Pfarrer in Beirut: „Menschen hoffen schon ein wenig auf Patentrezepte“
„Nach welchem Kriterium
wird eigentlich ein Papst ausgewählt, geht das nach der Nationalität?“ Das fragt ein
(muslimischer) Wachmann vor der Amir-Moschee von Beirut den deutschen Journalisten.
Außer Benedikt XVI. gibt es in Beirut noch einen anderen religiösen Führer, der Deutscher
ist und der hier auch das ganze Jahr über wohnt, im Unterschied zum Papst: Es ist
Pfarrer Jonas Weiß-Lange von der Evangelischen Gemeinde zu Beirut. Er sagt über die
Mentalität der Menschen in Beirut:
„Hier gibt es laut Verfassung achtzehn
anerkannte Religionsgemeinschaften, und alles entscheidet die jeweilige Religionsgemeinschaft!
Um nur ein Beispiel zu nennen: Es gibt kein säkulares Standesrecht, und alles, was
mit Heirat, Erben oder gegebenenfalls auch mit Streit in der Familie zu tun hat, entscheidet
der jeweilige Pfarrer, Priester, Scheich usw. Für eine Gesellschaft, die so stark
religiös und in diesen Bindungen lebt, ist es natürlich etwas ganz Besonderes, wenn
ein weltbekannter religiöser Führer kommt; da verspricht man sich – wie man sich das
auch von den eigenen religiösen Führern erwartet -, dass Probleme gelöst werden!“
Und
das heißt: Viele Menschen erwarten sich vom Papst nicht nur interessante Reden und
Durchhalteappelle, sondern instinktiv konkrete Hilfe: einen sicheren Arbeitsplatz,
eine billige Wohnung…
„Das ist eine Sehnsucht, würde ich sagen , die von
ganz tief innen kommt. Bei den Älteren ist es die Erfahrung des Bürgerkriegs vor etwa
zwanzig Jahren, und bei den Jüngeren ist es die Erfahrung, dass alles immer irgendwie
prekär ist. Dieses Gefühl hat sich in den letzten Monaten noch verstärkt durch das,
was abgekürzt Arabischer Frühling genannt wird, beziehungsweise durch das, was im
Nachbarland (Syrien) geschieht – dieses Gefühl, dass man nicht genau weiß, was passieren
wird. Und daraus kommt die Sehnsucht, dass jemand (und auch noch jemand von außen)
als Autorität im religiösen Sinne sagen kann: Leute, macht`s jetzt mal so, und dann
werdet ihr Erfolg haben, dann wird das Leben einfacher werden und nicht mehr so wackelig,
wie ihr es jeden Tag erlebt. Ich glaube, das ist die Sehnsucht von ganz, ganz vielen
Menschen hier.“