Kard. Vegliò: „Reiche Länder könnten Piraterie stoppen“
Der Heilige Stuhl fordert einen neuen Ansatz des Westens im Kampf gegen die Piraterie
vor allem am Horn von Afrika und im Indischen Ozean. Waffen und Patrouillen alleine
reichten nicht aus, sagte uns Kardinal Antonio Maria Vegliò vom Päpstlichen Migrantenrat
am Rand eines Kongresses über Seefahrer-Seelsorge im Vatikan.
„Was uns am
meisten besorgt, ist das Leben der Seeleute und ihrer Familie, das von Piraten in
Gefahr gebracht oder langfristig mit sehr starkem Druck und großer Angst belastet
wird. In letzter Zeit beobachten wir vor allem ein Anwachsen der Gewalt beim Umgang
mit Geiseln, und die Zeiten der Geiselnahme werden länger, die Verhandlungsposition
von Geiselnehmern immer stärker. 2009 waren Geiseln, Schiffe und Ladung durchschnittlich
45 Tage in der Hand von Piraten: Heute sind wir bei 180 Tagen!“
Vegliò
fordert die großen Schiffstransportunternehmen auf, die Besatzungen besser darauf
vorzubereiten, „was ihnen in diesen gefährlichen Gewässern alles passieren kann“ und
was sie tun können, um sich und ihre Familien zu schützen. Der Kardinal sieht große
Mängel bei der Betreuung der Angehörigen von Seeleuten.
„Keiner denkt an
die psychologische und moralische Hilfe, die diese Menschen brauchen; zu oft werden
die Angehörigen über das Wohlergehen der Besatzung im Dunkeln gelassen, vor allem
aus Sicherheitsgründen. Es fehlen Aussteigemöglichkeiten und Umschulungsangebote für
Seeleute, die nach einem Schock wegen eines Piraterie-Erlebnisses nicht mehr auf einem
Schiff arbeiten können. Der bloße Rückgriff auf Waffen, um die Schiffe und die Besatzung
zu verteidigen, kann keine erschöpfende Antwort auf das Phänomen der Piraterie sein
– auch weil die Piraten skrupellos sind, die haben ja nichts zu verlieren!“
Kardinal
Vegliò fordert darum ein Umdenken in westlichen Regierungszentralen:
„In
Weltgegenden wie Somalia, wo Menschen verhungern, könnten die reichen Staaten sicher
einen entscheidenden Dialog in Gang bringen: Wenn sie sich verpflichten, den Hunger
zu bekämpfen und der Bevölkerung eine Lebenschance zu erschließen, dann zeigen sie
ihr einen anderen Weg zum Überleben, eine Alternative zum Verbrechen. Für diesen Ansatz
gibt es erfolgreiche Modelle: Auf unserem Kongress im Vatikan tritt ein Anwalt auf,
der oft mit somalischen Piraten verhandelt hat. Es ist ihm gelungen, Dutzende von
Schiffen und ihrer Besatzung wieder aus der Hand der Piraten zu befreien.“