2012-09-25 14:01:31

Kongo: Unmenschliche Bedingungen für Flüchtlinge


RealAudioMP3 Die katholische Kirche in der Demokratischen Republik Kongo zeigt Solidarität mit den geplagten Menschen im Osten ihres Landes. Bischöfe reisten in diesen Tagen in die unsichere Region Nord Kivu, um den Menschen Mut zuzusprechen und auf ihre Lebensumstände aufmerksam zu machen. Aus Nord-Kivu mussten bereits mehr als 60.000 Menschen vor Kämpfen zwischen Regierungstruppen und den M23-Rebellen nach Uganda und Ruanda fliehen. „Die Bedingungen, unter denen die Flüchtlinge in den Camps von Goma leben müssen, sind unmenschlich“, so der Bischof von Kabinda, Valentin Masengo Kinda, im Radio Vatikan Gespräch. Er leitete die Delegation der sechs Bischöfe in das Krisengebiet.

„Dieses Treffen mit den Brüdern aus Kivu war Teil des Projekts der nationalen Bischofskonferenz, um die „Balkanisierung“ des Landes zu verhindern. Wir hatten zweierlei Maßnahmen geplant. Die erste bestand in einem Marsch durch alle katholischen Gemeinden im Kongo, der am 1. August war. Wir sind auf die Straße gegangen, um der ganzen Welt zuzurufen, dass wir mit diesem Zerfall unseres Landes nicht einverstanden sind. Die zweite Maßnahme ist die, dass wir unsere Brüdern im Nord- und im Südkivu hören lassen, dass wir alle Brüder sind, und dass wir sie nicht vergessen haben. Es war ein Treffen, das der Solidarität gewidmet war, und um an ihrem Leiden Anteil zu nehmen. Deshalb sind wir von Kinshasa nach Goma und Bukavu gereist.“

In Goma haben die Bischöfe sogar einen Plan gemacht, um in ein Gebiet zu gelangen, das von den Rebellen besetzt ist. Dabei war die Absicht nicht in erster Linie, die Rebellen selbst zu treffen, sondern die Mitchristen zu sehen und zu unterstützen. Es sei dann aber doch zu einer Begegnung mit den Rebellen gekommen, erzählt der Bischof:

„Als erstes sind wir direkt in die große Kirche von Rutshuru gegangen. Sie war schon voller Menschen. Wir haben die Messe gefeiert und danach haben wir die Nachricht der Bischöfe an alle Gläubigen verlesen; die Kirche war wirklich brechend voll! Nach der Messe sind wir eingeladen worden, in einen Gemeindesaal zu gehen, und dorthin sind dann die Vertreter und Führer der Rebellen gekommen, die uns begrüßen wollten. Nach der Begrüßung haben sie uns gesagt, dass sie Krieg führen, weil die Übereinkunft, die sie mit der Regierung getroffen haben, nicht eingehalten und die Versprechen gebrochen worden seien.“

Die Bedingungen, unter denen die Bevölkerung leben müsse, seien in der letzten Zeit noch schlimmer geworden, erzählt der Bischof. Die Vertriebenen hätten zu Beginn gedacht, dass die Situation sich im Laufe von einer oder zwei Wochen aufgelöst hätte, aber mittlerweile seien es schon vier Monate:

„Die Menschen werden ungeduldig, sie haben uns auch gefragt, wann der Krieg denn nun vorbei sei. Ich kann euch nur sagen, dass die Baracken, in denen sie wohnen, kleiner als ein Kleinwagen sind: und die gesamte Familie muss unter diesen Umständen leben. Das ist unmenschlich! Wenn man wirklich etwas unternehmen will, dann muss man auf diejenigen einwirken, die den Krieg wollen, um sich die Reichtümer des Kongo anzueignen – und das sind sicherlich nicht die Kongolesen! Dieser Krieg nimmt kein Ende, aber die Kongolesen haben es wirklich nötig, dass der Krieg aufhört.“

Zur menschlichen Not durch Angst, Terror und Verbreitung kommt nun auch noch eine lebensbedrohliche Seuche hinzu: bereits 46 Menschen sind in Kivu vermutlich am Ebola-Fieber erkrankt, 19 Personen starben, gab die Weltgesundheitsorganisation bekannt. Eine Ausbreitung der Seuche könnte fatale Folgen haben, meint der Missionar Pater Alfonso Ramazani im Interview mit Radio Vatikan:

