Synodenexperte Söding: „Der Glaube muss moderner werden“
Die Bischofssynode
im Vatikan geht in die Schlussphase: die Entwürfe zu den abschließenden Vorschlägen
– Propositiones genannt – und der Schlussbotschaft wurden den Synodalen vorgestellt
und werden nun zunächst in den Kleingruppen und dann im Plenum besprochen. Die Schlussbotschaft
wird direkt veröffentlicht, aus den Propositiones wird der Papst hingegen in den kommenden
Monaten ein postsynodales Schreiben erstellen. Damit soll dann ein Leitfaden und eine
Anleitung für die Neuevangelisierung erstellt sein. Gerade das Thema der Neuevangelisierung
war aber in der Vorbereitungsphase vor allem in den deutschsprachigen Ländern nicht
sehr beliebt. Warum, das habe ich den Bochumer Neutestamentler Thomas Söding gefragt,
einen der Experten, die an der Synode teilnehmen:
„Die Befürchtung war ja,
dass es jetzt eine Durchformatierung der katholischen Kirche gibt, dass alle im Gleichschritt
marschieren. Diese Befürchtung ist sicherlich nicht berechtigt. Allerdings muss ich
auf der anderen Seite auch sagen, dass der Ton etwas auf Betreuung gerichtet ist,
also wir müssen mehr von dem machen, was wir bisher schon gemacht haben. Da denke
ich, dass das nicht reichen wird. Dieser Stilwandel in den Gemeinden – nicht nur in
Westeuropa, nicht nur in Amerika – ist doch sehr stark. Die Freiheit darf man nicht
nur nach außen für den Glauben einfordern, sondern die muss man auch für die Gläubigen
selbst akzeptieren. Nur wenn das wirklich ankommt, dann haben wir eine Chance. Das
Entscheidende ist, wie mit den Ideen, die es auf der Synode gibt, vor Ort umgegangen
wird, und da müssen wir zum Beispiel in Deutschland unsere Hausaufgaben noch machen.“
Der
Glaube muss moderner werden
Es ist ja interessant, dass die Neuevangelisierung
mit einem Eingeständnis beginnt, nämlich mit dem, dass man sagt, dass man so etwas
überhaupt braucht; es könne nicht so weiter gehen wie bisher. Ist das in den Debatten
der Synode deutlich geworden, dass es einen Wandel geben muss?
„Die Probleme
werden vor allem außen wahrgenommen und so, dass die Säkularisierung in die Kirche
hinein schwappt. Was meines Erachtens nach noch viel deutlicher werden muss, ist dass
sich der Stil des Glaubens und der Stil des christlichen Lebens ändern muss. Er muss
moderner werden in dem Sinn, dass die individuellen Biographien, so wie sie sich heute
herausstellen, auch in der Kirche ihren Ort haben müssen. Für mich ist ganz
eindeutig ein Beispiel, wie mit der Bibel umgegangen wird. Wenn ich jetzt sage, dass
die Neuevangelisierung vor allem auf dem Katechismus basiere, dann ist das mehr oder
weniger ein Frage-und-Antwort-Spiel. Wenn ich sage, dass die Bibel dazu gehört, dann
ist die Selbstständigkeit und Freiheit des Lesens mit der Glaubensgeschichte der Bibel
das Entscheidende. Von der Bibel ist wenig zu hören gewesen und das ist sicherlich
zu wenig.“
Also auch von Ihrer Seite eine klare Aussage, dass es so nicht
weiter gehen kann.
„Auf keinen Fall. Man kann von der Synode jetzt nicht
das große Generalrezept für die Zukunft erwarten. Es wird vieles beschrieben, was
es gibt. Das muss man sich klug anschauen. Dann muss man aber entschieden einige Akzente
setzen. Für mich ist in der Tat das Entscheidende, ob es gelingt, dass den Menschen,
die irgendwie mit der Glaubensfrage und der Gottesfrage umhergetrieben sind, zugestanden
wird, dass sie ihre eigene Antwort finden können.“
Die Synode bewegt sich
jetzt auf die Propositiones zu, also auf eine Ordnung, Zusammenfassung und Systematisierung.
Wird das Ihrer Meinung nach eine Zusammenfassung sein oder wird das einen Schritt
weiter gehen?
„Es wird wahrscheinlich erst einmal nur eine Zusammenfassung
von dem sein können, was bisher gesagt worden ist. Und das ist ja auch die Stärke
einer solchen Synode, dass aus sehr verschiedenen Erdteilen sehr vieles Unterschiedliches
zusammen kommen kann. Es kann eigentlich erst einmal nicht anders sein,
dass es zunächst etwas uneinheitlich wird, und das finde ich auch richtig so. Es ist
ganz gut, dass dann mit den Propositiones so eine Synode nicht endet, sondern dass
es dann eine weitere Phase gibt, in der die Integration geschieht und in der der Papst
selbst noch einmal gefragt wird. Da muss erst noch einmal die große Linie hineingebracht
werden. Und diese Linie ist, dass die Glaubenden selbst die Sache zu ihrer eigenen
Geschichte machen.“
Katholische Kirche, nicht deutsche Kirche
Prof.
Söding, sie selber sind Theologe und Neutestamentler, wo liegt die intellektuelle
Herausforderung bei Neuevangelisierung und beim Jahr des Glaubens für Sie?
„Für
mich ist es eine Herausforderung wahrzunehmen, dass die Kirche katholisch ist und
nicht deutsch. Katholisch heißt eben, dass sie sehr vielfältig und in sich widersprüchlich
ist; sie ist spannend und manchmal sicherlich auch ambivalent und anstrengend, aber
im Ganzen muss man verstehen, dass das gelingt, sich in Rom zu einem solchen anspruchsvollen
Thema zu treffen, dass man sich austauscht, dass man im Gespräch bleibt, dass man
zusammen bleiben will. Das ist für mich die entscheidende Herausforderung. Ansonsten
ist das hier ja kein theologisches Fachseminar – und auch die sind ja nicht immer
vergnügungssteuerpflichtig – sondern es ist ein Austausch von Bischöfen, die ihre
pastorale Verantwortung erkennen. Und das muss man meiner Meinung nach auch in Deutschland
bekannter machen.“
Also ist das Ganze eher pastoral als theologisch?
„Neuevangelisierung
ist pastoral. Aber die Pastoral selbst ist ein theologisches Thema. Das war ja auch
eines der Probleme jüngst bei der Rezeption des Zweiten Vatikanischen Konzils, dass
man einen Gegensatz zwischen Pastoral einerseits und theologisch bzw. dogmatisch andererseits
hat aufmachen müssen. Aber das Pastorale heißt ja, dass der Glaube auch tatsächlich
ankommt. Das ist ja der Grund, aus dem überhaupt Theologie getrieben wird. Wenn der
Glaube nicht ankommt, dann kann man große Theorien machen, aber er ist nicht dort,
wo er sein sollte, nämlich in den Herzen der Leute. Deswegen sehe ich da keinen Widerspruch.“