Die katholische Kirche
in der Demokratischen Republik Kongo zeigt Solidarität mit den geplagten Menschen
im Osten ihres Landes. Bischöfe reisten in diesen Tagen in die unsichere Region Nord
Kivu, um den Menschen Mut zuzusprechen und auf ihre Lebensumstände aufmerksam zu machen.
Aus Nord-Kivu mussten bereits mehr als 60.000 Menschen vor Kämpfen zwischen Regierungstruppen
und den M23-Rebellen nach Uganda und Ruanda fliehen. „Die Bedingungen, unter denen
die Flüchtlinge in den Camps von Goma leben müssen, sind unmenschlich“, so der Bischof
von Kabinda, Valentin Masengo Kinda, im Radio Vatikan Gespräch. Er leitete die Delegation
der sechs Bischöfe in das Krisengebiet.
„Dieses Treffen mit den Brüdern
aus Kivu war Teil des Projekts der nationalen Bischofskonferenz, um die „Balkanisierung“
des Landes zu verhindern. Wir hatten zweierlei Maßnahmen geplant. Die erste bestand
in einem Marsch durch alle katholischen Gemeinden im Kongo, der am 1. August war.
Wir sind auf die Straße gegangen, um der ganzen Welt zuzurufen, dass wir mit diesem
Zerfall unseres Landes nicht einverstanden sind. Die zweite Maßnahme ist die, dass
wir unsere Brüdern im Nord- und im Südkivu hören lassen, dass wir alle Brüder sind,
und dass wir sie nicht vergessen haben. Es war ein Treffen, das der Solidarität gewidmet
war, und um an ihrem Leiden Anteil zu nehmen. Deshalb sind wir von Kinshasa nach Goma
und Bukavu gereist.“
In Goma haben die Bischöfe sogar einen Plan gemacht,
um in ein Gebiet zu gelangen, das von den Rebellen besetzt ist. Dabei war die Absicht
nicht in erster Linie, die Rebellen selbst zu treffen, sondern die Mitchristen zu
sehen und zu unterstützen. Es sei dann aber doch zu einer Begegnung mit den Rebellen
gekommen, erzählt der Bischof:
„Als erstes sind wir direkt in die große
Kirche von Rutshuru gegangen. Sie war schon voller Menschen. Wir haben die Messe gefeiert
und danach haben wir die Nachricht der Bischöfe an alle Gläubigen verlesen; die Kirche
war wirklich brechend voll! Nach der Messe sind wir eingeladen worden, in einen Gemeindesaal
zu gehen, und dorthin sind dann die Vertreter und Führer der Rebellen gekommen, die
uns begrüßen wollten. Nach der Begrüßung haben sie uns gesagt, dass sie Krieg führen,
weil die Übereinkunft, die sie mit der Regierung getroffen haben, nicht eingehalten
und die Versprechen gebrochen worden seien.“
Die Bedingungen, unter denen
die Bevölkerung leben müsse, seien in der letzten Zeit noch schlimmer geworden, erzählt
der Bischof. Die Vertriebenen hätten zu Beginn gedacht, dass die Situation sich im
Laufe von einer oder zwei Wochen aufgelöst hätte, aber mittlerweile seien es schon
vier Monate:
„Die Menschen werden ungeduldig, sie haben uns auch gefragt,
wann der Krieg denn nun vorbei sei. Ich kann euch nur sagen, dass die Baracken, in
denen sie wohnen, kleiner als ein Kleinwagen sind: und die gesamte Familie muss unter
diesen Umständen leben. Das ist unmenschlich! Wenn man wirklich etwas unternehmen
will, dann muss man auf diejenigen einwirken, die den Krieg wollen, um sich die Reichtümer
des Kongo anzueignen – und das sind sicherlich nicht die Kongolesen! Dieser Krieg
nimmt kein Ende, aber die Kongolesen haben es wirklich nötig, dass der Krieg aufhört.“
Zur menschlichen Not durch Angst, Terror und Verbreitung kommt nun auch
noch eine lebensbedrohliche Seuche hinzu: bereits 46 Menschen sind in Kivu vermutlich
am Ebola-Fieber erkrankt, 19 Personen starben, gab die Weltgesundheitsorganisation
bekannt. Eine Ausbreitung der Seuche könnte fatale Folgen haben, meint der Missionar
Pater Alfonso Ramazani im Interview mit Radio Vatikan:
„Meiner Meinung
nach sind die die staatlichen Strukturen nicht gut genug organisiert, um auf eine
solche Epidemie reagieren zu können. Dass die Menschen wegen der Krankheit sterben,
gibt inzwischen selbst die Regierung zu. Und sie versucht auch, die Leute dazu zu
animieren, Verhaltensweisen zu entwickeln, die die Verbreitung der Epidemie eindämmen
können.“
Die M23-Milizen haben in Kivu derweil eine „Parallel-Regierung“
eingerichtet, sie treiben Steuern ein und terrorisieren die Bevölkerung. Das Flüchtlingswerk
der Vereinten Nationen zeigt sich in einem aktuellen Bericht besorgt über die hohe
Zahl an Verbrechen gegen die Menschenrechte in Nord- und Süd-Kivu. Seit April seien
15.000 Vorfälle registriert worden, darunter Mord, Vergewaltigung und Zwangsrekrutierung,
die wirklichen Zahlen seien vermutlich noch höher, heißt es von Seiten des UNHCR.
