„Ohne Heimat existiere
ich nicht“. Dieser Satz befindet sich auf dem marmornen Grenzstein zwischen den beiden
Koreas, der die Besucher begrüßt, die aus aller Welt heranströmen, um das Drama eines
geteilten Volkes mit eigenen Augen zu sehen. 20 Jahre nach Fall der Berliner Mauer
scheint es so, als wäre in Korea die Zeit stehen geblieben. Nord und Süd stehen sich
zumindest politisch gesehen nach wie vor unversöhnlich gegenüber und diese Trennung
wird besonders deutlich in der demilitarisierten Zone „DMZ“, die auf etwa 900 Quadratkilometern
das Land in zwei Hälften schneidet. Die Wiedervereinigung ist eines der wichtigsten
Ziele der katholischen Kirche vor Ort. Sie ist in eine Reihe von Hilfsprojekten eingebunden,
die dank einer speziellen Kommission für die Versöhnung eingerichtet wurden. Pater
Timoteo Lee-Eun-Hyung ist Mitglied der Kommission und hat seinen Sitz in der Diözese,
die der DMZ am nächsten liegt.
„Unsere Kommission hat verschiedene Objektive.
Mit am wichtigsten ist sicherlich die Evangelisierung von Nordkorea, da es dort keine
Religionsfreiheit gibt. Zunächst versuchen wir aber, überhaupt erstmal Informationen
darüber auszutauschen, was in Nord- und in Südkorea passiert, auch um unsere Gefühle
füreinander auszutauschen. Eine weitere Aufgabe, die wir übernommen haben, ist diejenige
der Assistenz für die Menschen, denen es gelingt, aus Nordkorea zu fliehen und die
hier in fürchterlichem Zustand ankommen. Wir helfen diesen Menschen, hier in Südkorea
ansässig zu werden.“
Dabei sei, so der Pater, in den vergangenen Jahren
bereits einiges erreicht worden und mit kleinen, aber hartnäckigen Schritten solle
es auch in der Zukunft weiter gehen:
„Ein sehr wichtiges Projekt, das auch
immer weiter gehen wird, ist die Weiterführung des gemeinsamen Gebetes: „Lasst uns
zusammen beten“. Das ist unser wichtigstes Anliegen. Wir haben beispielsweise einige
Kirchen in der Nähe der DMZ, in denen wir uns jeden Mittwoch versammeln, um für die
Menschen und Nordkorea zu beten.“
Der Dialog zwischen den Bewohnern der
geteilten Landeshälften und die Evangelisierung von Nordkorea seien dem Pater ein
besonderes Herzensanliegen, auch weil seine Gemeinde sich nahe an der Grenze befinde:
„Die Möglichkeit, dieses Werk zu vollbringen, hat mir stets viel Freude
gemacht. Die Tatsache, sich nahe an der Grenze zu befinden, bedeutet nicht, besondere
Begrenzungen in der pastoralen Tätigkeit zu haben, sondern im Gegenteil, ich fühle
mich sehr nahe an der Wiedervereinigung. Und der Gedanke daran, sich diesem Ereignis
so nahe zu befinden, verstärkt meine Berufung. Sicherlich sind die Wiedervereinigung
mit Nordkorea und die Neuevangelisierung dort die wichtigsten Projekte für uns Katholiken.“
Seit 1945, als unmittelbare Folge des Zweiten Weltkrieges analog zur Situation
in Deutschland, ist die Halbinsel Koreas nun schon in zwei Hälften geteilt. 1950 kam
es schließlich zu einem Krieg zwischen dem russisch geprägten Nordteil und dem von
US-Truppen unterstützten Süden, der die Teilung zementierte. Der Waffenstillstand,
der drei Jahre später ausgerufen wurde, hält offiziell bis heute an. Eine Wiedervereinigung
scheint auch nach über 60 Jahren zumindest nicht unmittelbar bevorzustehen, doch Südkorea
hat sich für den Fall der Fälle bereits vorbereitet: Die Regierung in Seoul hat sich
bereits kistenweise Informationsmaterial über die Wiedervereinigung Deutschlands beschafft.
Diese Informationen betreffen beispielsweise die Vereinheitlichung der Währung, die
Zusammenführung zweier unterschiedlicher Verkehrssysteme oder die Berechnung eines
Solidaritätszuschlages.