahrung heraus es das Entscheidende sei, dass die Vertreter der verschiedenen Religionen jetzt ein Vertrauensverhältnis untereinander aufbauen. „Wenn dieses Vertrauen erstmal geschaffen ist, dann kommen wir auch nicht nur auf unsere Gemeinsamkeiten zu sprechen, sondern auch auf die Probleme, die wir sehen. Probleme politischer Art, oder die Schlagzeilen, die zu uns kommen. Erst aus diesem Miteinander können wir etwas besprechen. Solange es kein Vertrauensband gibt, ist es schwer, über kritische Themen zu reden, weil jeder vom anderen vermutet, dass er ihn sozusagen in die Pfanne hauen will.“

Ruprecht weiß genau, dass das neue Dialogzentrum von vielen auch mit Mißtrauen beäugt wird. Aber er findet: „Diese Initiative ist rechtlich sehr gut aufgestellt; wir sehen, dass es hier keinen einseitigen politischen oder auch religiösen Einfluss geben kann. Das gerantiert der Aufsichtsrat, in dem drei Muslime, drei Christen, ein Hindu, ein Buddhist und ein Vertreter des Judentums sitzen. Und zweitens brauchen wir heute Werkzeuge, die Power haben: Geld nämlich und diplomatische Möglichkeiten.“


Hintergrund
Während des Festakts in der Hofburg wurde die KAICIID-Gründungsurkunde durch die insgesamt neun Vertreter der fünf Weltreligionen im Aufsichtsrat des Abdullah-Zentrums unterschrieben. Das „King Abdullah Bin Abdulaziz International Centre for Interreligious and Intercultural Dialogue“ soll nach eigenen Angaben künftig eine Vorreiterrolle für den Dialog zwischen den Weltreligionen und Kulturen einnehmen und zu einer „Brücke für ein besseres Verständnis“ werden. Das Zentrum wurde durch ein völkerrechtliches Abkommen zwischen Spanien, Österreich und Saudi-Arabien ins Leben gerufen, der Heilige Stuhl hat seit Oktober den Status eines Beobachterstaates („founding observer“). Saudi-Arabien stellt die Finanzierung der Einrichtung in den ersten drei Jahren mit bis zu 15 Millionen Euro sicher.

Zentrales Gremium der Organisation mit Sitz im Palais Sturany in der Wiener Innenstadt ist der neunköpfige Aufsichtsrat mit Vertretern der fünf Weltreligionen Christentum, Judentum, Islam, Buddhismus, Hinduismus. Die katholische Kirche wird durch den Sekretär des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog, den Combonianer-Pater und Islamwissenschaftler Miguel Angel Ayuso Guixot, vertreten. KAICIID-Generalsekretär ist der frühere stellvertretende saudische Bildungsminister Faisal Abdulrahman Bin Muammar, seine Stellvertreterin die ehemalige österreichische Justizministerin Claudia Bandion-Ortner. Sie sollen künftig auch von einem rund 100 Mitglieder umfassenden Beraterforum mit Vertretern unterschiedlicher Religionen, kultureller Institutionen und internationaler Organisationen unterstützt werden.

(rv/kap 27.11.2012 sk)








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