Jan Assmann und Harald Strohm: Echnaton und Zarathustra – Zur Genese und Dynamik des
Monotheismus Martin Leuenberger: „Ich bin Jhwh und keiner sonst“ – Der exklusive
Monotheismus des Kyros-Orakels Jes 45,1-7 Besprechungen von Stefan v. Kempis
In
diesen Tagen besucht Papst Benedikt XVI. zum vierten Mal das Heilige Land: Nach der
Türkei, Jordanien, Israel/Palästina und Zypern ist der Libanon an der Reihe, wo er
ein kirchliches Strategiepapier für den Nahen Osten vorstellt. Benedikt ist in der
Weltgegend, aus der die großen drei monotheistischen Religionen stammen – und in der
notorisch Unruhe herrscht, ja sogar Krieg. Da ist er wieder, der von vielen behauptete
Zusammenhang zwischen Monotheismus und Gewalt.
Es war der Ägyptologe Jan Assmann,
der vor Jahren durchaus medienwirksam das Gleichheitszeichen zwischen Monotheismus
und Intoleranz setzte. Grundkennzeichen des Monotheismus à la Mose sei gerade nicht
die Bekräftigung, dass es nur einen Gott gebe und nicht mehrere, sondern vielmehr,
dass nur ein Gott relevant sei und alle anderen Götter daher bekämpft, ihre Anhänger
ausgemerzt werden müssten: die so genannte „mosaische Unterscheidung“, die eine interessante
und immer noch anhaltende Debatte angestoßen hat. Dass im Fall des religiösen Terrorismus
heute „Religion in der Tat Gewalt motiviert, muss uns als religiöse Menschen tief
beunruhigen“, sagte Papst Benedikt XVI. dazu beim Gebetstreffen von Assisi im vergangenen
Oktober. Doch er sage mit Entschiedenheit: „Dies ist nicht das wahre Wesen der Religion.
Es ist ihre Entstellung und trägt zu ihrer Zerstörung bei.“ (Ansprache in Assisi,
27.10.2011)
In einem neuen Buch, das auf einen Kongress von Religionswissenschaftlern
zurückgeht, beschäftigt sich Assmann nun erneut mit der Entstehung des Monotheismus:
„Echnaton und Zarathustra“ heißt der im Münchner Fink Verlag erschienene Band. In
seinem Beitrag „Echnaton, Tutanchamun und Moses“ kommt Assmann zu einem atemberaubend
neuen Blick auf die Geburtsstunde des Eingottglaubens: Er vergleicht vor allem den
ägyptischen Pharao Echnaton mit Mose, weist darauf hin, dass von dem Erstgenannten
nur zeitgenössische Porträts und fast keine Wirkungsgeschichte, von Mose hingegen
kein jahrtausendealtes Abbild, aber Wirkspuren durch die Jahrtausende überliefert
sind. Dennoch sind die zwei Männer, die den Monotheismus aus der Taufe hoben, keine
Antagonisten, so Assmann – vielmehr könnten zwischen ihnen direkte religionsgeschichtliche
Fäden verlaufen.
Der Forscher geht davon aus, dass die von Echnaton zu seinen
Lebzeiten eingeführte Spielart des Monotheismus (ein exklusiv gewendeter Aton-Kult)
von den Ägyptern seiner Zeit als Schock empfunden worden und daher unmittelbar nach
des Pharaos Tod der „damnatio memoriae“ anheimgegeben worden sei. Ein solches Trauma
brauche aber eine lange Zeit, um „bewältigt“ zu werden, so Assmann, der auf die Shoah
als Beispiel verweist. Ungefähr zur Zeit, in der die Exodus-Tradition aufkam (spätes
8. und 7. Jahrhundert) hätten die Ägypter schließlich angefangen, in schriftlichen
Texten von diesem Trauma zu sprechen und Echnatons Epoche, die nach seiner Hauptstadt
so genannte „Amarna-Zeit“, als eine Leidenszeit ihres Volkes darzustellen. Im selben
Moment sei die hebräische Exodus-Erzählung entstanden. „Erst jetzt treten einige auffällige
Parallelen zwischen der ägyptischen Trauma-Überlieferung und der hebräischen Exodus-Tradition
hervor“, resümiert Assmann. „Erstens erzählt auch die Exodus-Überlieferung eine Geschichte
von Trauma und Triumph..., zweitens enthält auch diese Erzählung das Motiv des ägyptischen
Leidens in Gestalt der zehn Plagen... Der Zusammenhang der beiden Narrative scheint
unbestreitbar.“ Assmann kann sogar einen antiken Text vorweisen, in dem schon damals
der von den Ägyptern verdrängte Echnaton mit dem von den Juden erinnerten Mose zu
einer Figur zusammenwachsen!“
Allein für diesen höchst aufschlußreichen Beitrag
lohnt das ganze Buch. Aber es sind ja noch viele weitere, interessante Aufsätze darin:
Franz Maciejewski erklärt unter Zuhilfenahme psychologischer Modelle und mit geradezu
detektivischem Gespür, warum sich Echnaton überhaupt eine eigene Hauptstadt am Nil
baute und den Bruch mit der bisherigen pharaonischen Praxis suchte: Dahinter stecke
im wesentlichen die emotionale Vernachlässigung des Pharaos in seiner Kindheit und
Jugend durch seinen Vater Amenophis III., die Echnaton, kaum dass er an die Regierung
kam, in einer Art Übersprunghandlung in Hass auf die bisherigen Staatsgötter und in
den Aufbau einer geradezu peinlich emotionalen Liebesreligion gewendet habe. Echnaton
habe sich in Amarna geradezu verkrochen, und sein Aton-Kult habe jenseits der Grenzen
der Hauptstadt kaum noch gegolten; für Maciejewski ist es daher nicht schlüssig, dass
Ägypten, wie von Assmann vermutet, die Echnaton-Episode dermaßen als Schock erlebt
haben sollte. Echnaton habe zwar nicht wirklich den Monotheismus begründet (diese
Palme reicht der Forscher dann doch an Mose weiter), aber er habe immerhin den ersten
„intoleranten Gottesstaat“ der Geschichte geschaffen.
