2012-10-15 10:15:36

Nigeria: Verbrechen gegen Menschlichkeit dauern an


RealAudioMP3 Möglicherweise beteiligen sich auch Sicherheitskräfte der Regierung an grausamen Gewalttaten gegen die Menschen in Nigeria. Dies geht aus einem am Donnerstag verbreiteten Bericht von ‚Human Rights Watch’ hervor. Demnach beginge nicht nur die militante islamistische Terrorgruppe ‚Boko Haram’ aus dem Norden Nigerias Verbrechen gegen die Menschlichkeit, sondern auch die Regierung selbst schade der unbeteiligten Zivilbevölkerung bei ihren militärischen Einsätzen gegen die Rebellen.

Die Welle der Gewalt, die im Jahr 2009 ihren Anfang nahm, hat geschätzt bisher zwischen 1.400 und 2.800 Menschen in Nigeria das Leben gekostet. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation ‚Human Rights Watch’ ist die Situation aktuell besonders kritisch. Radio Vatikan hat darüber mit dem Afrika-Experten Enrico Casale gesprochen, der als Redakteur bei ‚Popoli’ einem Internetmagazin der Jesuiten, arbeitet. Casale erklärt:

„Das Problem in Nigeria ist, dass der religiöse Fundamentalismus explodiert ist. Das zeigt sich besonders gewaltsam bei der Sekte von Boko Haram. Diese radikale, fundamentalistische und islamistische Bewegung lehnt alles ab, was aus dem Westen kommt – also auch den christlichen Glauben. Diese Situation ist deshalb eine große Gefahr für die Stabilität des Landes. Und Nigeria ist das bevölkerungsreichste Land Afrikas und Hauptexporteur für Erdöl auf dem Kontinent.“

Dass ‚Boko Haram’ alles Westliche ablehnt, zeigt schon der Name der Gruppe, der übersetzt etwa ‚Gegner westlicher Erziehung’ bedeutet. Was nach Ansicht der Islamisten nicht ihrer Auslegung des Koran entspricht, wird gewaltsam bekämpft. Darunter leiden oft auch Christen. Sicherheitskräfte der Regierung sollen allerdings ebenfalls sehr brutal vorgehen:

„Das ist richtig. Die Reaktion der Sicherheitskräfte und der Polizei war sehr hart und hat deshalb auch die Zivilbevölkerung getroffen. Dabei hat die mit dem Ganzen nichts zu tun - weder mit Boko Haram, noch mit den bewaffneten Kräften. Und auch die Boko-Haram-Sekte greift hilflose Menschen an: Besonders Christen, die am Sonntagmorgen in die Kirche gehen.“

Dabei gab es noch Ende August Zeichen der Hoffnung, als die Regierung in Abuja und einige gemäßigte Boko-Haram-Aktivisten inoffizielle Gespräche führten – die nach etwa 14 Tagen jedoch ohne Ergebnis wieder beendet wurden. Die Probleme in Nigeria sind dabei kein Sonderfall:

„Der islamistische Fundamentalismus ist ein Problem, das sich momentan in einigen Sahel-Ländern und im Afrika südlich der Sahara ausbreitet. Denken wir zum Beispiel an Mali, wo sich bei der Tuareg-Revolte, die ursprünglich von Laien ausging, später fundamentalistische Kräfte eingeklinkt haben. Letztlich haben die Fundamentalisten dann die Kontrolle der nördlichen Regionen in diesen Ländern übernommen. Denken wir auch besonders an Somalia, wo Al-Shabaab, die eng mit Al-Qaida verbunden ist, immer noch aktiv ist. Und obwohl die Islamisten einige wichtige Stellungen verloren haben, ist zu befürchten, dass sie sich mittels einer Guerilla-Strategie gegen das Regime stellen. Dann würde am Horn von Afrika noch für lange Zeit gekämpft.“

Es wird auch in Zukunft weiter schwierig sein, die Lage in diesen Gebieten zu stabilisieren, glaubt der Afrika-Experte:

„Vor allem in Mali, das bis vor kurzem noch als eines der stabilsten Länder des ganzen afrikanischen Kontinents galt. Dort fürchtet man jetzt einen Angriff der bewaffneten Kräfte, die von einigen Verbündeten aus West-Afrika unterstützt werden. Aber auch Somalia, das mehr als 20 Jahre Bürgerkrieg hinter sich hat, ist immer noch verwundet durch den Konflikt mit fundamentalistischen islamistischen Kräften.“

Es bleibt deshalb nur zu hoffen, dass es in Nigeria und den anderen betroffenen Ländern doch bald wieder Ansätze zum Dialog gibt.

(standard/pm/rv 15.10.2012 sta)








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