Die Erzdiözese Wien steht vor einer grundlegenden und umfassenden strukturellen und
pastoralen Reform. Wie Kardinal Christoph Schönborn am Mittwochabend mitteilte, sollen
in den kommenden zehn Jahren anstelle der bisherigen 660 Pfarren weniger, aber größere
Pfarren treten, die aus einzelnen Filialgemeinden bestehen. Damit soll die Kirche
ihren seelsorglichen Aufgaben wieder besser nachkommen können und ihrem missionarischen
Auftrag besser gerecht werden, erklärte Schönborn. Priester und Laien werden gemeinsam
Leitungsaufgaben wahrnehmen.
„Natürlich wird jede Pfarre von einem Pfarrer
geleitet werden. Aber Leitung ist im christlichen Sinn etwas Gemeinsames. Unter Letztverantwortung
eines Pfarrers soll die Leitung gemeinsam wahrgenommen werden von Priestern und Laien
und soll Leitung in den vielen, wir nennen es vorläufig „Filialgemeinden“, von ehrenamtlichen
Laienteams wahrgenommen werden.“
Eine Pfarre solle so groß sein, dass
in ihr „drei bis fünf Priester aktiv ihren Dienst versehen". Die ehrenamtlichen Laienteams
sollen wiederum von hauptamtlichen Mitarbeitern der Pfarre unterstützt werden. Zu
diesen gehören Priester, Diakone, Pastoralassistenten oder auch Verwaltungspersonal.
„Die Grundüberzeugung, von der wir ausgehen, ist die vom II. Vatikanum
so stark betonte Gemeinsamkeit aller Getauften. Alle Getauften, alle Gefirmten sind
ermächtigt, Zeugen und Zeuginnen Jesu Christi zu sein. Sie alle gemeinsam sind die
Träger der Sendung der Kirche.“
Wie Kardinal Schönborn ausführte, handelt
es sich um den „wahrscheinlich größten strukturellen Umbau in der Erzdiözese Wien
seit Kaiser Joseph II, also seit 200 Jahren.“ Er sei sich bewusst, so der Kardinal,
dass mit dieser Reform ein weitreichender Perspektivenwandel einhergehe: „Wir müssen
uns lösen von dem hergebrachten Bild, dass Kirche nur dort ist, wo ein Priester ist."
Die Gemeinden selbst sollen mit der Reform freilich nicht abgeschafft werden,
im Gegenteil: „In den neuen Pfarren sollen sich mehr und lebendigere Gemeinden entfalten
können“, eklärte der Wiener Erzbischof. Die Kirche solle damit auch wieder missionarischer
werden und den Menschen an ihren jeweiligen Lebensorten nahe sein, "in der überschaubaren
Gemeinde vor Ort ebenso wie im flexibel genutzten größeren Raum".
Wie der
Wiener Erzbischof sagte, sollen möglichst viele Menschen am Sonntag den Pfarrgottesdienst
besuchen, es werde aber auch möglich sein, dass sich in Filialgemeinden "Gebetsgemeinschaften
um das Wort Gottes versammeln".
Die Reform soll zügig umgesetzt werden. In
zehn Jahren sollten mindestens 80 Prozent der neuen Pfarren gebildet sein, so Schönborn.
Bereits bestehende oder angedachte Pfarrverbände und Seelsorgeräume stellten in diesem
Prozess einen möglichen Übergang zu neuen Pfarren dar, seien aber keine Dauereinrichtung.
Allerdings räumte der Wiener Erzbischof auch ein, dass man mit dem Reformprozess noch
am Anfang stehe und noch viele Fragen offen seien. Der aktuellen Entscheidung ging
ein langer Diskussionsprozess in der Erzdiözese Wien mit drei Diözesanversammlungen
und Beratungen in verschiedenen Gremien voraus.