Papst eröffnet „Jahr des Glaubens“ - „Pilgerreise durch die Wüsten der Welt“
Mit einer Messe auf
dem Petersplatz hat Papst Benedikt das „Jahr des Glaubens“ eröffnet. Es dauert bis
zum 24. November des nächsten Jahres. Gleichzeitig erinnerte der Papst an den Beginn
des Zweiten Vatikanischen Konzils vor genau fünfzig Jahren. Mehrere hundert Bischöfe
konzelebrierten mit Benedikt – vor allem Väter der derzeitigen Vatikan-Synode zum
Thema Neuevangelisierung. An der Feier nahmen aber auch der anglikanische Primas Rowan
Williams und das Ehrenoberhaupt der orthodoxen Christen teil.
„Herr, ich glaube
– stärke unseren Glauben!“ Zum ersten Mal erklingt auf der „Piazza San Pietro“ die
eigens komponierte, offizielle Hymne des Glaubensjahres. Wie vor einem halben Jahrhundert
bei der Konzilseröffnung gibt es auch an diesem Donnerstag, übrigens bei strahlendem
Sonnenschein, eine Bischofsprozession durch das Bronzetor und über den Platz. Der
Platz ist stärker gefüllt als am vergangenen Sonntag, als Benedikt XVI. Hildegard
von Bingen hier zur Kirchenlehrerin erhob. Unter den Bischöfen sind sogar vierzehn,
die vor fünfzig Jahren schon Konzilsväter waren. Insgesamt leben noch fast siebzig
Väter des Zweiten Vatikanums. Benedikt XVI. war damals beim Konzil ebenfalls mit dabei,
aber als theologischer Berater und noch nicht als Bischof.
Grußwort
von Bartholomaios I.
Vor einem halben Jahrhundert wurde Johannes XXIII.
noch in einem Tragsessel über den Petersplatz getragen; Benedikt hingegen fährt an
diesem Donnerstag im offenen Jeep, wie seine Mitbrüder im Bischofsamt mit Mitra und
grünem Messgewand. Der Bischofsprozession vorangetragen wird ein großes Evangeliar,
ähnlich dem, das beim Konzil verwendet wurde; es wird – auch dieser Akt erinnert ans
Konzil – am Schluss der Messe feierlich inthronisiert, Hinweis auf die zentrale Bedeutung
der Heiligen Schrift für das Leben der Kirche. Und wie es Paul VI. beim Abschluss
des Konzils tat, überreicht Benedikt einigen Vertretern verschiedener Gruppen Konzilsbotschaften.
Auch einige Ausgaben des Weltkatechismus verteilt der Papst: Dieser ist vor genau
zwanzig Jahren unter seiner Federführung entstanden, als er Präfekt der Glaubenskongregation
war. Benedikt hofft, dass er im „Jahr des Glaubens“ innerkirchlich noch bekannter
wird.
„Auf diesem Platz hat eine starke und ausdrucksstarke Feier das Herz
und den Geist der Römischen Katholischen Kirche sichtbar werden lassen“ – das sagt
Patriarch Bartholomaios I. in einem Grußwort. Der Ökumenische Patriarch ist auf Einladung
des Papstes eigens von Istanbul zur Eröffnung des Glaubensjahres nach Rom gekommen.
„In den letzten fünfzig Jahren haben wir liebevoll, aber auch mit Enthusiasmus
an die persönlichen Diskussionen gedacht, die wir mit Bischöfen und Theologenexperten
während unserer Ausbildung als junger Student am Päpstlichen Orientalischen Institut
geführt haben, wie auch an unsere Teilnahme an einigen Besonderen Sitzungen des Konzils.
Wir sind Augenzeugen dafür, wie die Bischöfe mit einem gestärkten Sinn für Kontinuität
die Gültigkeit der Tradition und des Glaubens bekräftigt haben. Es war eine verheißungsvolle
Zeit, reich an Hoffnung - sowohl im Innern wie außerhalb Ihrer Kirche.“
Auch
für die orthodoxen Christen sei das eine „Epoche des Wandels und der Erwartungen gewesen“,
so Patriarch Bartholomaios. Das Zweite Vatikanum habe bei den Orthodoxen die Vorbereitungen
zu einem eigenen Panorthodoxen Konzil in Gang gebracht, zu dem es bislang allerdings
noch nicht gekommen ist. In den letzten fünfzig Jahren hätten die Christen einiges
erreicht: Rückkehr zu den Quellen, Rückbesinnung auf die Kirchenväter, mehr ökumenischer
Dialog.
„Unser Weg ist nicht immer leicht gewesen, und es fehlten nicht
Momente des Leids oder der Herausforderungen. Wir wissen ja, „wie eng das Tor ist
und wie schmal der Weg“ (Mt 7,14). Die grundlegende Theologie und die Hauptthemen
des II. Vatikanischen Konzils - das Geheimnis der Kirche, die Heiligkeit der Liturgie
und die Autorität des Bischofs - sind schwer in der Praxis anzuwenden, und es ist
dafür ein lebenslanges Bemühen der ganzen Kirche notwendig. Daher sollte die Tor offen
bleiben für eine tiefere Annahme und einen größeren pastoralen Einsatz und für ein
immer tieferes Verständnis des II. Vatikanischen Konzils. Wir gehen gemeinsam diesen
Weg weiter.“
Benedikt: „Diese positive Spannung wiederbeleben“
„Das
Jahr des Glaubens, das wir heute eröffnen, ist konsequent mit dem ganzen Weg der Kirche
in den letzten fünfzig Jahren verbunden“: Das sagt Benedikt XVI. in seiner Predigt.
