2012-11-12 12:49:24

D: No-Go-Zonen für Juden?


RealAudioMP3 Der Ende August in Berlin auf offener Straße überfallene Rabbi Daniel Alter zeigt sich besorgt über das wachsende Klima von Antisemitismus in Deutschland. Im Interview mit dem Kölner Domradio erklärte er, er sei zwar erfreut über die zahlreichen Solidaritätsbekundungen, die er nach dem Überfall, von dem auch seine sechsjährige Tochter betroffen war, erhalten hätte. Dennoch, so der Rabbi, würde er es seinen Glaubensbrüdern nur bedingt raten, sich auf der Straße mit der traditionellen jüdischen Kopfbedeckung Kippa zu zeigen:

„Ich sehe keinen Sinn darin, die eigene Gesundheit und das eigene Leben in Gefahr zu bringen, um Zeichen zu setzen. Es gibt in Berlin Stadtviertel, in denen es nicht empfehlenswert ist, sich als Jude öffentlich zu erkennen zu geben. Man kann hier ruhig das umstrittene Wort der No-Go-Area benutzen. Für Einzelpersonen ist es einfach nicht empfehlenswert, sich in gewissen Gebieten Berlins und Deutschlands als Jude identifizieren zu lassen.“

Er selbst hätte das Erlebnis zwar auch dank der überwältigenden Solidaritätswelle recht gut verarbeitet, seine kleine Tochter leide aber immer noch unter den Folgen der Gewalttat. Die Täter hatten ihn auf offener Straße angepöbelt und verletzt und das Mädchen mit dem Tod bedroht. Er selbst hätte für sich aus dem Erlebnis Lehren gezogen:

„Zunächst hat es mich emotional sehr mitgenommen. Nachdem ich aber angefangen habe, es rational zu verarbeiten, habe ich für mich persönlich Konsequenz gezogen: Dinge, die ich in den vergangenen zwei Jahren vernachlässigt habe, werde ich wieder intensivieren. Und ich werde mich wieder verstärkt für den interreligiösen Dialog und gegen Antisemitismus engagieren.

Das Klima in Deutschland sei gerade in letzter Zeit wieder rauer geworden, was insbesondere angesichts des Gedenktages an die Reichspogromnacht am 9. November besorgniserregend sei:

„Wir sind einem großen Maß an Antisemitismus konfrontiert. Wenn ich die Zahlen der Bundestagsdebatte vor einigen Tagen richtig im Kopf habe, kann man davon ausgehen, dass 20 Prozent der Gesamtbevölkerung latenten Antisemitismus in sich tragen, und dass es weitere 15 Prozent innerhalb der Bevölkerung gibt, die mehr oder weniger Antisemitismus mehr oder weniger offen ausleben und zum Ausdruck bringen. Das ist eine extrem große Belastung. Und es ist einfach schmerzhaft, ein sehr großes Problem für alle Menschen, die sich in Deutschland als Juden identifizieren.“

(domradio 12.11.2012 cs)







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