Hildegard von Bingenwurde vermutlich im Jahr 1089 geboren. Sie war das zehnte
Kind der Edelfreien Hildebert und Mechthild von Bermersheim und wuchs im heutigen
Rheinhessen auf. Im Alter von acht Jahren übergaben die Eltern ihre Tochter zur Erziehung
an Jutta von Sponheim (1092-1136) in die Abtei Disibodenberg in der Rheinpfalz. Bei
Jutta von Sponheim erhielt Hildegard eine umfassende Ausbildung. Mit 16 Jahren nahm
sie den Schleier als Zeichen ihres Gelübdes. Nach dem Tod ihrer Lehrerin übernahm
Hildegard die Leitung des Benediktinerklosters. Um 1150 verlegte sie die Gemeinschaft
in ein neues Kloster auf dem nahe gelegenen Rupertsberg bei Bingen.
Die Ordensfrau
gehörte zur Theologen-Avantgarde ihrer Zeit, sie war Visionärin und Prophetin und
bezeichnete sich selbst als „Posaune Gottes“. Kirchenleute und weltliche Herrscher
schätzten ihren Rat. Hildegard war stets diplomatisch, nahm aber auch kein Blatt vor
den Mund, wenn es um Entwicklungen in der Kirche ging, die sie als Missstände empfand.
Zu ihrer Hinterlassenschaft gehören ein umfangreiches visionäres Schrifttum, darunter
das Werk „Liber Scivias“ – „Wisse die Wege“, viele Briefe, natur- und heilkundliche
Schriften und auch Kompositionen. Obwohl sie schon früh Visionen hatte, begann sie
jedoch erst mit über 40 Jahren mit deren Niederschrift. Als eine weitere Gründung
von ihr gilt das Kloster Eibingen, das 1814 im Zuge der Säkularisation aufgehoben
wurde. Hildegard starb am 17. September 1179, der in der katholischen Kirche auch
ihr Festtag ist. Begraben wurde die Ordensfrau in der Pfarrkirche in Rüdesheim-Eibingen.
Während
im Volksmund gern esoterische Aspekte von Hildegards Werk betont werden - wie etwa
ihre Kräutermedizin -, gilt sie vielen Historikern und Theologen als brilliante Intellektuelle,
die weit über ihre Zeit hinausragt. Durchaus modern ist etwa die Verquickung von Glaube
und Vernunft in ihrem Gesamtwerk. Benedikt XVI. würdigte explizit den Beitrag der
Äbtissin zur Theologie. Ihre Visionen „ähneln denen der Propheten des Alten Testaments“
und seien „reich an theologischen Inhalten“, so der Papst in einer Katechese über
Hildegard vom 8. September 2010. Auch habe sie das Wesen und die wahre Bestimmung
der Kirche hochgehalten und den Klerus daran erinnert, dass sich „eine wahre Erneuerung
der kirchlichen Gemeinschaft (...) durch einen aufrichtigen Geist der Buße und einen
tätigen Weg der Umkehr“ vollziehe, und „nicht so sehr durch die Veränderung von Strukturen“.
Papst Benedikt XVI. erhob Hildegard von Bingen im Mai zur Heiligen der Universalkirche.
An diesem Sonntag, dem 7. Oktober 2012, ernennt er sie gemeinsam mit Juan von Avila
zur Kirchenlehrerin. Die Bezeichnung „Kirchenlehrer“ - doctor ecclesiae - verleiht
die katholische Kirche an Heilige, die sich durch Rechtgläubigkeit in der Lehre, Heiligkeit
des Lebens oder eine hervorragende wissenschaftliche Leistung auszeichnen. Bisher
gab es unter den insgesamt 33 Kirchenlehrern in der Katholischen Kirche nur drei Frauen:
die italienische Mystikerin Katharina von Siena (1347-1380), die spanische Karmelitin
Teresa von Avila (1515-1582), und die französische Karmelitin Thérèse von Lisieux
(1873-1897).
