Der Vorsitzende der
Nigerianischen Bischofskonferenz, Erzbischof Ignatius Kaigama, hat an diesem Donnerstag
in Fulda die Internationale Gemeinschaft dazu aufgerufen, gemeinsam mit den nigerianischen
Autoritäten den ausufernden Terrorismus in seinem Land zu bekämpfen. Der Erzbischof
von Jos war zu Gast bei der Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz, um auf
die Situation der Christen in Nigeria aufmerksam zu machen. Sie sehen sich in letzter
Zeit verstärkt terroristischen Angriffen, die insbesondere durch die Sekte Boko Haram
ausgeübt werden, ausgesetzt. Der Erzbischof zeigte während seines Vortrags Verständnis
dafür, dass verschiedene Gruppierungen in seinem Land auf mangelnde politische Beteiligung
und Ausbeutung in ihrem territorialem Gebiet aufmerksam machen wollten. Die Sekte
Boko Haram, so der Erzbischof, hieve die Konflikte aber auf eine andere, nämlich die
religiöse Ebene. Christen werden als „westlich“ und nicht dem Islam entsprechend gebrandmarkt
und sind somit, der Philosophie der Sekte nach, zu vernichten. Doch:
„Die
Philosophie von Boko Haram widerspricht vollkommen dem, wofür Religion steht. Während
sie die westliche Erziehung als Übel verurteilen und stattdessen den Islam und die
vollständige Einführung der Sharia predigen, gebrauchen sie doch westliche Waffen
und Kommunikationsmittel. Die islamistische Sekte hat Präsident Goodluck Jonathan
dazu aufgefordert, zum Islam überzutreten oder abzudanken, und sie haben wiederholt,
dass die Christen keinen Frieden mehr haben würden, ehe sie nicht zum Islam übertreten.“
Jedoch
auch der Erzbischof scheut sich nicht davor, den Präsidenten direkt auf Missstände
hinzuweisen. Während eines Treffens der Bischöfe im vergangenen Juni hatten sie sich
formal an den Präsidenten gewandt und ihrer Position Ausdruck verliehen, dass Kriminalität
und Terrorismus nicht verhandelbar sein. Außerdem hätten Sie Goodluck Jonathan darauf
aufmerksam gemacht,
„dass den Christen nach wie vor das Recht verweigert
wird, in einigen nördlichen Gebieten des Landes Kirchen zu bauen, christlichen Religionsunterricht
in den Schulen zu erhalten, christliche Programme auf nationalen oder Staatsrundfunksendern
auszustrahlen oder christliche Kapellen in öffentlichen Gebäuden einzurichten, um
den christlichen Mitarbeitern oder Studenten spirituellen Beistand zu geben; dennoch,
den Muslims ist alles das erlaubt.“
Der Erzbischof hat für seine Friedens-
und Dialogbemühungen bereits renommierte Friedenspreise in Empfang nehmen können;
der Amerikanische Kongress hatte sich vor kurzem in einer Sondersitzung mit dem Problem
der Terrorsekte befasst, und in Deutschland hatte Kaigama, neben den Vertretern verschiedener
Hilfswerke, im September auch Bundespräsident Gauck getroffen:
„Wir sind
sehr dankbar für die Unterstützung durch das deutsche Volk, die uns über die Hilfswerke
Misereor, Missio und Kirche in Not zukommt. Die sozialen Dienste wie Wasserversorgung,
ärztliche Basisversorgung, Hilfe für Opfer von Krisen, Landbau und Programme wie Friedenserziehung,
Wahlbeobachtung und gute Regierungsführung, die insbesondere mit der Hilfe durch Misereor
die Kirche dabei unterstützt haben, alle Bürger ohne Ansehen des Stammes oder der
Religion zu erreichen.“
Auch der Besuch einiger Vertreter der Deutschen
Bischofskonferenz in Nigeria unter der Leitung von Erzbischof Robert Zollitsch im
Jahr 2009 sei ein wichtiges Zeichen gewesen, dessen positive Nachwirkungen bis heute
reichten. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz seinerseits würdigte im
Pressegespräch den Einsatz von Erzbischof Kaigama für Frieden und Dialog, benannte
aber auch deutlich die Verantwortung aller in diesem Konflikt:
„Es soll
hier ehrlich benannt werden, dass es bei Ausschreitungen auch christliche Täter gegeben
hat. Manche Spannung hat auch mit dem Fehlverhalten christlicher Gruppen zu tun. Dennoch
muss mit der gleichen Eindeutigkeit festgehalten werden, dass die Mehrzahl der Opfer
Christen und die Mehrzahl der Anschlagsziele christliche Kirchen sind. Zudem gibt
es keine terroristische christliche Gruppe, die mit Boko Haram vergleichbar wäre.
Vor diesem Hintergrund bin ich sehr dankbar, dass die nigerianischen Bischöfe nicht
müde werden, trotz der Gewalt gegen Christen zu Dialog, Besonnenheit und Friedfertigkeit
aufzurufen. Erzbischof Kaigama steht mit seiner ganzen Person für diesen Einsatz zugunsten
des Friedens. Er praktiziert ihn oft auch unter Gefahr für sein eigenes Leben.“
Die
beiden Erzbischöfe Kaigama und Schick waren sich jedenfalls bei ihrer allgemeinen
Einschätzung zur Lage in Nigeria einig: Die aktuelle Situation sei nur vordergründig
ein Konflikt zwischen Christen und Muslimen. Näher betrachtet aber zeige sich „ein
Versagen der staatlichen Stellen und der Regierung, in diesem bevölkerungsreichsten
Land Afrikas für eine rechtsstaatliche Grundordnung und sozialen Frieden zu sorgen“.
Der Terror von Boko Haram, so der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz in seinem
Vortrag, sei auch Ausdruck einer Staatskrise in Nigeria. Der Regierung gelinge es
aufgrund ihrer Schwäche nicht, den vorhandenen Reichtum des Landes – der unter anderem
in einem enormen Rohölvorkommen besteht – gerecht zu verteilen.