Andere Beiträge in diesem
hochinteressanten Buch kreisen um die Entstehung der iranischen Religion der Parsen,
um den Koran, um die Dreifaltigkeit bei Augustinus oder um einen Vergleich zwischen
den biblischen Gestalten Joseph und Mose. Immer sind die Darstellungen stringent und
gut belegt, und auch wenn man in einigen Punkten doch zu anderen Schlüssen kommen
mag, sind das doch ausgesprochen qualifizierte und erhellende Untersuchungen zur Entstehung
und zum Wesen des Monotheismus. Auffallend ist allerdings, wie oft die Religionswissenschaftler
zu psychologischen Modellen greifen; zwar kommen sie gerade dadurch zu überraschenden
Ergebnissen, doch in methodischer Hinsicht dürfte das manchem Leser Bauchgrimmen verursachen.
Das Lektorat war, nebenbei bemerkt, beim Gegenlesen der Fussnoten nicht immer aufmerksam.
Wer sich für die Herausbildung des Eingottglaubens interessiert, dem kann
ich allerdings auch eine „Stuttgarter Bibelstudie“ von Martin Leuenberger empfehlen.
Er befasst sich in einem schmalen, sehr sorgfältigen Werk mit dem so genannten „Kyros-Orakel“
im 45. Kapitel des Prophetenbuches Jesaja. „Ich bin Jahwe und keiner sonst – außer
mir ist kein Gott“, heißt es in dem berühmten und religionsgeschichtlich zentralen
Text, in dem Gott den persischen Eroberer Kyros sogar als seinen „Gesalbten“, als
Messias also, anredet. Leuenberger geht explizit auf die von Assmann wiederbelebte
Monotheismus-Gewalt-Debatte ein und unterstreicht, dass sich „alttestamentliche Exegese
nicht unter Absehung von den aktuellen Diskursen betreiben“ lässt. Allerdings äußert
er einige Zweifel an der „Sorgfalt und Qualität moderner Rezeptionen... bei einem
theologisch so brisanten Thema wie den Gottes- und Götter-Konzeptionen“: Das scheine
nur „prima vista ... problemlos rezipierbar“, doch würden „etwa das Genre und die
Argumentationsstruktur einzelner Texte“ zu sehr außer acht gelassen.
Leuenberger
analysiert zunächst das Kyros-Orakel in allen Details; dann untersucht er die Art
und Weise der Gedankenführung in dem Text und kommt zu dem Schluß, dass der Prophet
die Einzigkeit Jahwes nicht, wie man hätte annehmen können, schöpfungs-, sondern dezidiert
geschichtstheologisch begründet. Leuenberger widerspricht hier einer Tendenz heutiger
AT-Forschung: Gerade der Aufstieg des fremden Eroberers, der sich Israel unterwirft,
wird von Gott zum Beleg seiner Singularität gewendet. Dass dieser eine Gott auch der
Schöpfer ist, das ist in der Argumentationskette erst der zweite, krönende Schritt.
Besonders
interessant wird es, als der Autor das Kyros-Orakel mit einer etwa zeitgleich entstandenen
Kyros-Inschrift vergleicht: Auch wenn beide Texte von einem Universalgott sprechen
(Marduk hie, Jahwe dort), so gewinnt doch die Proklamation des so genannten exklusiven
Monotheismus im Jesaja-Text durch den Vergleich eine deutliche Kontur. Und dass in
einem der Ursprungstexte des hebräischen Monotheismus die Gewalt des Fremdherrschers
Kyros gegen die Juden als seine Indienstnahme durch den einen Gott dargestellt wird,
wirft wiederum ein Licht auf Jan Assmanns Monotheismus-These. Leuenberger macht deutlich,
dass kaum eine biblische Gottesvorstellung so wirkmächtig war (übrigens schon innerhalb
des Alten Testaments) wie die von Deuterojesaja entworfene.
Das Buch über Echnaton
und Zarathustra ist im Wilhelm Fink Verlag München erschienen und kostet etwa 40 Euro. Das
Buch von Martin Leuenberger ist in der Reihe Stuttgarter Bibelstudien Nr. 224 im Katholischen
Bibelwerk Stuttgart erschienen und kostet etwa 20 Euro.