Was sollte die Kirche
für eine Neuevangelisierung vor allem tun? Das fragte das Kölner Domradio den Bochumer
Neutestamentler Thomas Söding, der zum dritten Mal als Experte an einer Bischofssynode
teilnimmt.
„Das Erste ist für mich zunächst mal: Die katholische Kirche
setzt sich mit ihrer eigenen Realität auseinander, und sie muss einfach anerkennen,
dass in den westlichen Ländern – aber nicht nur dort – viele zwar getauft sind, aber
kein inneres Verhältnis zum Glauben haben. Und das ist eine starke Herausforderung,
auf die man reagieren muss! Die Propagierung des Katechismus war eine solche Reaktion,
und das jüngste Ergebnis, dieser ,Youcat‘, also dieser Katechismus für die Jugendlichen,
hat ja auch ordentlich Furore gemacht. So, und jetzt darf das aber nicht singulär
bleiben, sondern es muss in ein ganzes Netzwerk von pastoralen Initiativen eingebaut
werden. Und ich bin sicher, dass die Synode da sehr engagiert sein wird.“
Das
Wiederentdecken des Katechismus ist eines der größten Anliegen von Papst Benedikt.
Er war vor seiner Wahl zum Papst verantwortlich für das Erstellen des „Katechismus
der Katholischen Kirche“ – für ihn eine wichtige Frucht des Zweiten Vatikanischen
Konzils. Söding sieht auch die Synode von Rom auf einer Linie mit dem vor genau fünfzig
Jahren gestarteten Konzil:
„Das Zweite Vatikanische Konzil konnte sich,
so denke ich, noch nicht so richtig vorstellen, in welche Glaubenskrise man in der
Moderne kommen kann. Und deswegen sehe ich diese Weltbischofssynode auch als eine
Fortschreibung des Konzils, als einen Aspekt der Rezeption des Konzils. Für das Zweite
Vatikanische Konzil war die Orientierung am Glauben und die Orientierung am Wort Gottes
ganz wichtig – und wenn man sich jetzt einmal ansieht, welche Themen Papst Benedikt
gesetzt hat – die letzte ordentliche Bischofssynode hatte ja das Thema ,Wort Gottes‘,
und jetzt geht es um neue Formen der Verkündigung – , dann ist für mich ganz klar,
in welche Richtung er möchte, dass sich die katholische Kirche weiterentwickelt.“
Französischer
Erzbischof: „Es geht nicht um neue Strategien“
Neue Strategien erfinden
– das brauchen die Bischöfe gar nicht. Das betont der Erzbischof von Angoulême in
Frankreich, Claude Dagens, im Gespräch mit Radio Vatikan. Es gehe einfach darum, „zunächst
einmal selbst den Glauben an Christus zu leben und ihn in der eigenen Umgebung weiterzusagen“.
„Es stimmt zwar, dass die Lage der Christen in den westlichen Ländern heute
schwierig ist, etwa in Frankreich, wo wir nicht mehr wie in der Vergangenheit eine
christliche Gesellschaft oder einen katholischen Staat haben. Aber wir müssen auch
sehen, dass die Säkularisierung beileibe nicht nur negative Wirkungen hat. Sie zwingt
uns unter anderem dazu, dass wir an die Wurzeln unseres Glaubens zurückgehen, so wie
wir ihn von den Aposteln überliefert bekommen haben – und diese Quelle ist die Begegnung
mit Jesus, der gestorben ist und der wiederauferweckt wurde. Genau hier ist das Herz
der Neuevangelisierung!“
Wenn über die neue Evangelisierung gesprochen
werde, dann habe er oft den Eindruck, es sollte darum gehen, dass die Christen zahlreicher
werden. Aber darum geht es gar nicht, sagt der Erzbischof:
„Auch wenn es
natürlich schön ist, viele zu sein, und auch wenn jeder glücklich wäre über mehr Priester,
mehr Diakone, mehr Ordensleute, mehr echte Gläubige – aber wenn es uns nur darum geht,
dann verfehlen wir das Ziel. Und dieses Ziel heißt, wahre Schüler und wahre Zeugen
Jesu, des Retters, zu sein!“
Der Kirchenmann ist Mitglied der „Académie
française“. Er erzählt, dass er dort wie überhaupt in der französischen Gesellschaft
viele Menschen sieht, die spirituell ernsthaft auf der Suche sind.
„Natürlich
gibt es auch viel Gleichgültigkeit. Aber ich höre doch viele Fragen wie diese: Wer
ist Gott, wer ist Jesus, wie kann man ihn entdecken, wie kann man ihm begegnen? Diese
Fragen kommen angesichts des Lebens oder angesichts des Todes auf, angesichts der
so häufigen Versuchung zum Selbstmord, bei Menschen, die in unsicheren Verhältnissen
leben oder mit Ungerechtigkeit konfrontiert sind.“