2012-10-06 10:54:55

Wer sind Hildegard von Bingen und Juan de Ávila?


Hildegard von Bingen wurde vermutlich im Jahr 1089 geboren. Sie war das zehnte Kind der Edelfreien Hildebert und Mechthild von Bermersheim und wuchs im heutigen Rheinhessen auf. Im Alter von acht Jahren übergaben die Eltern ihre Tochter zur Erziehung an Jutta von Sponheim (1092-1136) in die Abtei Disibodenberg in der Rheinpfalz. Bei Jutta von Sponheim erhielt Hildegard eine umfassende Ausbildung. Mit 16 Jahren nahm sie den Schleier als Zeichen ihres Gelübdes. Nach dem Tod ihrer Lehrerin übernahm Hildegard die Leitung des Benediktinerklosters. Um 1150 verlegte sie die Gemeinschaft in ein neues Kloster auf dem nahe gelegenen Rupertsberg bei Bingen.

Die Ordensfrau gehörte zur Theologen-Avantgarde ihrer Zeit, sie war Visionärin und Prophetin und bezeichnete sich selbst als „Posaune Gottes“. Kirchenleute und weltliche Herrscher schätzten ihren Rat. Hildegard war stets diplomatisch, nahm aber auch kein Blatt vor den Mund, wenn es um Entwicklungen in der Kirche ging, die sie als Missstände empfand. Zu ihrer Hinterlassenschaft gehören ein umfangreiches visionäres Schrifttum, darunter das Werk „Liber Scivias“ – „Wisse die Wege“, viele Briefe, natur- und heilkundliche Schriften und auch Kompositionen. Obwohl sie schon früh Visionen hatte, begann sie jedoch erst mit über 40 Jahren mit deren Niederschrift. Als eine weitere Gründung von ihr gilt das Kloster Eibingen, das 1814 im Zuge der Säkularisation aufgehoben wurde. Hildegard starb am 17. September 1179, der in der katholischen Kirche auch ihr Festtag ist. Begraben wurde die Ordensfrau in der Pfarrkirche in Rüdesheim-Eibingen.

Während im Volksmund gern esoterische Aspekte von Hildegards Werk betont werden - wie etwa ihre Kräutermedizin -, gilt sie vielen Historikern und Theologen als brilliante Intellektuelle, die weit über ihre Zeit hinausragt. Durchaus modern ist etwa die Verquickung von Glaube und Vernunft in ihrem Gesamtwerk. Benedikt XVI. würdigte explizit den Beitrag der Äbtissin zur Theologie. Ihre Visionen „ähneln denen der Propheten des Alten Testaments“ und seien „reich an theologischen Inhalten“, so der Papst in einer Katechese über Hildegard vom 8. September 2010. Auch habe sie das Wesen und die wahre Bestimmung der Kirche hochgehalten und den Klerus daran erinnert, dass sich „eine wahre Erneuerung der kirchlichen Gemeinschaft (...) durch einen aufrichtigen Geist der Buße und einen tätigen Weg der Umkehr“ vollziehe, und „nicht so sehr durch die Veränderung von Strukturen“.

Papst Benedikt XVI. erhob Hildegard von Bingen im Mai zur Heiligen der Universalkirche. An diesem Sonntag, dem 7. Oktober 2012, ernennt er sie gemeinsam mit Juan von Avila zur Kirchenlehrerin. Die Bezeichnung „Kirchenlehrer“ - doctor ecclesiae - verleiht die katholische Kirche an Heilige, die sich durch Rechtgläubigkeit in der Lehre, Heiligkeit des Lebens oder eine hervorragende wissenschaftliche Leistung auszeichnen. Bisher gab es unter den insgesamt 33 Kirchenlehrern in der Katholischen Kirche nur drei Frauen: die italienische Mystikerin Katharina von Siena (1347-1380), die spanische Karmelitin Teresa von Avila (1515-1582), und die französische Karmelitin Thérèse von Lisieux (1873-1897).


