Frankreich: „Nicht einfach weitermachen wie bisher“
Die Wirtschafts- und
Finanzkrise macht auch Frankreich zu schaffen. Der neue Präsident Francois Hollande
hat noch nicht erklärt, wie genau er das Wachstum wieder ankurbeln will; viele Franzosen
befürchten Schnitte ins soziale Netz, das hat zu einem jähen Absturz der Beliebtheitswerte
Hollandes in den Meinungsumfragen geführt. Der Erzbischof von Rouen, Jean-Charles
Descubes, rät seinen Landsleuten, sich der Krise zu stellen, anstatt sich wegzuducken.
„Wir
laden die Christen und die Franzosen überhaupt dazu ein, einmal scharf darüber nachzudenken,
was getan werden sollte, um menschlich aus dieser Krise wieder herauszukommen. Ich
habe angesichts der Krise das Gefühl, dass die Menschen in Frankreich jetzt den Kopf
einziehen, warten bis sich der Sturm ausgetobt hat – und dann im Prinzip weitermachen
wollen wie früher. Ich glaube aber: Die große Lehre aus dieser Krise sollte gerade
sein, dass man nicht mehr einfach wird weitermachen können wie früher! Jedenfalls,
wenn man wirklich will, dass unsere Wirtschaft wieder primär im Dienst am Menschen
steht.“
Descubes ist im Moment zusammen mit anderen französischen Bischöfen
zum ad-limina-Besuch im Vatikan. Von dort aus appelliert er an die Verantwortung der
Regierenden in Paris, den Kampf gegen die Krise ernstzunehmen. Ohne ein Umdenken werde
es nun mal nicht gehen:
„Eigentlich sind ja alle einverstanden – die Schwierigkeit
besteht darin, konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um den Menschen wieder in den Mittelpunkt
zu stellen. Nur ein Beispiel: Als es vor einer Weile hieß, die Raffinerie „Petroplus“
in der Nähe von Rouen stehe vor dem Aus, da waren alle betroffen. Alle sagten: Das
ist ja wirklich dramatisch. Der Präfekt und die Gewerkschaften verhandelten usw. Nun
weiß ich zwar nicht, ob die Raffinerien eine Zukunft haben – aber was ich weiß, ist
folgendes: Wenn die politischen und wirtschaftlichen Verantwortlichen in Frankreich
zu der Erkenntnis kommen, dass die Raffinerien keine Zukunft mehr haben, dann muss
man sie fragen, welche Maßnahmen sie denn getroffen haben, damit diese Männer und
Frauen in den Raffinerien nicht die Sache ausbaden müssen? Darum geht es: Die Kirche
hat zwar keine politischen oder wirtschaftlichen Lösungen in der Hand, aber sie kann
der Gesellschaft einen Dienst leisten, indem sie sagt, bei all den Entscheidungen,
die ihr trefft, muss der Mensch im Mittelpunkt stehen.“