Der Prozess gegen
den früheren päpstlichen Kammerdiener Paolo Gabriele steht schon kurz vor dem Abschluss.
Am Samstag soll das Urteil verkündet werden, teilten Prozessbeobachter an diesem Mittwoch
mit. Am dritten Prozesstag im Vatikan wurden als letzte Zeugen vier vatikanische Gendarmen
befragt. Thema war die Durchsuchung von Gabrieles Wohnung am 23. Mai. Gabriele wird
beschuldigt, interne Vatikanpapiere kopiert und teilweise an die Presse weitergegeben
zu haben.
„Es war eine ziemlich kurze Sitzung des Gerichts heute früh“,
berichtete Vatikansprecher Federico Lombardi an diesem Mittwoch vor der Presse.
„Die Gendarmen traten auf Antrag der Verteidigung auf. Sie erklärten, dass bei der
Hausdurchsuchung eine große Zahl vertraulicher Unterlagen gefunden wurde. Diese Dokumente
betrafen direkt den Heiligen Vater, Vatikanbehörden, Korrespondenz zwischen Kirchenleuten
und dem Heiligen Vater.“
Insgesamt handelt es sich – nach Zeugenaussagen
– um mehr als 1.000 Kopien (darunter auch von chiffrierten Dokumenten aus dem Staatssekretariat)
und sogar Originale, die Papst und Vatikan betreffen. Das sind weitaus mehr, als in
dem Buch „Sua Santita“ des italienischen Journalisten Gianluigi Nuzzi veröffentlicht
worden waren. Sie stammen auch nicht nur, wie es ursprünglich hieß, aus den letzten
drei Jahren, denn das älteste ist bereits von 2006. Einige der Dokumente trugen offenbar
die eigenhändige Unterschrift des Papstes.
„Nach der Anhörung der vier
Zeugen hat der Gerichtspräsident angekündigt, dass die nächste Sitzung am Samstag
stattfindet, mit den Schlußplädoyers von Anklage und Verteidigung. Das letzte Wort
steht dem Angeklagten zu, falls er etwas zu sagen wünscht. Und dann wird man im Lauf
des Samstag mit einem Urteil rechnen können.“
Gabriele hatte sich am Dienstag
vor dem vatikanischen Gericht für unschuldig erklärt, was die Anklage auf schweren
Diebstahl betrifft. Er fühle sich aber schuldig, das Vertrauen des Papstes missbraucht
zu haben. Die Verkündigung des Urteils bedeutet noch keine Verhängung eines genauen
Strafmasses; das wird erst später bekanntgegeben. Gabriele drohen bis zu vier Jahren
Haft wegen schweren Diebstahls.
„Gabriele wurde nicht misshandelt“
Der
Vatikan weist Anschuldigungen Gabrieles zurück, dass auf diesen kurz nach seiner Verhaftung
Druck ausgeübt worden sei. „Niemand hat ihn je mißhandelt, und er hat sich bei der
Gendarmerie sogar immer für die gute Behandlung bedankt“, erklärte ein Verantwortlicher,
der an diesem Mittwoch als Zeuge gehört wurde. Am Dienstag hatte der Richter eine
Untersuchung der Haftumstände des früheren Kammerdieners angeordnet.
Die frühere
Haushälterin von Joseph Ratzinger, Ingrid Stampa, hat den von der Zeitung „Die Welt“
geäusserten Verdacht über angebliche deutsche Hauptbeteiligte in der „Vatileaks“-Affäre
zurückgewiesen. „Es ist ganz einfach lächerlich. Alles Fantasie. Verleumdungen“, sagte
die Deutsche der Mailänder Tageszeitung „Corriere della Sera“. Auch Gabriele hatte
am Dienstag ausgesagt, dass er sich „in dieser Rekonstruktion“ nicht wiedererkenne.
Über Gabriele sagte Stampa, dass er dem Papst und der Kirche geschadet habe. Sie glaube
jedoch nicht, dass dies seine Absicht gewesen sei. Sie habe seine Familie nach der
Verhaftung Gabrieles besucht, um der Frau und den Kindern zu helfen. Ihr scheine wahrscheinlich,
dass Gabriele alles allein gemacht habe, sagte Stampa auf die Frage nach möglichen
Hintermännern. Als Mann, der gerne Dinge untersuchte, habe er womöglich das Material
gesammelt, um sich eine Meinung über die Situation im Vatikan zu bilden. Stampa arbeitet
im vatikanischen Staatssekretariat.