Schönborn: „Kein Naturgesetz, dass Christen weniger werden“
„Die missionarische
Aktivität der Kirche weltweit ist viel größer, als wir gemeinhin annehmen.“ Diesen
Eindruck hat der Wiener Kardinal Christoph Schönborn von der römischen Weltbischofssynode
mitgenommen. Dass die Christen in Europa immer weniger würden, sei vor allem ein demografisches
Problem und hänge mit dem Geburtenrückgang zusammen, so Schönborn im Gespräch mit
der Nachrichtenagentur „Kathpress“. Es gebe jedenfalls „kein Naturgesetz, dass die
Christen immer weniger werden“. Die Kirche sei grundsätzlich auf Wachstum ausgelegt,
und es gebe keinen Grund zur Resignation. Schönborn wörtlich: „Die Herausforderung
besteht darin, ob unser Glaube stark genug ist, dass Gott uns Wachstum schenkt; wenn
auch vielleicht nicht innerhalb der gewohnten kirchlichen Strukturen.“
Das
Bischofstreffen zum Thema Neuevangelisierung war am Sonntag in Rom zu Ende gegangen.
Mit 262 Bischöfen und weiteren 140 Gastexperten war es die bislang größte Synode gewesen.
Er habe von der dreiwöchigen Versammlung einen „Sack voll guter Ideen“ für künftige
Initiativen in der Kirche in Österreich mitgenommen, so Schönborn. Konkret nennen
wollte der Wiener Erzbischof freilich noch keine.
Sei beim Zweiten Vatikanischen
Konzil noch die Inkulturation das große Thema gewesen, bemerke man inzwischen einen
eher gegenläufiger Trend, sagte Schönborn: In der globalisierten Welt seien die Herausforderungen
für die Kirche im wesentlichen überall gleich. Schönborn nannte u.a. die Phänomene
der Säkularisierung, der religiösen Konkurrenz durch andere Religionen, Migration,
Radikalisierungstendenzen, Fanatismus und Terror, vor allem auch gegen Christen. Als
Grundüberzeugung durch die Beiträge der einzelnen Synodenteilnehmer wie auch in den
Diskussionen sei die Bedeutung von kleinen christlichen Gemeinschaften spürbar gewesen,
so der Kardinal weiter. Evangelisierung könne nur gelingen „mit einem Angebot an Beheimatung
in einer überschaubaren Gemeinschaft, wo gemeinsames christliches Leben möglich ist“.
Insofern liege man auch mit der Strukturreform in der Erzdiözese Wien im weltweiten
Trend.
Evangelisierung könne auch nur erfolgreich sein, wenn man immer die
konkrete Not der Menschen im Auge behält und hilft, sagte Schönborn. Ebenso klar hätten
viele Bischöfe formuliert, „dass die Evangelisierung bei uns selbst beginnen muss“.
Schönborn: „Man kann nicht evangelisieren, wenn man sich nicht immer wieder neu dem
Anruf Jesu Christi stellt. Auch wenn man schon viele Jahre Bischof ist.“ Positiv hob
der Kardinal hervor, dass viele Vertreter aus anderen christlichen Kirchen als Gäste
an der Bischofsversammlung teilgenommen hatten. Die Palette reichte vom Oberhaupt
der orthodoxen Kirche, Patriarch Bartholomaios I., und dem anglikanischen Primas Rowan
Williams über Vertreter des Lutherischen Weltbundes bis zu einer methodistischen Bischöfin.
Gewünscht hätte er sich mehr persönliche Evangelisierungserfahrungen für die
Bischöfe vor Ort in Rom. Er selbst habe wenigsten einmal abends eine römische Jugendgruppe
begleitet, die auf öffentlichen Plätzen den Rosenkranz betet und danach das Gespräch
mit Passanten sucht.
Im Gespräch mit Radio Vatikan sagte der Kardinal, dass
die Laien die zentrale Rolle in der Neuevangelisierung spielen würden. Deshalb müssten
auch alle getauften und gefirmten Gläubigen ermutigt und erinnert werden, dass sie
dazu ermächtigt sind. Zugleich warnte Schönborn einmal mehr vor einem eingeengten
Verständnis, dass nur der ein engagierter Laie sei, der in der Kirche eine Funktion
ausübe. Es gehe vielmehr um die Sendung der Kirche in der Welt. Dass Laien auch innerkirchlich
eine unerlässliche Rolle und Mitverantwortung haben, sei völlig klar, „aber wir sollten
keine Klerikalisierung der Laien bei uns vorantreiben“, so Schönborn wörtlich.