Pater Ramazani:
„Die Rebellion der M23 beschränkt sich in dieser Zeit auf
eine relativ enge Zone der Provinz. Was einen möglichen bewaffneten Konflikt betrifft,
gibt es laut glaubwürdiger Quellen eine intensive diplomatische Aktivität rund um
diese x-te Krise, die uns denken und wünschen lässt, dass es nicht neue Zusammenstöße
zwischen den Rebellen und dem nationalen Heer gibt.“
Sowohl Kongos Regierung
als auch die Provinzregierung hatten sich zuletzt Verhandlungen mit der M23-Rebellengruppe
nicht mehr entgegengestellt. Trotz dieser Bemühungen kann nach Ansicht des Geistlichen
„alles passieren“. Ramazani schließt hier einen bewaffneten Konflikt, in den auch
die Nachbarländer verwickelt werden, nicht aus.
„Man weiß, dass die Unterstützung
der Rebellion im Osten des Kongo anhält, wie auch die Verhandlungen darüber von Seiten
ihrer Unterstützer anhalten. Der Präsident des Kongo, Joseph Kabila, hat am vergangenen
30. Juli erklärt, dass es sich um ein offenes Geheimnis handelt, dass ein Nachbarland
des Kongo diese Lage unterstützt. Und zuvor hatten die Nichtregierungsorganisation
Human Rights Watch und die Experten der Vereinten Nationen schon ihren Bericht veröffentlicht,
der erdrückende Beweise vorlegte, dass ein Nachbarland Einfluss auf die Destabilisierung
des Friedens im Osten des Kongos hat.“
Der Missionar bezieht sich hier
auf den Vorwurf der Vereinten Nationen, Führungskräfte aus Ruanda würden die M23 im
Kongo militärisch unterstützen. Die katholische Kirche in der Demokratischen Republik
Kongo versucht unterdessen seit Monaten zusammen mit anderen Religionsvertretern auf
die Gefahr einer „Balkanisierung“ des Ostkongo hinzuweisen. Man habe das Ausland und
die Vereinten Nationen entsprechend sensibilisiert, gibt Pater Ramazani im Interview
mit Radio Vatikan an. Ab diesem Mittwoch findet in der Hauptstadt Kinshasa ein Treffen
der religiösen Führungspersönlichkeiten statt, um ein gemeinsames Vorgehen in dem
Konflikt zu beraten. Es stehen Gespräche mit Autoritäten der Afrikanischen Union und
der EU sowie mit den Botschaftern vor Ort, aber auch mit den kongolesischen Behörden
und verschiedenen NGO´s an. Für ein entschiedenes Eingreifen ist es höchste Zeit:
Wenn die Gewalt und die Misshandlungen von Zivilisten in den östlichen Provinzen des
Kongo weiter ansteigt, wird die Zahl der Binnenvertriebenen in den kommenden Monaten
auf fast 760.000 Menschen anwachsen, schätzt das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen
UNHCR. Seit April dieses Jahres seien etwa 390.000 Menschen im Osten der Demokratischen
Republik Kongo (DRK) zu Vertriebenen im eigenen Land geworden. Die große Unsicherheit
und die Abgeschiedenheit vieler Flüchtlingslager erschwerten zudem die Hilfslieferungen
und Schutzmaßnahmen. Besonders im Osten des Kongo fehle es an allem, so der UNHCR.
(rv/unhcr/who/afp 25.09.2012 pr/cs)