Die katholische Kirche
in Deutschland hat weitere Aktivitäten zur Prävention sexuellen Kindesmissbrauchs
vorgestellt. Bei einer Pressekonferenz am Montag wurde in München die erste Lerneinheit
eines E-Learning-Programms präsentiert, das kirchlichen Mitarbeitern weltweit Wissen
zur Prävention vermitteln und sie für den Umgang mit Fällen sexuellen Kindermissbrauchs
qualifizieren soll. Das Zentrum für Kinderschutz München der römischen Päpstlichen
Universität Gregoriana hat das E-Learning-Programm entwickelt. In Freising veranstaltet
es derzeit seine Jahrestagung.
„Der Onlinekurs vermittelt handlungs- und praxisorientierte
Kompetenzen sowohl für die Präventionsarbeit als auch für konkrete Interventionsmaßnahmen“,
sagte Hubert Liebhardt, Direktor des Zentrums für Kinderschutz, bei der Pressekonferenz.
Die Kirche könne „in vielen Ländern dieser Welt eine wichtige Rolle als Schutzraum
für Kinder mit qualifizierten Erstansprechpersonen einnehmen“. Ergänzend zu dem E-Learning-Programm,
das die Erzdiözese München und Freising zur Hälfte finanziert, absolvieren pastorale
Mitarbeiter des Erzbistums in ihrer Aus- und Weiterbildung eine Vielzahl von Schulungen
zur Prävention sexuellen Missbrauchs, teilweise verpflichtend. Auch im Fortbildungsprogramm
für Priester, das momentan neu konzipiert wird, soll die Prävention sexuellen Missbrauchs
eine wichtige Rolle spielen.
Der deutsche Jesuit Hans Zollner, Akademischer
Vizerektor und Direktor des „Instituts für Psychologie“ an der Päpstlichen Universität
Gregoriana, stellte die deutsche Erstausgabe des Tagungsbands „Auf dem Weg zu Heilung
und Erneuerung“ vor. Darin versammelt sind Beiträge eines hochrangigen Kongresses,
der im Februar 2012 zum Thema Kindesmissbrauch an der Gregoriana in Rom stattfand.
Anliegen des Symposiums sei es unter anderem gewesen, „zu einer Kultur des Zuhörens
und des Lernens beizutragen, und zwar weltweit“. „Mit der Publikation des Tagungsbandes
sollen nicht nur die Inhalte des Symposiums verfügbar gemacht und verbreitet werden,
sondern auch die Bedeutung dieses neuen Ansatzes unterstrichen werden“, so Zollner.
Und wörtlich: „Das Thema ‚Missbrauch’ ist seit einigen Monaten nicht mehr im Zentrum
der allgemeinen Aufmerksamkeit, mindestens in unseren Breiten. Das ist für uns aber
kein Grund, in unseren Bemühungen nachzulassen. In Kirche und Gesellschaft brauchen
wir einen langen Atem und eine große Entschiedenheit, um die Verantwortung für die
Vergangenheit zu übernehmen und an einer besseren Zukunft zu arbeiten.“
Die
erste Lerneinheit des Onlinekurses zum „Grundverständnis von sexuellem Kindesmissbrauch“
wurde schon Anfang des Monats auf Englisch, Italienisch und Deutsch freigeschaltet.
An dem Kurs sind derzeit über 250 Personen und 26 Trainer aus Partnerorganisationen
in sechs Ländern beteiligt. Mitentwickelt wurde die Online-Schulung von der Klinik
für Kinder- und Jugendpsychiatrie am Uni-Klinikum Ulm. Wichtig dabei sei, den Teilnehmern
die gesetzlichen Normen deutlich vor Augen zu führen, sagte der ärztliche Leiter der
Klinik, Jörg Fegert, in München. Es müsse deutlich werden: „Das sind Taten, die schwerwiegende
Auswirkungen für lange Zeit haben.“ Damit verbunden sei die Hoffnung, dass sich die
Wahrnehmung von sexuellem Missbrauch ändere und die Projekt-Teilnehmer lernten, als
Zuhörer für betroffene Kinder zur Verfügung zu stehen und dann auch richtig zu handeln,
so Fegert. Im Mai 2011 hatte die Römische Glaubenskongregation alle nationalen Bischofskonferenzen
angehalten, binnen eines Jahres eigene Richtlinien zum Umgang mit sexuellem Missbrauch
in der Kirche zu erlassen. 70 Prozent aller 113 nationalen Bischofskonferenzen haben
nach Vatikan-Angaben inzwischen eigene Richtlinien erlassen.