Politik in Nigeria
ist mittlerweile gleichzusetzen mit einem bewaffneten Banditentum. Dieses harte Urteil
über die Politik in seinem Land fällte am Rande der Bischofssynode in Rom der Bischof
von Sokoto, Matthew Hassan Kukah. Die Nation ist Afrikas größter Ölproduzent, aber
gleichzeitig von großer Armut, weitreichender Korruption, und ständigen ethnischen
und konfessionsgebundenen Ausschreitungen gebeutelt. Bischof Kukah erklärt, dass in
seinem Land zwar eine lebhafte und tief empfundene Religiosität herrsche und die Kirchen
voller Gläubiger seien. Dies stünde aber in scharfem Kontrast zu den ernsten Problemen
der Raubüberfälle, Geringschätzung von Menschenrechten, Menschenleben und Menschenwürde.
Kultstätten würden vermehrt zum Schauplatz heftiger Anschläge, und nicht zuletzt sei
die Korruption mittlerweile in allen Bereichen des Staatswesens feststehender Bestandteil.
Es sei jedoch kurzsichtig, die Probleme an konfessionsgebundenen Differenzen festzumachen:
„Ich
will nochmals betonen, dass die Unterscheidung zwischen Muslimen und Christen nicht
zielführend ist. Ich lebe in Nigeria, mit nigerianischen Bürgern, und nicht mit Christen
oder Muslimen. Die westlichen Medien haben uns nicht damit geholfen, dass sie zu stark
auf unsere religiöse Identität fokussiert haben. Das Boko Haram-Problem wird nicht
dadurch zum Problem zwischen Christen und Muslimen, dass Kirchen attackiert worden
sind. Es ist wichtig, zu unterstreichen, dass wir die gleichen Vorfälle in den muslimischen
Gemeinden erlebt haben. Jeder Bürger Nigerias, einfach nur weil er hier lebt, könnte
ein potentielles Opfer sein.“
Vom Staat und der Regierung Nigerias müsste
nun gefordert werden, ihrer Verantwortung entsprechend das Mindeste zu unternehmen,
was eine Regierung tun müsse: nämlich das Leben ihrer Bürger zu schützen. Der Militäreinsatz,
der nun verstärkt beobachtet werden könne, sei aber nicht der richtige Weg, um Konsens
zu erreichen und unterminiere die Demokratisierung. Probleme dieser Art müssten politisch
gelöst werden, so wie es mit jeder Krise auf der Welt versucht werde:
„Meine
Sorge ist, dass die politische Klasse ihre Inkompetenz verborgen hat, indem sie das
Problem als ein einfaches Law-and-Order-Problem präsentiert hat. Das ist es nicht!
Soldaten in einer Demokratie auszusenden verringert deine Fähigkeit, das Vertrauen
der einfachen Bürger zu gewinnen. Die Regierung versteckt ihre Inkompetenz, indem
sie Soldaten für Probleme einsetzt, die schlichtweg politische Probleme sind. Was
Boko Haram anprangert, ist das, was jeder einfache Nigerianer, mich eingeschlossen,
bereits angesprochen hat: Wie kann man weiterhin auf diese Weise ein Land regieren,
wenn die galoppierende Korruption institutionalisiert worden ist und ein klarer Missbrauch
staatlicher Mittel stattfindet?“
Natürlich brauche es nicht Boko Haram,
um diese Themen zu erkennen und anzusprechen. Im Gegenteil, der stille Konsens, den
Boko Haram zumindest für ihre Forderungen, wenn auch nicht für ihre Methoden im Land
genieße, führe eine militärische Intervention ad absurdum:
„Selbst wenn
du alle Soldaten der Welt nach Nigeria bringst, kannst du nicht die Idee Boko Harams
töten. Die einzige Alternative ist, dass die politische Klasse diese Probleme entschieden
angeht. Dazu gehört, die hohen Kosten der Regierung und die Vorteile zu reduzieren,
die den Einstieg in die Politik so attraktiv und, im weiteren Sinne, die Politiker
so gewaltbereit gemacht haben. Die jungen Leute sind sich in den vergangenen Jahren
dessen bewusst geworden, dass Politik in Nigeria fast mit bewaffnetem Banditentum
gleichzusetzen ist, denn ihr Preis ist so hoch und das Klima der Straffreiheit ist
so dominant geworden!“