Papst Benedikt setzt
darauf, dass es immer Menschen geben wird, die aufrichtig nach Gott suchen. Das sagte
er in einem Interview mit dem italienischen Fernsehen. Er sehe Hoffnung für Europa
und darüber hinaus, „weil das Verlangen nach Gott zutiefst in die menschliche Seele
eingeschrieben ist und nicht verschwinden kann“.
„Natürlich kann man Gott
für eine Weile vergessen, in den Hintergrund drängen – aber er verschwindet nicht.
Wie der heilige Augustinus es sagte: Wir Menschen sind nun mal unruhig, bis wir Gott
gefunden haben. Und diese Unruhe gibt es auch heute. Meine Hoffnung ist, dass der
Mensch sich immer wieder – auch heute – in Bewegung setzt zu diesem Gott hin.“
Aus
seiner Sicht sei das Evangelium von Jesus Christus „einfach wahr“, so der Papst weiter:
„Und die Wahrheit altert nicht.“ Sie lasse sich zwar beiseiteschieben, aber sie verschwinde
dadurch nicht.
„Die Ideologien haben ein Verfallsdatum. Sie scheinen stark
und unwiderstehlich, aber nach einiger Zeit nutzen sie sich ab, und ihre innere Kraft
erlahmt, weil ihnen eine tiefe Wahrheit fehlt. Das Evangelium hingegen ist wahr und
nutzt sich deswegen nicht ab. In allen Phasen der Geschichte erscheinen neue Dimensionen
von ihm, seine ganze Wahrheit wird sichtbar... Und genau deshalb bin ich davon überzeugt,
dass es auch einen neuen Frühling des Christentums gibt!“
Die „Unruhe“
nach Gott sei heute vor allem bei jungen Leuten spürbar. „Die haben so vieles gesehen,
aber sie nehmen auch die Leere und das Ungenügen in den Angeboten wahr, die die Ideologien
oder der Konsumismus ihnen machen“, so Benedikt XVI.
„Der Mensch ist fürs
Unendliche geschaffen. Alles Endliche ist zu wenig. Und darum sehen wir, dass sich
viele junge Leute auf den Weg machen und die Schönheit des Christentums wiederentdecken
– eines Christentums nicht zu ermäßigten Preisen, sondern in seiner ganzen Radikalität
und Tiefe!“
Ob allerdings Europa zu einem wirklichen Neuaufbruch in der
Lage sein wird, das bezeichnete der Papst als „die große Frage“. Das Interview, das
zu einem vom Vatikan und dem italienischen Fernsehen produzierten Film gehört, wurde
noch vor der Zuerkennung des Friedensnobelpreises an die Europäische Union geführt.
„Es
ist eindeutig, dass Europa auch heute noch in der Welt ein großes Gewicht hat: wirtschaftlich,
kulturell und intellektuell. Dem entspricht eine ebenso große Verantwortung. Aber
Europa muss noch seine volle Identität entdecken, um seiner Verantwortung entsprechend
reden und handeln zu können. Die Probleme sind heute aus meiner Sicht nicht mehr die
nationalen Unterschiede: Die stellen Gott sei dank keinen Grund zur Spaltung mehr
dar... Europas Problem auf der Suche nach seiner Identität besteht aus meiner Sicht
darin, dass es zwei Seelen in seiner Brust hat.“
Die eine dieser zwei Seelen,
so Benedikt XVI., „ist ein abstraktes, ahistorisches Denken, das sich über den Kulturen
wähnt. Eine Vernunft, die zu sich selbst gekommen ist und die sich von allen Traditionen
und kulturellen Werten emanzipieren will.“
„Das erste Straßburger Kruzifix-Urteil
war ein Beispiel für diese abstrakte Vernunft, die sich von allen Traditionen, ja
von der Geschichte selbst, befreien will. Aber so kann man nicht leben. Mehr noch,
die vermeintlich reine Vernunft ist ebenfalls konditioniert: von einer bestimmten
geschichtlichen Situation.“
Die andere Seele in Europas Brust sei die christliche,
führte der Papst weiter aus. Sie sei „offen für alles Vernünftige“, hänge aber weiter
an den „Wurzeln, die dieses Europa geschaffen haben“. Vor allem im ökumenischen Dialog
müsse diese christliche Seele Europas „zu einem gemeinsamen Ausdruck finden“. Nur
wenn auch sie hörbar werde, könne Europa „auch im interkulturellen Dialog der Menschheit
von heute und morgen sein Gewicht in die Waagschale legen“.
„Unser Ziel
ist ein neuer Humanismus. Und für uns entsteht dieser Humanismus aus der großen Idee
vom Menschen, der Bild und Gleichnis Gottes ist.“