Brasilien: Wenn zwei sich streiten, gründen sie - eine Kirche
Ein ganzes Stadtviertel
soll in Brasilien vom Bau einer neuen katholischen Kirche profitieren. In Pedro do
Rosario, das in einem der ärmsten Staaten Brasiliens liegt, wird das Projekt eines
Kirchenbaus vorangetrieben, um gleichzeitig zur Evangelisierung und Pastoral auch
eine sozialen Anlaufstelle für die Einwohner zu schaffen. Der Priester Paolo Boumis
war drei Jahre lang zur Missionstätigkeit in Brasilien und gehört zu den Planern des
Projekts. Er erzählt im Radio Vatikan Interview, dass insbesondere die Pfingstkirchen
eine rapide Ausbreitung in den armen brasilianischen Gebieten erleben:
„Da
ist vor allem die Versammlung Gottes, die in ganz Brasilien und besonders im Nordosten
verbreitet ist. In unserer Stadt Pedro do Rosario gab es etwa sechs nicht-katholische
Gemeinden und davon einige der jüngsten Generation, da sich diese Gemeinschaften in
Brasilien mit einer schwindelerregenden Geschwindigkeit verbreiten. Eine entsteht
aus der anderen, insbesondere durch Schismen. Sobald zwei Priester streiten, trennen
sie sich und gründen neue protestantische Kirchen. Ihre Merkmale, insbesondere der
jüngsten von ihnen, der Neupfingstkirchler, ist, dass sie bei Null anfangen: Sie öffnen
ein Geschäft, kaufen zehn Stühle und fangen da predigen an, auch wenn niemand dabei
ist. Langsam füllen sie sich dann. Leider ist die Wunderperspektive der Wohlstandstheologie,
die sie in einem Kontext der bitteren Armut predigen, der große Ansatzpunkt dieser
Strömungen.“
Die Wohlstandstheologie nährt die Illusion, dass Gott den
materiellen Wohlstand der Menschen will. Deshalb ist wirtschaftlicher Wohlstand in
diesen Gemeinschaften positiv besetzt, und wer nicht wohlhabend sei, sei daran durch
einen bösen Geist gehindert. Oft bieten die Prediger an, diese Geister - gegen Bezahlung,
versteht sich - auszutreiben, um dem Bittsteller zum ersehnten materiellen Wohlstand
zu verhelfen.
„Sie predigen die Wohlstandstheologie in dieser von bitterer
Armut geprägten Umgebung und nähren die Hoffnung, dass Gott wirtschaftliche Wunder
vollbringe, ohne dass man etwas dazutun müsse. Am Ende verstehen die Leute aber, dass
es sich um eine Illusion handelt, und schließen sich einer anderen Kirche an. Es gibt
große Migrationsbewegungen in der Kirche.”
Um diesen Migrationsbewegungen
eine eigene Initiative entgegenzusetzen und die Menschen vor Ort zu erreichen, soll
nun das neue katholische Zentrum erbaut werden. Außerdem sollten die einzelnen auf
dem Stadtgebiet verstreuten katholischen Gemeinschaften gestärkt werden, die sich
in den neuen Stadtvierteln bilden, so Don Boumis. Dabei helfe schon allein die Tatsache,
dass die Straße, die die einzelnen Gemeinden verbinde, nun endlich asphaltiert sei.
Auch die Wirtschaft habe in letzter Zeit einen zwar leichten, aber dennoch spürbaren
Aufschwung erfahren – dies mache es möglich, nun von einer größeren und vor allem
gemeinschaftlich getragenen Entwicklung zu träumen.
„Die Umgebung hier
ist wirklich geprägt von großer Armut und Verfall. Deshalb hatten wir die Idee, einen
großen Saal zu schaffen, in dem sich die christliche Gemeinschaft zur Liturgie treffen
könnte, zu einem großen Gemeinschaftserlebnis. Wir wollen einen Dienst an der Bevölkerung
leisten, indem sie die Möglichkeit bekommt, gemeinsam zu beten und ihr Zusammengehörigkeitsgefühl
zu stärken, das unter der Armut und dem Gefühl des Verlassenseins von den Institutionen
und der lokalen Wirtschaft gelitten hat. Die Grundidee ist deshalb die einer Pfarrei,
in der es möglich ist, eine Gemeinschaft zu erträumen, in der alle Probleme gemeinsam
angegangen und gelöst werden können.“ (rv 28.10.2012 cs)