Juan de Ávila, der neben Hildegard von Bingen am Sonntag
zum Kirchenlehrer erhoben wird, ist ein in Deutschland fast unbekannter spanischer
Heiliger. Historisch gehört der neue Kirchenvater in die Zeit, die man als Frühphase
der „Katholischen Reform“ bezeichnet. Philip Neri, Ignatius von Loyola waren seine
Zeitgenossen, aus der Generation nach ihm stammen Johannes vom Kreuz und Teresa von
Avila. Reform war nötig: Missstände wie nicht residierende Pfarrer und Bischöfe, das
Nichteinhalten des Zölibates, das nicht den Regeln entsprechende Leben der Ordensleute,
der Handel mit Ablässen und anderes wurde vor allem in Spanien früh angegangen, hier
gehört Juan zu einer sich langsam entwickelnde Reformbewegung.
Geboren wurde
Johannes 1499 oder 1500 südlich von Madrid in eine wohlhabende Familie, sein Vater
war konvertierter Jude. Nach seinen Studien erst in Jura, dann in Theologie wurde
er Priester und von seinem Bischof in der Volksmission tätig. Wegen seiner Tätigkeit
vor allem im Süden Spaniens trägt er dort den Beinamen „Apostel Andalusiens.“ Er starb
1569 in Montilla, in der Nähe von Cordoba.
Juan war ein unbequemer Denker und
Seelsorger. Seine Predigten gegen Missstände in der Kirche brachte ihm 1531 eine Anklage
vor der Inquisition ein. Verhaftet wurde er 1531 weil seine Predigten gegen den Reichtum
zu viel Aufsehen erregten. Sein Hauptwerk „Filia“ („Höre, Tochter“) – während der
Inquisitionshaft verfasst – stand sogar bis 1574, also lange nach seinem Tod, auf
dem 1559 eingeführten Index der verbotenen Bücher. Dieses Buch ist ein geistlicher
Leitfaden für die Betrachtung der heiligen Schrift und des Lebens Jesu. Es geht Juan
um die Reifung des christlichen Lebens durch die Meditation der Schrift.
Er
setzte sich in seiner Seelsorge und Predigttätigkeit vor allem für ein reformiertes
Priestertum ein. Seine Betonung einer guten Auswahl und langen und intensiven Ausbildung
von Priestern wiedersprach der gängigen Praxis, die im Priesterberuf vielfach einen
Lehrberuf, keinen Studienberuf sah. Priester müssten darüber hinaus deutlich machen,
dass sie die Mittler zwischen Gott und Menschen seien, daraus müsse ein dem entsprechender
Lebenswandel folgen, so Juan; Aufgabe, Spiritualität und Moral müssten übereinstimmen.
Dazu brauche es Ausbildung.
Neben seinen Schriften blieben deswegen vor allem
ein Einsatz auf dem Bildungssektor von bleibendem Erfolg: Er gründete 15 Kollegien,
also Schulen und Universitäten, darunter der von Granada. Am Hauptereignis der Reformbewegung
jener Jahre, dem Konzil von Trient, konnte er selber aus gesundheitlichen Gründen
nicht teilnehmen, befasste sich aber eingehend schriftlich mit den anstehenden Themen.
Seine Briekontakte schlossen unter anderem Teresa von Avila, Francisco de Borja und
Ignatius von Loyola ein, etwa 250 seiner Briefe sind erhalten.
Persönlich hatte
er mit den damals in Spanien dominanten Vorurteilen gegen konvertierte Juden zu kämpfen.
Die so genannte „limpieza de sangre“, die Reinheit des Blutes, wurde eine spanische
Nationalideologie, gegen die auch die Kirche nicht gefeit war. Viele Phrasen und Vorstellungen
des modernen Rassismus lassen sich hier schon in frühen Formen finden. Er selber konnte
als Sohn eines „converso“, eines konvertierten Juden, sein Jurastudium deswegen nicht
zu Ende führen und auch die Aufnahme in den Jesuitenorden blieb ihm verwehrt.
Papst
Leo XIII. sprach Juan 1893 selig, Papst Paul VI. unternahm 1970 die Heiligsprechung.
Seit dem 7. Oktober wird er von der katholischen Kirche auch als Kirchenlehrer verehrt.