„Meiner Meinung nach sind die die staatlichen Strukturen nicht gut genug organisiert, um auf eine solche Epidemie reagieren zu können. Dass die Menschen wegen der Krankheit sterben, gibt inzwischen selbst die Regierung zu. Und sie versucht auch, die Leute dazu zu animieren, Verhaltensweisen zu entwickeln, die die Verbreitung der Epidemie eindämmen können.“

Die M23-Milizen haben in Kivu derweil eine „Parallel-Regierung“ eingerichtet, sie treiben Steuern ein und terrorisieren die Bevölkerung. Das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen zeigt sich in einem aktuellen Bericht besorgt über die hohe Zahl an Verbrechen gegen die Menschenrechte in Nord- und Süd-Kivu. Seit April seien 15.000 Vorfälle registriert worden, darunter Mord, Vergewaltigung und Zwangsrekrutierung, die wirklichen Zahlen seien vermutlich noch höher, heißt es von Seiten des UNHCR. Pater Ramazani:

„Die Rebellion der M23 beschränkt sich in dieser Zeit auf eine relativ enge Zone der Provinz. Was einen möglichen bewaffneten Konflikt betrifft, gibt es laut glaubwürdiger Quellen eine intensive diplomatische Aktivität rund um diese x-te Krise, die uns denken und wünschen lässt, dass es nicht neue Zusammenstöße zwischen den Rebellen und dem nationalen Heer gibt.“

Sowohl Kongos Regierung als auch die Provinzregierung hatten sich zuletzt Verhandlungen mit der M23-Rebellengruppe nicht mehr entgegengestellt. Trotz dieser Bemühungen kann nach Ansicht des Geistlichen „alles passieren“. Ramazani schließt hier einen bewaffneten Konflikt, in den auch die Nachbarländer verwickelt werden, nicht aus.

„Man weiß, dass die Unterstützung der Rebellion im Osten des Kongo anhält, wie auch die Verhandlungen darüber von Seiten ihrer Unterstützer anhalten. Der Präsident des Kongo, Joseph Kabila, hat am vergangenen 30. Juli erklärt, dass es sich um ein offenes Geheimnis handelt, dass ein Nachbarland des Kongo diese Lage unterstützt. Und zuvor hatten die Nichtregierungsorganisation Human Rights Watch und die Experten der Vereinten Nationen schon ihren Bericht veröffentlicht, der erdrückende Beweise vorlegte, dass ein Nachbarland Einfluss auf die Destabilisierung des Friedens im Osten des Kongos hat.“

Der Missionar bezieht sich hier auf den Vorwurf der Vereinten Nationen, Führungskräfte aus Ruanda würden die M23 im Kongo militärisch unterstützen. Die katholische Kirche in der Demokratischen Republik Kongo versucht unterdessen seit Monaten zusammen mit anderen Religionsvertretern auf die Gefahr einer „Balkanisierung“ des Ostkongo hinzuweisen. Man habe das Ausland und die Vereinten Nationen entsprechend sensibilisiert, gibt Pater Ramazani im Interview mit Radio Vatikan an. Ab diesem Mittwoch findet in der Hauptstadt Kinshasa ein Treffen der religiösen Führungspersönlichkeiten statt, um ein gemeinsames Vorgehen in dem Konflikt zu beraten. Es stehen Gespräche mit Autoritäten der Afrikanischen Union und der EU sowie mit den Botschaftern vor Ort, aber auch mit den kongolesischen Behörden und verschiedenen NGO´s an. Für ein entschiedenes Eingreifen ist es höchste Zeit: Wenn die Gewalt und die Misshandlungen von Zivilisten in den östlichen Provinzen des Kongo weiter ansteigt, wird die Zahl der Binnenvertriebenen in den kommenden Monaten auf fast 760.000 Menschen anwachsen, schätzt das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen UNHCR. Seit April dieses Jahres seien etwa 390.000 Menschen im Osten der Demokratischen Republik Kongo (DRK) zu Vertriebenen im eigenen Land geworden. Die große Unsicherheit und die Abgeschiedenheit vieler Flüchtlingslager erschwerten zudem die Hilfslieferungen und Schutzmaßnahmen. Besonders im Osten des Kongo fehle es an allem, so der UNHCR.
(rv/unhcr/who/afp 25.09.2012 pr/cs)








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