2012-09-15 10:43:37

Buchtipp: Echnaton und Zarathustra


Jan Assmann und Harald Strohm: Echnaton und Zarathustra – Zur Genese und Dynamik des Monotheismus
Martin Leuenberger: „Ich bin Jhwh und keiner sonst“ – Der exklusive Monotheismus des Kyros-Orakels Jes 45,1-7
Besprechungen von Stefan v. Kempis

In diesen Tagen besucht Papst Benedikt XVI. zum vierten Mal das Heilige Land: Nach der Türkei, Jordanien, Israel/Palästina und Zypern ist der Libanon an der Reihe, wo er ein kirchliches Strategiepapier für den Nahen Osten vorstellt. Benedikt ist in der Weltgegend, aus der die großen drei monotheistischen Religionen stammen – und in der notorisch Unruhe herrscht, ja sogar Krieg. Da ist er wieder, der von vielen behauptete Zusammenhang zwischen Monotheismus und Gewalt.

Es war der Ägyptologe Jan Assmann, der vor Jahren durchaus medienwirksam das Gleichheitszeichen zwischen Monotheismus und Intoleranz setzte. Grundkennzeichen des Monotheismus à la Mose sei gerade nicht die Bekräftigung, dass es nur einen Gott gebe und nicht mehrere, sondern vielmehr, dass nur ein Gott relevant sei und alle anderen Götter daher bekämpft, ihre Anhänger ausgemerzt werden müssten: die so genannte „mosaische Unterscheidung“, die eine interessante und immer noch anhaltende Debatte angestoßen hat. Dass im Fall des religiösen Terrorismus heute „Religion in der Tat Gewalt motiviert, muss uns als religiöse Menschen tief beunruhigen“, sagte Papst Benedikt XVI. dazu beim Gebetstreffen von Assisi im vergangenen Oktober. Doch er sage mit Entschiedenheit: „Dies ist nicht das wahre Wesen der Religion. Es ist ihre Entstellung und trägt zu ihrer Zerstörung bei.“ (Ansprache in Assisi, 27.10.2011)

In einem neuen Buch, das auf einen Kongress von Religionswissenschaftlern zurückgeht, beschäftigt sich Assmann nun erneut mit der Entstehung des Monotheismus: „Echnaton und Zarathustra“ heißt der im Münchner Fink Verlag erschienene Band. In seinem Beitrag „Echnaton, Tutanchamun und Moses“ kommt Assmann zu einem atemberaubend neuen Blick auf die Geburtsstunde des Eingottglaubens: Er vergleicht vor allem den ägyptischen Pharao Echnaton mit Mose, weist darauf hin, dass von dem Erstgenannten nur zeitgenössische Porträts und fast keine Wirkungsgeschichte, von Mose hingegen kein jahrtausendealtes Abbild, aber Wirkspuren durch die Jahrtausende überliefert sind. Dennoch sind die zwei Männer, die den Monotheismus aus der Taufe hoben, keine Antagonisten, so Assmann – vielmehr könnten zwischen ihnen direkte religionsgeschichtliche Fäden verlaufen.

Der Forscher geht davon aus, dass die von Echnaton zu seinen Lebzeiten eingeführte Spielart des Monotheismus (ein exklusiv gewendeter Aton-Kult) von den Ägyptern seiner Zeit als Schock empfunden worden und daher unmittelbar nach des Pharaos Tod der „damnatio memoriae“ anheimgegeben worden sei. Ein solches Trauma brauche aber eine lange Zeit, um „bewältigt“ zu werden, so Assmann, der auf die Shoah als Beispiel verweist. Ungefähr zur Zeit, in der die Exodus-Tradition aufkam (spätes 8. und 7. Jahrhundert) hätten die Ägypter schließlich angefangen, in schriftlichen Texten von diesem Trauma zu sprechen und Echnatons Epoche, die nach seiner Hauptstadt so genannte „Amarna-Zeit“, als eine Leidenszeit ihres Volkes darzustellen. Im selben Moment sei die hebräische Exodus-Erzählung entstanden. „Erst jetzt treten einige auffällige Parallelen zwischen der ägyptischen Trauma-Überlieferung und der hebräischen Exodus-Tradition hervor“, resümiert Assmann. „Erstens erzählt auch die Exodus-Überlieferung eine Geschichte von Trauma und Triumph..., zweitens enthält auch diese Erzählung das Motiv des ägyptischen Leidens in Gestalt der zehn Plagen... Der Zusammenhang der beiden Narrative scheint unbestreitbar.“ Assmann kann sogar einen antiken Text vorweisen, in dem schon damals der von den Ägyptern verdrängte Echnaton mit dem von den Juden erinnerten Mose zu einer Figur zusammenwachsen!“