Er erinnert nicht nur an das Konzil, sondern auch das von Papst Paul VI. 1967 durchgeführte
Glaubensjahr und an das Große Jubiläum des Jahres 2000 unter Johannes Paul II.
„Jesus
ist das Zentrum des christlichen Glaubens. Der Christ glaubt an Gott durch Jesus Christus,
der Gottes Angesicht offenbart hat. Jesus Christus ist die Erfüllung der Schrift und
ihr endgültiger Interpret. Er ist nicht nur Objekt des Glaubens, sondern – wie der
Hebräerbrief sagt – „Urheber und Vollender des Glaubens“ (12,2). Das Evangelium sagt
uns, dass Jesus Christus, der vom Vater im Heiligen Geist „gesalbt“ wurde, der wahre
und ewige Träger der Evangelisierung ist.“
Das Zweite Vatikanische Konzil
habe den Glauben „nicht zum Thema eines spezifischen Dokuments machen wollen“, so
der Papst: „Und doch war es ganz und gar durchdrungen von dem Bewusstsein und dem
Wunsch, sich sozusagen neu in das christliche Mysterium zu vertiefen, um es dem Menschen
von heute wieder wirksam vortragen zu können.“
„Während des Konzils herrschte
eine bewegende innere Spannung angesichts der gemeinsamen Aufgabe, die Wahrheit und
die Schönheit des Glaubens im Heute unserer Zeit erstrahlen zu lassen, ohne sie den
Ansprüchen der Gegenwart zu opfern, noch sie an die Vergangenheit gefesselt zu halten:
Im Glauben schwingt die ewige Gegenwart Gottes mit, die über die Zeit hinausreicht
und dennoch von uns nur in unserem unwiederholbaren Heute aufgenommen werden kann.
Darum halte ich es – besonders an einem so bedeutsamen Jahrestag wie diesem – für
das Wichtigste, in der ganzen Kirche jene positive Spannung, jenes tiefe Verlangen,
Christus dem Menschen unserer Zeit erneut zu verkünden, wieder zu beleben.“
„Geist
des Konzils“? Ja – „in den Dokumenten“
Ausgangspunkt dafür seien die
Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils. Er bestehe auf der „Notwendigkeit, sozusagen
zum „Buchstaben“ des Konzils zurückzukehren“, erklärte der Papst. Hier finde man den
vielbeschworenen „Geist des Konzils“, und in ihnen liege „das wahre Erbe des Zweiten
Vatikanums“.
„Die Bezugnahme auf die Dokumente schützt vor den Extremen
anachronistischer Nostalgien einerseits und eines Vorauseilens andererseits und erlaubt,
die Neuheit in der Kontinuität zu erfassen. Was den Gegenstand des Glaubens betrifft,
hat sich das Konzil nichts Neues ausgedacht, noch hat es Altes ersetzen wollen. Es
hat sich vielmehr bemüht, dafür zu sorgen, dass derselbe Glaube im Heute weiter gelebt
werde, dass er in einer sich verändernden Welt weiterhin ein gelebter Glaube sei.
Wir müssen in der Tat dem Heute der Kirche treu sein, nicht dem Gestern oder dem Morgen.
Und dieses Heute finden wir gerade in den Konzilsdokumenten, ...in ihrer Vollständigkeit
und in ihrem Zusammenhang, ohne Abstriche und ohne Hinzufügungen.“
Wenn
die Kirche heute ein neues Jahr des Glaubens und die neue Evangelisierung vorschlage,
„dann nicht, um ein Jubiläum zu ehren, sondern weil es notwendig ist, mehr noch als
vor fünfzig Jahren“, so Benedikt XVI. Schließlich sei in den letzten Jahrzehnten eine
„geistliche Verwüstung vorangeschritten“.
„Was ein Leben, eine Welt ohne
Gott bedeutet, konnte man zur Zeit des Konzils bereits aus einigen tragischen Vorfällen
der Geschichte entnehmen, heute aber sehen wir es leider tagtäglich in unserer Umgebung.
Es ist die Leere, die sich ausgebreitet hat. Doch gerade von der Erfahrung der Wüste
her, von dieser Leere her können wir erneut die Freude entdecken, die im Glauben liegt,
seine lebensnotwendige Bedeutung für uns Menschen. In der Wüste entdeckt man wieder
den Wert dessen, was zum Leben wesentlich ist; so gibt es in der heutigen Welt unzählige,
oft implizit oder negativ ausgedrückte Zeichen des Durstes nach Gott, nach dem letzten
Sinn des Lebens. Und in der Wüste braucht man vor allem glaubende Menschen, die mit
ihrem eigenen Leben den Weg zum Land der Verheißung weisen und so die Hoffnung wach
halten. Der gelebte Glaube öffnet das Herz für die Gnade Gottes, die vom Pessimismus
befreit. Evangelisieren bedeutet heute mehr denn je, ein neues, von Gott verwandeltes
Leben zu bezeugen und so den Weg zu weisen.“
Das Glaubensjahr solle eine
„Pilgerreise durch die Wüsten der heutigen Welt“ sein, „bei der man nur das Wesentliche
mitnimmt: keinen Wanderstab und keine Vorratstasche, kein Brot, kein Geld und kein
zweites Hemd“, so der Papst in Anlehnung an eine Aussendungsrede Jesu an die Apostel.
In diesem Jahr sollten die Katholiken lediglich das Evangelium und den Glauben der
Kirche mit sich führen.