Vatikan/Ägypten: Wir brauchen das Feuer der ersten Gemeinden
Eine Erneuerung der
Kirche kann nicht ohne eine Erneuerung des Klerus selbst stattfinden. Diese Meinung
ist in der Synodenaula immer wieder zu hören. Auch Bischof Kyrillos William von Assiut
in Ägypten vertritt diese Einschätzung. Er ist Administrator des Patriarchats von
Alexandrien und Stellvertreter seines Patriarchen. Er nimmt in diesen Tagen an der
Bischofssynode in Rom teil und erzählte uns, dass auch in Ägypten die Abwanderung
der Gläubigen zunehme. Die anderen, „neuen“, Kirchen, insbesondere die Protestanten,
kümmerten sich sehr stark um die Anwerbung neuer Gläubiger – es sei also dringend
nötig, auf katholischer Seite das Pfingstfeuer neu zu entzünden:
„Von Anfang
an, als wir die lineamenta und das instrumentum laboris bekommen haben, war unsere
große Sorge, dass wir eine neue Sprache finden müssen. Wir merken, dass viele Leute
die Kirche verlassen, auch bei uns, obwohl man ja immer sagt, dass die Orientalen
sehr religiös geprägt seien. Aber auch hier gehen sie zu den neuen Kirchen. Wir sind
dagegen etwas veraltet, muss ich sagen. Einige haben vielleicht auch keine Lust, sich
anzustrengen. Es fehlt uns der Eifer der ersten Gemeinde, das Pfingstfeuer. Das wird
viel gesagt. Und vor allem: Wir müssen uns erneuern. Und wir müssen mit den Priestern
und Bischöfen anfangen. Das ist sehr wichtig, wenn wir eine neue Evangelisierung wollen.
Wenn sie ein gutes Vorbild haben, machen die Leute auch sofort mit.“
Während
Bischof Kyrillos in der Bischofssynode über die Neuevangelisierung berät, geht es
in seinem Land Ägypten jedoch hoch her: Präsident Mursi hatte in der vergangenen Woche
an einem im Fernsehen übertragenen Gebet teilgenommen, bei dem der Prediger Futouh
Abd el-Nabi Mansour Gott um die Vernichtung der Juden und ihrer Unterstützer gebeten
hatte. Die Wellen der Empörung schlagen vor allem in Amerika hoch, aber auch die Demonstrationen
der Gegner Mursis im eigenen Land nehmen zu. Trotz allem sieht Bischof William auch
Lichtstreifen am Horizont. Mursi wolle sich nun mit Vertretern der verschiedenen Religionen
treffen, um sich mit ihnen über die Predigten zu unterhalten.
„Das ist genau
das, was wir wollen, denn die Predigt, die am Freitag oder am Sonntag gehalten wird,
ist sehr wichtig und hat einen großen Einfluss auf die Gläubigen. Unsere Linie ist
natürlich klar, wir sprechen immer über die Liebe und niemals von Hass; wir sprechen
vom Respekt für die anderen und davon, die anderen anzunehmen, wie sie sind. Aber
auf der anderen Seite gibt es aber viele Prediger, die Hass den Juden und auch Christen
gegenüber predigen, und die Leute kommen aufgeheizt aus der Moschee und versuchen,
das zu verwirklichen, was sie gehört haben.“
Die einzige Lösung sei jedenfalls
der Dialog, auch um das politische Überleben des Präsidenten zu sichern. Eine sichtbare
Änderung der Umstände sei dringend nötig, um die Menschen davon zu überzeugen, dass
der auf dem politischen Parkett recht unerfahrene Mursi der Präsident aller Ägypter
sei. Insbesondere der Entwurf für die neue Verfassung und die Zusammensetzung der
Verfassungskommission werden heftig kritisiert:
„Ich habe gestern gelesen,
dass der Präsident schnell reagieren will und diese Kommission auflösen und eine neue
bilden will. Es gibt viel Kritik darüber, dass die Kommission die Verhältnisse in
Ägypten nicht richtig wider spiegele. Nur ein Teil Ägyptens ist vertreten und auch
viele Islamisten sind darin, aber es müsste die gesamte Gesellschaft vertreten sein.
Wir warten ab, was kommt. Die Liberalen schweigen nicht, sie äußern ihre Meinung und
das kann nicht ignoriert werden.“
Auch der Weihbischof von Alexandria,
Youhanna Golta, ist ein Mitglied in der Kommission, deren Arbeit aufgrund der Differenzen
nicht einfach sei. Dennoch, man könne nicht genug betonen, wie wichtig die Präsenz
der Kirche in der Kommission sei:
„Er berichtet uns hin und wieder aus der
Kommission und bestätigt uns wie wichtig die Präsenz der Kirche dort ist. Wir sagen
ihm dann immer, das wissen wir, deshalb haben wir dich für die Kommission vorgeschlagen.
Du kannst die Zivilisation der katholischen Kirche, die Liebe, Offenheit und Versöhnung
sowie den Respekt für den Frieden in die Kommission einbringen. Die Vertreter der
verschiedenen Kirchen arbeiten zusammen, aus der orthodoxen Kirche gibt es zwei, einen
Bischof und einen Jurist, von uns ist einer dabei, sowie von der evangelischen Kirche
der Präsident selbst.“
Die Idee des Papstes, eine Delegation nach Syrien
zu senden, sei in der Synodenaula übrigens mit großer Begeisterung aufgenommen worden.
Vor dem vatikanischen Finanzinstitut IOR habe es eine lange Schlange der Synodalen
gegeben, die dem Aufruf des Synodensekretärs zu Spenden gefolgt seien. Dennoch, ein
Verschieben der Mission scheint auch Bischof Kyrillos unter den gegebenen Umständen
die richtige Entscheidung zu sein.
„Eile bringt nichts, denn man muss den
richtigen Moment finden. Das ist viel besser. um der Mission zum Erfolg zu verhelfen.
Im Vatikan wird immer gut geplant, und es wäre schade, wenn sie das Unternehmen zu
einem Zeitpunkt durchführen würden, an dem sie das lieber nicht tun sollten, so dass
dann alles verpuffen würde.“