Gian Domenico Borasio:
Über das Sterben. Was wir wissen, was wir tun können, wie wir uns darauf einstellen.
Eine Besprechung von Gudrun Sailer.
„Über das Sterben“ hat der Palliativmediziner
Gian Domenico Borasio ein Buch vorgelegt – man muss sagen, einen Bestseller mit neun
Auflagen binnen eines Jahres. Zu recht, denn es handelt sich um einen seltenen Glücksfall
von Sachbuch. So klug, unsentimental, informiert und menschlich hat man selten über
das Sterben gelesen, das unterschiedslos jeden Menschen betrifft und dabei so viel
Angst macht, dass Wegschieben für viele der einzige Weg ist, überhaupt damit umzugehen.
Genau das aber ist kein guter Weg, mit dem Sterben umzugehen, weder mit dem eigenen
noch mit dem seiner Angehörigen, schreibt Borasio.
Zunächst: Nur ein bis zwei
von 100 Menschen brauchen beim Sterben die hochspezialisierte Betreuung auf einer
Palliativstation. Dagegen könnten die allermeisten Sterbevorgänge – bis zu 90 Prozent
– mit Begleitung von geschulten Hausärzten und gegebenenfalls Hospizhelfern problemlos
zu Hause stattfinden. Was Menschen, egal wo sie sterben, am Lebensende wirklich brauchen,
fasst Borasio in vier Punkten zusammen: Kommunikation, medizinische Therapie, psychozosiale
Betreuung und spirituelle Begleitung – und zwar alle vier gleichberechtigt. Ein eigenes
Kapitel widmet der Arzt den häufigsten Problemen am Lebensende und wie man sich davor
schützt: Da gibt es Kommunikationsprobleme, es gibt medizinische Übertherapie - denn
Ärzte sind bis heute nicht dazu ausgebildet, in Ruhe sterben zu lassen; es gibt falsche
Behandlung von Atemnot, die Patienten quälender erleben als auch die stärksten Schmerzen;
und es gibt Sterbende, die keine Hilfe annehmen können. Was ist der Grund dafür? Ängste,
schreibt Borasio, „wie so oft am Lebensende“. Genau diese Ängste versteht es der Palliativmediziner
mit seinem Buch zu nehmen, indem er informiert, aufzeigt, Beispiele aus seiner langjährigen
Erfahrung mit Sterbenden vorstellt und immer wieder darauf besteht, dass Reden am
und über das Ende des Lebens unabdingbar für einen guten Tod ist.
Borasio
schreibt auch über Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung, beleuchtet ethisch außerordentlich
umstrittene Themen wie sämtliche Spielarten der Sterbehilfe und den assistierten Suizid
und legt am Ende sehr persönlich dar, was die Betreuung Sterbender für ihn als Palliativmediziner
ist: ein Geschenk nämlich, durch die Begegnung mit den kleinen und großen Wundern
des Lebens. So ist dieses Buch zuletzt auch eine Hommage an den sterbenden Menschen,
der in seiner letzten Phase oft Dinge begreift, die den meisten heute unbehelligt
Lebenden verschlossen bleiben. Borasios Buch handelt vom Sterben und hilft beim Leben.
Das
Buch ist im C.H.Beck-Verlag erschienen und kostet etwa 18 Euro.