Das Zweite Vatikanische Konzil „muss weitergedacht werden“, und die noch schlummernden
Potenziale der vor 50 Jahren abgehaltenen Kirchenversammlung „müssen erkannt und gehoben
werden“: Das betonte der emeritierte Wiener Weihbischof Helmut Krätzl in einem Interview
für die Tageszeitung „Die Presse“ in der Samstag-Ausgabe. Krätzl, der in zwei Wochen
81 wird, war 1958 als Student zum Pontifikatsbeginn Johannes' XXIII. in Rom und konnte
1962 das Konzil als Stenograf mitverfolgen. Ebenso wie in seinem eben erschienen Buch
zum Konzil erinnerte er im „Presse“-Interview an die Rolle von Joseph Ratzinger, dem
heutigen Papst. Er sei von den Studenten „gern gelesen“ worden, weil er sich für fortschrittliche
Theologie interessiert habe und - im Unterschied zu dem schwer lesbaren Karl Rahner
– zugänglich gewesen sei. „Für uns war Ratzinger eine Autorität.“ In den Kommentaren
der damalig Zeit sei nachzulesen, „dass Ratzinger fast euphorisch darüber war, was
das Konzil Neues gebracht hat“. Der Weihbischof beklagte aber, dass es in der Kirche
seit dem Konzil auch Schritte zurück gegeben habe, etwa „in der Frage der verantworteten
Elternschaft“. Er erinnerte an den entsprechenden Konzilstext über die Gewissensverantwortlichkeit
der Eheleute im Blick auf die Zahl der Kinder (Gaudium et Spes 50): „Aus dieser als
Befreiung empfundenen Festlegung wurde die Einengung auf eine Methode der Empfängnisregelung,
die für etliche nicht lebbar ist. In dieser Frage hat sich das Lehramt der Kirche
sehr viel an Vertrauensverlust eingehandelt. Der Kirche wird heute in Fragen der Ehemoral
weitgehend keine Kompetenz mehr zugeschrieben.“