Theologe Münnich: „Wir fragen die Kinder ja auch nicht“
„Ein Religionskrieg“: So nennt Leo Latasch die Debatte über Beschneidungen in Deutschland.
Er ist das einzige jüdische Mitglied im Nationalen Ethikrat und hat, wie er am Sonntag
sagte, den Eindruck, in Deutschland wolle mal wieder das Christentum den anderen Religionen
zeigen, wo es lang gehe. Dem widerspricht im Kölner Domradio der evangelische Theologe
Ricklef Münnich:
„Er übersieht, dass wir in Deutschland nicht mehr einen
christlichen Staat haben, wir sind in einem säkularen Staat. Und das Christentum steht
an der Seite des Judentums in der Beschneidungsdebatte. Hier gibt es eine Front gegen
die Religionen.“
Ebenfalls ein starker Vorwurf. Münnich verweist auf das
Urteil des Kölner Landgerichts, das Beschneidungen aus religiösen Gründen als „Körperverletzung“
gewertet und damit die Beschneidungsdebatte in Gang gebracht hatte.
„Es
wird häufig übersehen, dass das Kölner Landgericht auch gesagt hat, die Veränderung
des Körpers läuft dem Interesse des Kindes zuwider, später selber über seine Religionszugehörigkeit
entscheiden zu können. Hier sind die Kirchen genauso angegriffen wie das Judentum.
Wir haben die Kindertaufe, bei der wir die Kinder auch nicht fragen! Und Beschneidung
und Taufe verbindet: Beide sind nicht zurücknehmbar, auch die Taufe ist unwiderruflich.
Man kann später aus der Kirche austreten, aber getauft ist getauft.“
Dass
nun ausgerechnet Deutschland diese Beschneidungsdebatte führe, sei ausgesprochen „peinlich,
gerade mit Blick auf die Völker der ganzen Erde“, findet Münnich. Ausgerechnet Deutschland
wolle auf einmal die Beschneidung verbieten?
„Zwischen 1940 und 1945
wurden eine Million Kinder von Deutschen oder unter ihrer Mithilfe ermordet. Und jetzt
dreht man das um und macht die ,Opfer zu Tätern', jetzt werden jüdische und muslimische
Eltern angegriffen, sie würden ihre eigenen Kinder verstümmeln. Damit arbeitet man
sich in Deutschland an der eigenen Vergangenheit ab. Anders kann ich mir das Ausmaß
der Diskussion nicht erklären!“