Juan de Ávila, der neben Hildegard von Bingen am Sonntag zum Kirchenlehrer erhoben wird, ist ein in Deutschland fast unbekannter spanischer Heiliger. Historisch gehört der neue Kirchenvater in die Zeit, die man als Frühphase der „Katholischen Reform“ bezeichnet. Philip Neri, Ignatius von Loyola waren seine Zeitgenossen, aus der Generation nach ihm stammen Johannes vom Kreuz und Teresa von Avila. Reform war nötig: Missstände wie nicht residierende Pfarrer und Bischöfe, das Nichteinhalten des Zölibates, das nicht den Regeln entsprechende Leben der Ordensleute, der Handel mit Ablässen und anderes wurde vor allem in Spanien früh angegangen, hier gehört Juan zu einer sich langsam entwickelnde Reformbewegung.

Geboren wurde Johannes 1499 oder 1500 südlich von Madrid in eine wohlhabende Familie, sein Vater war konvertierter Jude. Nach seinen Studien erst in Jura, dann in Theologie wurde er Priester und von seinem Bischof in der Volksmission tätig. Wegen seiner Tätigkeit vor allem im Süden Spaniens trägt er dort den Beinamen „Apostel Andalusiens.“ Er starb 1569 in Montilla, in der Nähe von Cordoba.

Juan war ein unbequemer Denker und Seelsorger. Seine Predigten gegen Missstände in der Kirche brachte ihm 1531 eine Anklage vor der Inquisition ein. Verhaftet wurde er 1531 weil seine Predigten gegen den Reichtum zu viel Aufsehen erregten. Sein Hauptwerk „Filia“ („Höre, Tochter“) – während der Inquisitionshaft verfasst – stand sogar bis 1574, also lange nach seinem Tod, auf dem 1559 eingeführten Index der verbotenen Bücher. Dieses Buch ist ein geistlicher Leitfaden für die Betrachtung der heiligen Schrift und des Lebens Jesu. Es geht Juan um die Reifung des christlichen Lebens durch die Meditation der Schrift.

Er setzte sich in seiner Seelsorge und Predigttätigkeit vor allem für ein reformiertes Priestertum ein. Seine Betonung einer guten Auswahl und langen und intensiven Ausbildung von Priestern wiedersprach der gängigen Praxis, die im Priesterberuf vielfach einen Lehrberuf, keinen Studienberuf sah. Priester müssten darüber hinaus deutlich machen, dass sie die Mittler zwischen Gott und Menschen seien, daraus müsse ein dem entsprechender Lebenswandel folgen, so Juan; Aufgabe, Spiritualität und Moral müssten übereinstimmen. Dazu brauche es Ausbildung.

Neben seinen Schriften blieben deswegen vor allem ein Einsatz auf dem Bildungssektor von bleibendem Erfolg: Er gründete 15 Kollegien, also Schulen und Universitäten, darunter der von Granada. Am Hauptereignis der Reformbewegung jener Jahre, dem Konzil von Trient, konnte er selber aus gesundheitlichen Gründen nicht teilnehmen, befasste sich aber eingehend schriftlich mit den anstehenden Themen. Seine Briekontakte schlossen unter anderem Teresa von Avila, Francisco de Borja und Ignatius von Loyola ein, etwa 250 seiner Briefe sind erhalten.

Persönlich hatte er mit den damals in Spanien dominanten Vorurteilen gegen konvertierte Juden zu kämpfen. Die so genannte „limpieza de sangre“, die Reinheit des Blutes, wurde eine spanische Nationalideologie, gegen die auch die Kirche nicht gefeit war. Viele Phrasen und Vorstellungen des modernen Rassismus lassen sich hier schon in frühen Formen finden. Er selber konnte als Sohn eines „converso“, eines konvertierten Juden, sein Jurastudium deswegen nicht zu Ende führen und auch die Aufnahme in den Jesuitenorden blieb ihm verwehrt.

Papst Leo XIII. sprach Juan 1893 selig, Papst Paul VI. unternahm 1970 die Heiligsprechung. Seit dem 7. Oktober wird er von der katholischen Kirche auch als Kirchenlehrer verehrt.


(rv/diverse 01.10.2012 ord/pr)










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