2012-10-12 11:16:45

Robert Spaemann: Jahr des Glaubens und Jahr des Denkens


Nach der Eröffnungsmesse zum Jahr des Glaubens hat Papst Benedikt XVI. am Donnerstag Botschaften an verschiedene Vertreter der Zivilgesellschaft überreicht, und zwar inhaltlich dieselben Botschaften, die bereits Papst Paul VI. beim Abschluss des Zweiten Vatikanischen Konzils übergab. Ein Stellvertreter der Gruppe der Intellektuellen und Wissenschaftler war der deutsche Philosoph und Katholik Robert Spaemann. Er ist mit Benedikt XVI. zudem befreundet. Pater Bernd Hagenkord hat mit ihm gesprochen.

Eines der großen Themen Benedikt XVI. und auch des Theologen Joseph Ratzinger ist die Verbindung von Glaube und Vernunft; ist deswegen das Jahr des Glaubens auch ein Jahr des Denkens?

„Ich glaube ja. Ein Mensch muss letzten Endes mit sich im Einklang sein, und wenn seine Vernunft ihm etwas sagt und sein Glaube sagt ihm das Gegenteil, dann kann er das nicht einfach so stehen lassen. Er kann es auch nicht gewaltsam niederbügeln – entweder den Glauben oder die Vernunft –, sondern er muss versuchen, zu einer Einheit zu finden. Und diese Einheit gibt es von Anfang an. Der Apostel Paulus nennt den Glauben ein ,rationabile obsequium’, einen vernünftigen Gehorsam.
Die Wissenschaftsgläubigkeit der Gegenwart führt eigentümlicherweise dazu, dass der Vernunft nicht mehr getraut wird. Dass heißt, dass es so etwas wie Wahrheit nicht mehr geben soll. Das letzte Wort soll der Relativismus sein und die Vernunft ist eigentlich ohnmächtig, die Wahrheit zu erkennen.
Jetzt sind es die Gläubigen, die paradoxerweise die Fähigkeit der Vernunft verteidigen. Wenn sie heute jemanden finden, der mit Nachdruck die Wahrheitsfähigkeit der Vernunft behauptet, dann können Sie beinahe schon annehmen, dass es ein Katholik ist.“

In der Botschaft, die Papst Paul VI. den Intellektuellen überreichte und die Papst Benedikt XVI. gestern Ihnen noch einmal überreicht hat, heißt es „Habt Vertrauen in den Glauben, den großen Freund der Vernunft.“ Braucht das Denken Gott und den Glauben?

„Ja. Ich glaube ja. Da, wo Gott geleugnet wird, bricht am Ende auch die Vernunft zusammen.“

Eine Abdankung des Denkens.

„Genau, eine Abdankung des Denkens, ein Zusammenbruch des Denkens. Denn entweder ist das Universum und ist der Mensch ein Wesen, hinter dem eine Absicht steht, oder es ist alles ein Zufallsprodukt. Dann ist aber auch unser Denken nur ein Zufallsprodukt und hat mit Wahrheit gar nichts zu tun.“

Das gesamte Interview mit Robert Spaemann hören Sie demnächst in einer unserer Abendsendungen.

(rv 12.10.2012 ord)








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