Einschätzung unseres Korrespondenten: Libanesen freuen sich über gute Nachrichten
aus ihrem Land
Unser Korrespondent
Stefan Kempis hat für uns den zweiten Besuchstag des Papstes im Libanon verfolgt.
Frage an ihn: Wie ist`s gelaufen?
„Man kann sagen, dass die Reise bisher
auf einem sehr guten Gleis ist. Die Libanesen, mit denen ich spreche, sind beeindruckt
davon, dass zum ersten Mal bei einem solchen gesellschaftlichen Großereignis nicht
die Fahnen und Abzeichen aller möglichen Gruppen und Parteien geschwenkt werden, sondern
dass die libanesische Fahne dominiert – für viele eine eindringliche Erfahrung. Auf
den Papst haben sich Vertreter aller Gruppen ehrlich gefreut, weil die Libanesen sich
endlich einmal gute Nachrichten aus ihrem eigenen Land wünschen, und jetzt haben sie
am Fernsehen einen überraschend müden, unsicher gehenden Benedikt XVI. gesehen. Das
beeindruckt viele: dass der Papst trotz seiner Schwäche, trotz der Strapazen und auch
der Gefahr, gekommen ist, dass er ein freundlicher alter Mann ist und so gar nicht
auftrumpft. Allerdings haben – und das gilt auch für die Christen – sehr viel weniger
Menschen versucht, den Papst live zu sehen, als bei der Visite Johannes Pauls II.
vor 15 Jahren.“
Liegt das an den Sicherheitsvorkehrungen?
„Ja,
das auch – aber nicht nur. Viele Leute, mit denen ich spreche, sind etwas verstört
durch die Bilder vom brennenden US-Schnellrestaurant in Tripoli; man hat diese Bilder
im Fernsehen immer abwechselnd zur Einfahrt des Papstes in Beirut gesehen. Und jetzt
haben doch viele die Sorge, dass es zu Zusammenstößen oder Ärger zwischen jungen Christen
und Muslimen kommen könnte, das ist, wie man mir sagt, hier im Libanon nämlich bei
solchen Großereignissen eigentlich an der Tagesordnung. Viele Christen, die Tickets
für die Messe des Papstes am Sonntag haben, sind sich noch gar nicht sicher, ob sie
wirklich hingehen sollen, sie sagen: Warten wir erst mal ab, wie das Treffen des Papstes
mit Jugendlichen in Bkerke am Samstagabend so läuft, und wenn da alles glattgeht,
dann trauen wir uns vielleicht am Sonntag zur Papstmesse an der „Waterfront“.“
Warum
ist das so mutig, zur Papstmesse zu gehen?
„Weil sie im muslimischen Teil
Beiruts stattfindet – in dem Teil der Innenstadt, wo so gut wie keine Christen leben.
Diese grüne Grenze aus den Zeiten des libanesischen Bürgerkriegs gibt es in den Köpfen
auch heute immer noch. Man sieht daran, dass sich so alte Ängste nicht so schnell
in Luft auflösen. Trotzdem sagen aber viele: Das war ja ein unglaublich schönes und
beeindruckendes Bild, so viele Politiker und Vertreter verschiedenster Religionen
einträchtig im Präsidentenpalast um den Papst versammelt zu sehen, das gab es noch
nie, auf keinem Empfang beim Staatsoberhaupt. Solche Bilder rühren die Menschen hier
im Libanon an – weil sie`s eben im Alltag meistens weniger einträchtig erleben. Übrigens:
Auch beim Jugendtreffen mit dem Papst in Bkerke, das in diesem Moment, wo unser Gespräch
hier aufgezeichnet wird, stattfindet, sieht man auch viele junge Muslime – die haben
sich also auch, umgekehrt, in den christlichen Teil getraut.“
Die Muslime
haben dem Papst ja überhaupt einen sehr guten Empfang bereitet…
„Ja, und
das zeitgleich zu den Bildern von den islamischen Unruhen in Tripolis! Das sind wirklich
Zeichen der Hoffnung. Es gab nicht nur ein sehr herzliches Treffen Benedikts mit Moslemvertretern
im Präsidentenpalast am Samstag, sondern auch vollverschleierte Frauen und Hisbolla-Pfadfinder,
die dem Papst auf dem Weg vom Flughafen zur Innenstadt mit Vatikanfähnchen zujubelten!
Die Presse hat an diesem Samstag hier im Libanon ein bisschen gerätselt, wie man diese
Freundlichkeit der Hisbollah-Stadtviertel dem Papst gegenüber einzustufen hat. Kann
schon sein, dass da auch innenpolitische Kalküle dahinterstecken, aber die Geste hat
viele beeindruckt. Es ist wirklich das erste Mal überhaupt seit dem Bürgerkrieg vor
zwanzig Jahren, dass der Libanon eine solche Einmütigkeit praktiziert und erlebt!“
Jetzt
gerade also, da wir dieses Gespräch aufzeichnen, das Treffen von Jugendlichen mit
Benedikt XVI. in Bkerke…
„Ja, und beim Vorprogramm habe ich eine sehr ausgelassene
Stimmung erlebt. Mehrere zehntausend Menschen sind gekommen (auch aus Jordanien, dem
Irak, dem Heiligen Land usw.), es singen fünf Chöre, davon ein islamischer, und der
Moderator – ein bekannter Sänger – hat immer wieder gerufen: Was sagt ihr angesichts
von Krieg und Terror, von Schikanen und Problemen?, worauf die jungen Leute jedesmal
im Sprechchor geantwortet haben: „Jesus ist unsere Freude!“ Als dann Benedikt im Papamobil
einfuhr, hat man schnell auf eher meditative Musik umgeschaltet, damit es ihm nicht
zuviel wird. Junge Leute tragen dem Papst ihre Sorgen und Hoffnungen vor, und in einem
dieser Texte heißt es: Das ist ein Zeichen der Hoffnung, dass Sie trotz aller Gefahren
gekommen sind!“