D: „Islam muss sich von Fundamentalismus lossagen“
Angesichts der gewalttätigen Proteste in der islamischen Welt hat der Vorsitzende
der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, eine klare Distanzierung
der Muslime gefordert. „Der Islam muss sich von jeder Form des Fundamentalismus lossagen.
Töten im Namen Gottes ist eine Sünde gegen Gott“, sagte der Konferenzvorsitzende und
Freiburger Erzbischof der Zeitung „Bild“. Gott habe „Frieden gestiftet und nicht die
Gewalt gewollt”. Zollitsch distanzierte sich zugleich von dem antiislamischen Video
„Die Unschuld der Muslime“, das die weltweiten Proteste ausgelöst hatte. Zur Meinungsfreiheit
gehöre, die Freiheit des anderen einschließlich seines religiösen Bekenntnisses zu
respektieren, so der Erzbischof. „Zu häufig - auch bei uns in Deutschland - wird die
Schmerzgrenze überschritten.“
Für Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU)
kann sich das Verächtlichmachen religiöser Symbole nicht auf Meinungsfreiheit berufen.
“Meinungsfreiheit ist in einer Demokratie ein hohes Gut. Auch unter ihrem Schutz sollten
Religionen und religiöse Symbole nicht verächtlich gemacht werden“, sagte Kauder.
„Religion ist für viele Menschen Fundament ihres Lebens. Die gewalttätigen Reaktionen
von fanatischen Muslimen verurteile ich auf das Schärfste“, so der Unionspolitiker.
CDU-Parteichefin Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich dafür ausgesprochen, eine
öffentliche Vorführung des Films „Die Unschuld der Muslime“ nicht zu erlauben. Die
Grünen sehen das anders.
„Wenn wir die Beleidigungen des Islams nur deshalb
beklagen, weil sie zu Tötungen und Unruhen führen, dann zeigen wir damit, dass uns
der Respekt vor Religion nicht wirklich interessiert, sondern nur der Schutz unserer
praktischen Interessen.“ Das sagte der italienische Kardinal Camillo Ruini in einem
Radiointerview. Der frühere Vorsitzende der Italienischen Bischofskonferenz erklärte
weiter: „Die Ereignisse dieser Tage sollten uns nicht nur dem Islam gegenüber sensibler
machen, sondern allen Religionen gegenüber.“
Nach Meinung des Rektors des
katholischen Österreichischen Hospizes Jerusalem, Markus Bugnyar, macht es sich der
Westen in der Causa Mohammed-Video „zu einfach“, wenn er in den Demonstranten der
muslimischen Welt nichts anderes sieht als eine „gewaltbereite Masse“. Bugnyar äußerte
sich in einem Statement für „Kathpress“. Dabei stellt er einen Bezug zwischen dem
Schmäh-Video „Unschuld der Muslime“ und Ulrich Seidls umstrittenem Film „Paradies:
Glaube“ her. Es sei „ein immer noch kolonialistisch angehauchter Vorwurf an die muslimische
Welt, noch nicht aufgeklärt genug zu sein“, wenn dort das Mohammed-Schmähvideo nicht
als Äußerung von Meinungsfreiheit verstanden werde. Der Westen sehe das dann so, dass
dieses Recht „offenkundig noch nicht in allen Teilen der Welt gleichermaßen geteilt“
werde, „so als ob unsere westliche Konzeption von Recht und Unrecht, über Werte und
deren Verteidigung, das über kurz oder lang zu erreichende Maß aller Dinge wäre, hinter
dem die islamische Welt zurückbliebe“, so Bugnyar. Die „wechselseitige Unfähigkeit,
seine eigene über Generationen geformte Identität einfach abzustreifen und den Anderen
zu seinem vollen Recht kommen zu lassen“, sei das Grundübel, dessentwegen die Begegnung
der Kulturen und Religionen nicht gelingen wolle, so der Theologe und Hospizrektor.
Er weist darauf hin, dass in der muslimischen Welt auch Empörung über Filme, die das
Christentum karikieren, vernommen werden könne.
Als konkreten Fall nennt er
Ulrich Seidls jüngst in Venedig prämierten Film „Paradies: Glaube“. Wörtlich heißt
es in Bugnyars Statement dazu: „Dieser Tage hat mich ein muslimischer Freund auf den
Film 'Paradies: Glaube' angesprochen. Es ist ihm unverständlich, wie wir derlei als
'gekonnte Ironie' und 'subtile Provokation' sehen können, nicht aber als das, was
es ist: Beleidigung Gottes. Ist es wirklich ein Fortschritt zum Wohle des Humanum,
wenn unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit die innersten, heiligsten Werte und
Charaktere von Gläubigen in den Dreck gezogen werden? Wenn der Provokateur sich selbst
alle Freiheiten zugesteht und seinem Gegenüber grenzenlose Toleranz abverlangt, er
ihn in Wahrheit also zweimal entmündigen möchte?“ Nichts, zitierte Bugnyar Dostojewski,
sei eben „einfacher als den Bösewicht zu verurteilen, und nichts ist schwerer, als
ihn zu verstehen“.