Somalia: Rebellen verbieten Hilfsorganisation die Arbeit
Anfang dieser Woche
haben Al-Shabaab-Milizen auch der Hilfsorganisation „Islamic Relief“ die Arbeitserlaubnis
entzogen. Sie war eine der wenigen, die in Al-Shabaab kontrollierten Gebieten noch
arbeiten durfte. Über die aktuelle Lage in Somalia haben wir mit Helmut Hess gesprochen,
der lange Zeit Leiter der Afrika-Abteilung von ‚Brot für die Welt’ war. Aktuell arbeitet
er unter anderem mit dem ökumenischen Programm ‚Friedensarbeit am Horn von Afrika’
und der Caritas Deutschland zusammen. Wir haben Hess gefragt, was das Verbot von „Islamic
Relief“ für die Arbeit der Hilfsorganisationen bedeutet:
„Die Ausweisung
von ‚Islamic Relief’ ist eine Katastrophe, weil es keiner Organisation möglich sein
wird, in diesem Gebiet zu arbeiten. Ich habe gestern mit unseren Mitarbeitern in Somalia
gesprochen - sie sagen, dort geht im Moment sicher niemand hin. In dem Gebiet, was
von Al-Shabaab kontrolliert wird, ist im Moment keine Hilfsorganisation tätig – und
das ist auch nicht ratsam. Die Al-Shabaab sind militärisch unterlegen und nutzen jetzt
alle Mittel, um noch Einfluss zu behalten. Nachdem auch die Hilfsorganisation ‚Islamic
Relief’ sich jetzt eindeutig auf die Seite der neuen Regierung gestellt hat, war es
irgendwie logisch, dass sie auch denen die Arbeit untersagen werden.“
Das
Arbeitsverbot für die Hilfsorganisation scheint also eine Antwort auf die neue Regierung
zu sein - und darauf, dass die Al-Shabaab erst vor kurzem auch aus der Stadt Kismayo
im Süden Somalias vertrieben wurde. Trotzdem sind die Milizen nach Ansicht des Somalia-Experten
Hess noch keinesfalls geschlagen. Viel wichtiger als militärische Einsätze findet
er aber den Dialog:
„Ich finde es dringend notwendig, dass der neue Präsident
und auch der neue Premierminister alles tun, um mit dieser Gruppe ins Gespräch zu
kommen. Im Moment gibt es militärische Vorteile, die genutzt werden könnten, um auch
mit moderaten Al-Shabaab-Mitgliedern zu verhandeln. Wenn das nicht gelingt, wird sich
der Konflikt noch über Monate, wenn nicht Jahre hinziehen. Sie können das vergleichen
mit Afghanistan: Es wird dort keine Lösung geben ohne Verhandlungen mit den Taliban.
Genau so wird es auch in Somalia keine Lösung geben ohne mit den Al-Shabaab zu verhandeln.“
Die Unterschiede im Land sind sehr groß – je nachdem, wer dort die Oberhand
hat:
„Es gibt ja im Moment verschiedene Somalias. Es gibt einerseits die
regierungskontrollierten Gebiete. Ich bin auch Vorsitzender einer Organisation, die
im Moment gut arbeiten kann, die ist in Mogadischu. Also ein großer Teil der Bevölkerung
kann versorgt werden, es ist auch möglich, wieder Landwirtschaft zu betreiben. Aber
eben mit der Ausnahme, dass in den von Al-Shabaab kontrollierten Gebieten – und das
sind noch viel mehr, als allgemein angenommen wird – im Moment keine Hilfe möglich
ist.“
Hess geht davon aus, dass von den ländlichen Gebieten in Somalia
doch noch gut die Hälfte in den Händen der islamistischen Milizen ist. Trotzdem glaubt
er, dass der vor einem Monat gewählte Präsident Mohamud und der diese Woche von ihm
ernannte Premierminister, Abdi Farah Shirdon Saaid, großes Potential haben:
„Die
neuen Wahlen, auch die Benennung des Prime-Ministers sind für mich Zeichen der Hoffnung:
dass Korruption zu Ende geht und dass es in Somalia kompetente und wirklich überzeugte
Menschen gibt, die für eine Stabilisierung eintreten. Das würde positiv unterstützt,
wenn sich der Westen aus internen Angelegenheiten raushielte und dieser Regierung
die Unterstützung gibt, die sie meiner Meinung nach auch verdient.“
So
solle sich etwa die amerikanische Außenministerin Hillary Clinton in Zukunft mehr
zurückhalten, meint Hess. Sie hatte dem somalischen Präsidenten Mohamud geraten, prinzipiell
nicht mit Rebellen zu verhandeln.
Die EU will Somalia und Äthiopien derweil
30 Millionen Euro Soforthilfe zur Verfügung stellen. Wie die EU-Kommission am Donnerstag
in Brüssel mitteilte, soll das Geld die Widerstandskraft verletzlicher Bevölkerungsgruppen
gegen zukünftige Katastrophen stärken. Nur so könnten langfristige Lösungen für die
chronischen Probleme am Horn von Afrika wie Dürregefahr und allgemein fragile Lebensgrundlagen
gefunden werden. Im vergangenen Jahr war die Region am Horn von Afrika von der schwersten
Dürrekatastrophe seit 60 Jahren heimgesucht worden; mehr als 13 Millionen Menschen
in Kenia, Äthiopien, Dschibuti und Somalia waren betroffen. (rv/kna/fr 11.10.2012
sta)