2012-09-19 12:32:34

Frankreich: Streit um Äußerungen von Kardinal Barbarin


RealAudioMP3 Der Erzbischof von Lyon hat mit Äußerungen zu einem Gesetzesprojekt von Präsident Francois Hollande eine Debatte in Frankreich ausgelöst. In einem Radiointerview hatte Kardinal Philippe Barbarin am Wochenende gesagt, die Legalisierung einer Ehe zwischen zwei Partnern desselben Geschlechts würde einen „Bruch in der Gesellschaft“ bedeuten.

„Wenn man so etwas erlaubt, dann hat das eine Reihe von Folgen, die man kaum aufzählen kann“, so der Kardinal wörtlich: „Die werden dann zum Beispiel Paare zu dritt oder zu viert erlauben wollen. Und dann fällt vielleicht eines Tages das Inzest-Verbot.“ Deutliche Worte, die kurz nach einem Treffen des Kardinals mit dem neuen Innenminister Manuel Valls fielen. Noch nie seit Amtsantritt der neuen sozialistischen Regierung hat sich in Frankreich ein Kirchenführer so offen gegen ein Projekt von Präsident Hollande in Stellung gebracht.

Die Reaktion in sozialen Netzwerken und Zeitungen: eine heftige Diskussion. Viele werfen dem Kardinal von Lyon Homophobie vor. „Das ist ausgesprochen schockierend“, sagte der Pariser Bürgermeister Bertrand Delanoé, ein Sozialist und erklärter Homosexueller. „Es wundert mich, dass Barbarin so etwas sagt, denn ich habe ihn immer für einen weisen Menschen gehalten. Ich weiß nicht, was ihn da geritten hat; was er gesagt hat, ist wirklich häßlich.“ Er sei gern dazu bereit, im Pariser Rathaus an der Seine Partner desselben Geschlechts offiziell miteinander zu verheiraten.

„Ich verstehe nicht, warum es der Kirche schaden sollte, wenn jemand darauf hinweist: Eine Öffnung der Ehe für alle möglichen Partner könnte auch z.B. die Einführung der Polygamie bedeuten.“ Das meint der Pariser Kardinal André Vingt-Trois, Vorsitzender der Französischen Bischofskonferenz. „Das ist doch eine vernünftige Erklärung.“ Kardinal Barbarin selbst wies in einem Statement darauf hin, er habe durchaus Respekt vor Homosexuellen, und das Wort „Polygamie“, das ihm jetzt alle vorhielten, sei doch wörtlich in dem Interview gar nicht gefallen. Einer von wenigen, die Barbarin beispringen, ist Joël Mergui vom Zentralrat der Juden in Frankreich: Auch das Judentum sei gegen eine gleichgeschlechtliche Ehe, und er frage sich auch, „in welche Richtung eine Gesellschaft geht, in der das traditionelle Familienbild verändert wird“.

„Ich schlage eine Debatte in der ganzen Gesellschaft vor, wie vor zwei Jahren zum Thema Bioethik“, sagte der Kardinal von Lyon jetzt in einem Fernsehgespräch. „Die Themen liegen ähnlich, wie bei der Bioethik ist auch in Sachen Familie und Ehe jeder in irgendeiner Form betroffen. Allerdings ist das das erste Mal, dass die Dinge sich in einer großen Demokratie des Westens in so eine Richtung bewegen.“ Ob er ein Referendum über gleichgeschlechtliche Ehen fordert, so wie das am Samstag der Bischof von Fréjus-Toulon, Dominique Rey, tat? „Es gibt viele, die sich ein Referendum wünschen“, antwortet der Kardinal, „und der Präsident hat ja selbst das Abhalten von Volksabstimmungen angekündigt. Das ist eine politische Wahl, meine Rolle ist das nicht – aber wenn Christen sich jetzt für ein Referendum einsetzen, dann finde ich das eine gute Aktion!“

Innenminister Valls erklärt, die Regierung halte an ihrem Gesetzesvorhaben fest, Präsident Hollande habe in dieser Sache „sein Wort gegeben“. Frauenministerin Najat Vallaud-Belkacem, die aus Lyon kommt, nannte die Berichterstattung über Barbarin „zu einem großen Teil verzerrt“. Doch eine „Öffnung der Ehe heute“ sei „eine Frage der rechtlichen Gleichheit“, dahinter stecke keineswegs „der Wille, die Familie zu zerstören“.

(rcf/le monde/la croix 19.09.2012 sk)







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