Papst Benedikt
XVI. hat an diesem Donnerstag den italienischen Wallfahrtsort Loreto besucht. Vor
dem Marienheiligtum feierte er am Vormittag mit rund 10.000 Menschen einen Gottesdienst
unter freiem Himmel. Papst Johannes XXIII. hatte in der kleinen Stadt in den italienischen
Marken vor genau 50 Jahren um den Beistand der Gottesmutter für das damals bevorstehende
Zweite Vatikanische Konzil gebetet. Auch Benedikt XVI. blickte in seiner Predigt auf
die kommenden Großereignisse der katholischen Kirche voraus:
„In einem
Abstand von fünfzig Jahren bin nun auch ich, nachdem ich von der göttlichen Vorsehung
berufen wurde, jenem unvergeßlichen Papst auf dem Stuhl Petri nachzufolgen, als Pilger
hierher gekommen, um der Muttergottes zwei wichtige kirchliche Initiativen anzuvertrauen:
das Jahr des Glaubens, das in einer Woche, am 11. Oktober – dem fünfzigsten Jahrestag
der Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils – beginnen wird, und die Ordentliche
Generalversammlung der Bischofssynode, die von mir für den Monat Oktober einberufen
wurde und unter dem Thema „Die Neuevangelisierung für die Weitergabe des christlichen
Glaubens“ steht.“
Die „bescheidene Wohnstätte“ der Heiligen Familie in
Loreto bewahre die Erinnerung an die Menschwerdung Gottes, fuhr der Papst fort, sie
sei „konkretes und greifbares Zeugnis des größten Ereignisses unserer Geschichte“.
Loreto zählt zu den meistbesuchten Pilgerstätten Italiens. Herzstück ist das im Heiligtum
enthaltene „Heilige Haus“ Mariens, in dem diese in Nazareth gewohnt haben soll. Der
Papst ging in seiner Predigt auch auf die aktuelle „Krise“ ein und rief zur Solidarität
auf:
„In der augenblicklichen Krise, die nicht nur die Wirtschaft, sondern
verschiedene Gesellschaftsbereiche betrifft, sagt uns die Inkarnation des Sohnes Gottes,
wie wichtig der Mensch für Gott und Gott für den Menschen ist. Ohne Gott gibt der
Mensch schließlich seinem Egoismus den Vorrang gegenüber der Solidarität und der Liebe,
zieht er das Materielle den Werten vor, das Haben dem Sein.“
Viele Gläubige
waren bereits in den frühen Morgenstunden auf die Piazza geströmt, um noch einen Platz
zu ergattern. Bei strahlendem Sonnenschein hörten sie dem Papst zu. Benedikt XVI.
erinnerte in seiner Predigt weiter an die Freiheit, die durch den wahren Glauben an
Gott möglich werde – nämlich die Freiheit vom menschlichen Egoismus.
„Wenn
wir Maria betrachten, müssen wir uns fragen, ob auch wir offen sein wollen für den
Herrn, ob wir unser Leben darbieten wollen, damit es ihm Wohnstatt sei; oder ob wir
fürchten, die Gegenwart des Herrn könne unsere Freiheit einschränken, und uns einen
Teil unseres Lebens vorbehalten wollen, so daß er uns allein gehören kann. Doch gerade
Gott ist es, der unsere Freiheit befreit, sie aus der Verschlossenheit in sich selbst
herausholt, aus dem Durst nach Macht, nach Besitz, nach Herrschaft, und sie befähigt,
sich der Dimension zu öffnen, die sie im eigentlichen Sinn verwirklicht: der Dimension
der Selbsthingabe, der Liebe, die sich im Dienen und im Miteinander-teilen äußert.“
Gott
wende sich dem Menschen zu, der ihm keinesfalls ein untergeordneter Gesprächspartner
sein solle. Dies werde in der Geschichte der Verkündigung deutlich und rege immer
wieder zu Staunen an, so Benedikt XVI. weiter:
„Gott erbittet das Ja des
Menschen; er hat einen freien Gesprächspartner erschaffen und bittet, daß sein Geschöpf
ihm in voller Freiheit antworte. Um Mensch zu werden, erbittet Gott die freie Zustimmung
Marias. Freilich, das Ja der Jungfrau ist Frucht der göttlichen Gnade. Doch die Gnade
hebt die Freiheit nicht auf, im Gegenteil: sie schafft und unterstützt sie. Der Glaube
entzieht dem Geschöpf Mensch nichts, sondern ermöglicht ihm seine volle und endgültige
Verwirklichung.“
Vor dem Gottesdienst hatte sich der Papst zu einem privaten
Gebet in das Marienheiligtum begeben. Nach einem Mittagessen im Zentrum „Johannes
Paul II.“ im benachbarten Montorso fliegt Benedikt XVI. am Abend im Hubschrauber zurück
nach Rom.
Johannes XXIII. in Loreto Johannes XXIII. war am
4. Oktober 1962, eine Woche vor Beginn des Zweiten vatikanischen Konzils, nach Loreto
gereist, um die Gottesmutter Maria um ihren Beistand für das bevorstehende Großereignis
zu bitten. Es war damals die erste Reise, die ein Papst seit der Einheit Italiens
im Jahr 1861 außerhalb der Region Latium unternahm. Benedikt XVI. besuchte Loreto
als Papst bereits im Jahr 2007 bei einem großen italienischen Jugendtreffen. (rv/kna
04.10.2012 cs/pr)