Justin Welby (56), Bischof von Durham, wird neuer Primas der anglikanischen Staatskirche
von England. Königin Elizabeth II. ernannte den derzeitigen Bischof von Durham zum
Nachfolger von Rowan Williams (62) als Erzbischof von Canterbury, wie die Kirchenleitung
am Freitag bekanntgab. Am 21. März 2013 wird Welby den Kathedralsitz von Canterbury
feierlich übernehmen. Welby ist Absolvent der Eliteschule Eton, Jurist und Theologe.
Er wurde erst 1993 zum Priester und im Oktober 2011 zum Bischof geweiht. Von 2007
bis 2011 war er Dekan der Kathedrale von Liverpool. Unter anderem arbeitete er zuvor
elf Jahre als Manager im Ölgeschäft. Seine Karriere als Seelsorger weist aber auch
Stationen in sozialen Brennpunkten auf. Welby ist verheiratet und hat fünf Kinder.
Der künftige Primas der Kirche von England gehört dem evangelikalen Kirchenflügel
an. Turnusgemäß wechseln sich ein anglokatholisch ausgerichteter Erzbischof von Canterbury
wie Williams und ein evangelikaler im Amt ab. Auf den eher liberalen Williams folgt
nun auch ein theologisch eher konservativer Primas. Unter anderem gilt Welby als Gegner
einer Heiratsmöglichkeit für homosexuelle Paare. In der Finanzkrise kritisierte er
mangelnde soziale Verantwortung bei Finanzgeschäften. Welby wird der 105. Erzbischof
von Canterbury, seitdem´ Papst Gregor der Große im Jahr 597 den heiligen Mönch Augustinus
nach Kent entsandte. In seiner neuen Rolle ist er Diözesanbischof, Leiter der Kirchenprovinz
Canterbury, Primas von ganz England, geborenes Mitglied des britischen Oberhauses
sowie Ehrenoberhaupt der anglikanischen Weltgemeinschaft. Jedoch gibt es Überlegungen,
diese verschiedenen Pflichten stärker zu entkoppeln. Der Waliser Rowan Williams
war 2002 als erster Nicht-Engländer Primas von England geworden. Bei seinem Amtsantritt
galt er als progressiver und liberaler Intellektueller. Konflikte innerhalb der anglikanischen
Weltgemeinschaft brachten ihn immer mehr in eine vermittelnde Position zwischen dem
liberalen und dem konservativen Flügel. Zur Zerreißprobe wurden die Zulassung von
Frauen zum Bischofsamt, der Umgang mit homosexuellen Geistlichen sowie die Segnung
gleichgeschlechtlicher Partnerschaften. Williams übernimmt Januar einen Lehrauftrag
am Magdalene College in Canterbury. Weltweit gehören der anglikanischen Kirche etwa
77 Millionen Mitglieder an. Außerhalb Englands gibt es 26 anglikanische Kirchenprovinzen,
darunter in den USA, Australien und mit wachsender Bedeutung in mehreren afrikanischen
Ländern. Der Erzbischof von Canterbury ist „Primus inter pares“ (Erster unter Gleichen),
hat also keine Weisungsbefugnis für die 26 Nationalkirchen. Die anglikanische
Kirche entstand zur Zeit der Reformation in England. König Heinrich VIII. brach 1533
mit dem Papst, weil dieser sich weigerte, die Ehe des Königs zu annullieren. Als Oberhaupt
einer neuen Staatskirche setzte sich Heinrich VIII. 1534 selbst ein.