2012-11-24 13:07:17

Kongo: Staatliche Anarchie auf Kosten vor allem der Frauen


RealAudioMP3 An diesem Sonntag wird der Internationale Tag zur Beendigung von Gewalt an Frauen begangen. In vielen Teilen der Welt sind diese nach wie vor schutzlos der Übermacht der meist männlichen Angreifer ausgeliefert und leiden im täglichen Leben Qualen. Umso schlimmer, wenn die staatlichen Autoritäten ihrer Rolle nicht nachkommen können und den Tätern faktisch Straffreiheit garantiert ist. Im Kongo, in der nordöstlichen Region Nord-Kivu, herrscht derzeit eine solche Situation der Anarchie. Marodierende und schwer bewaffnete Rebellengruppen ziehen ungehindert durch die Gegend, bereichern sich an Mineralien, terrorisieren die Zivilbevölkerung und finden in den Soldaten, die schlecht ausgerüstet und teilweise seit Monaten nicht bezahlt werden, keine ernsthafte Bedrohung. Wolfgang Tyderle ist Nothilfekoordinator des überkonfessionellen Hilfswerkes Care-International. Er war selbst bis vor zwei Wochen im Krisengebiet und berichtet im Radio-Vatikan-Interview von den Schrecken, die insbesondere Frauen erleiden müssen:

„Frauen und junge Mädchen werden von den Soldaten als Geiseln genommen, als Druckmittel benutzt, vergewaltigt. Dadurch, dass sie immer wieder vor der Gewalt fliehen müssen, verlieren sie auch ihre Lebensgrundlage, sind also in jeder Form betroffen. Da die Frauen und Mädchen in der Regel auch das ökonomische Rückgrat der Region sind, also die Arbeit auf den Feldern leisten und für die Familien sorgen, leiden sie am meisten.“

In weiten Teilen Afrikas besteht nach wie vor die Tradition, dass die Arbeit von Frauen erledigt wird. Andererseits sind aber auch die Männer teilweise gezwungenermaßen in die bewaffneten Konflikte eingezogen worden oder haben Angst, gezielt ermordet zu werden, wenn sie für ihre Frauen zum Feuerholzholen in den Wald gehen. Es sei, so Tyderle, eine unglaublich schwierige Aufgabe, in dieser Verflechtung von Tradition und Angst einen Bewusstseinswandel zu schaffen. Care führt dazu in der Region eine Reihe von Aktivitäten durch:

„Das fängt bei der klassischen Nothilfeversorgung mit Notbehausung, Nahrung und Wasser an - aber durch alle Projekte zieht sich die Frage, wie können wir den Frauen helfen. Da ist zum einen natürlich der Rat an Frauen, die betroffen sind oder waren, also vergewaltigt oder verschleppt wurden und aus der Situation lebend heraus gekommen sind. Diesen Frauen Hilfe anzubieten, psychosozial mit ihnen zu arbeiten und ihnen Anlaufstellen zu bieten, an denen sie sich austauschen und Verhaltensweisen lernen können, wie derartige Situationen vielleicht verhindern werden können oder wie man vorsichtiger sein kann: das sind unsere Aufgaben.“

Das andere Spektrum der Aktivitäten betreffe den Versuch, kulturelle Veränderungen durchzuführen. Die Männer sollen mit ins Boot geholt werden, um beispielsweise die gefährlicheren Arbeiten selbst zu übernehmen. Aber der Prozess ist langwierig und wird durch die widrigen Umstände noch erschwert, so Tyderle:

„Wir führen alle möglichen Aktivitäten durch, um zu überlegen, wie man diese Gewalttaten zumindest in Teilen verhindern kann. Es ist natürlich sehr schwer, dem zu entfliehen, wenn schwerbewaffnete Gruppen unkontrolliert durch die Gegend ziehen. Man muss das jedenfalls in enger Zusammenarbeit mit Mitarbeitern aus der Gegend machen, die die Sprache sprechen und den lokalen Kontext kennen. Sie müssen wissen, was man ansprechen kann und was nicht – das ist also ein sehr langfristiges Projekt.“

Einer der Auslöser für die aktuelle Krise im Nord-Kivu war es, dass der Milizionär Bosco Ntaganda, einer der Hauptverantwortlichen für die Gewalttaten, im April verhaftet werden sollte. Mit Kämpfern verschanzte er sich in den Bergen und terrorisiert nun die umliegende Region, ohne dass die Armee ihn bislang stoppen konnte. Doch die internationale Gemeinschaft habe hier eine präzise Aufgabe:

„Man muss signalisieren, dass das beobachtet wird und keiner damit rechnen kann, straffrei davon zu kommen, wenn bekannt wird, was er für Vergehen begangen hat. Der Blick von außen auf die Lage und das Bewusstsein, dass das Ganze nicht im Versteckten passiert, sind dabei unabdingbar. Dafür ist auch die Öffentlichkeit sehr wichtig.“

(rv 24.11.2012 cs)








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