Allein für diesen höchst aufschlußreichen Beitrag lohnt das ganze Buch. Aber es sind ja noch viele weitere, interessante Aufsätze darin: Franz Maciejewski erklärt unter Zuhilfenahme psychologischer Modelle und mit geradezu detektivischem Gespür, warum sich Echnaton überhaupt eine eigene Hauptstadt am Nil baute und den Bruch mit der bisherigen pharaonischen Praxis suchte: Dahinter stecke im wesentlichen die emotionale Vernachlässigung des Pharaos in seiner Kindheit und Jugend durch seinen Vater Amenophis III., die Echnaton, kaum dass er an die Regierung kam, in einer Art Übersprunghandlung in Hass auf die bisherigen Staatsgötter und in den Aufbau einer geradezu peinlich emotionalen Liebesreligion gewendet habe. Echnaton habe sich in Amarna geradezu verkrochen, und sein Aton-Kult habe jenseits der Grenzen der Hauptstadt kaum noch gegolten; für Maciejewski ist es daher nicht schlüssig, dass Ägypten, wie von Assmann vermutet, die Echnaton-Episode dermaßen als Schock erlebt haben sollte. Echnaton habe zwar nicht wirklich den Monotheismus begründet (diese Palme reicht der Forscher dann doch an Mose weiter), aber er habe immerhin den ersten „intoleranten Gottesstaat“ der Geschichte geschaffen.

Andere Beiträge in diesem hochinteressanten Buch kreisen um die Entstehung der iranischen Religion der Parsen, um den Koran, um die Dreifaltigkeit bei Augustinus oder um einen Vergleich zwischen den biblischen Gestalten Joseph und Mose. Immer sind die Darstellungen stringent und gut belegt, und auch wenn man in einigen Punkten doch zu anderen Schlüssen kommen mag, sind das doch ausgesprochen qualifizierte und erhellende Untersuchungen zur Entstehung und zum Wesen des Monotheismus. Auffallend ist allerdings, wie oft die Religionswissenschaftler zu psychologischen Modellen greifen; zwar kommen sie gerade dadurch zu überraschenden Ergebnissen, doch in methodischer Hinsicht dürfte das manchem Leser Bauchgrimmen verursachen. Das Lektorat war, nebenbei bemerkt, beim Gegenlesen der Fussnoten nicht immer aufmerksam.

Wer sich für die Herausbildung des Eingottglaubens interessiert, dem kann ich allerdings auch eine „Stuttgarter Bibelstudie“ von Martin Leuenberger empfehlen. Er befasst sich in einem schmalen, sehr sorgfältigen Werk mit dem so genannten „Kyros-Orakel“ im 45. Kapitel des Prophetenbuches Jesaja. „Ich bin Jahwe und keiner sonst – außer mir ist kein Gott“, heißt es in dem berühmten und religionsgeschichtlich zentralen Text, in dem Gott den persischen Eroberer Kyros sogar als seinen „Gesalbten“, als Messias also, anredet. Leuenberger geht explizit auf die von Assmann wiederbelebte Monotheismus-Gewalt-Debatte ein und unterstreicht, dass sich „alttestamentliche Exegese nicht unter Absehung von den aktuellen Diskursen betreiben“ lässt. Allerdings äußert er einige Zweifel an der „Sorgfalt und Qualität moderner Rezeptionen... bei einem theologisch so brisanten Thema wie den Gottes- und Götter-Konzeptionen“: Das scheine nur „prima vista ... problemlos rezipierbar“, doch würden „etwa das Genre und die Argumentationsstruktur einzelner Texte“ zu sehr außer acht gelassen.

Leuenberger analysiert zunächst das Kyros-Orakel in allen Details; dann untersucht er die Art und Weise der Gedankenführung in dem Text und kommt zu dem Schluß, dass der Prophet die Einzigkeit Jahwes nicht, wie man hätte annehmen können, schöpfungs-, sondern dezidiert geschichtstheologisch begründet. Leuenberger widerspricht hier einer Tendenz heutiger AT-Forschung: Gerade der Aufstieg des fremden Eroberers, der sich Israel unterwirft, wird von Gott zum Beleg seiner Singularität gewendet. Dass dieser eine Gott auch der Schöpfer ist, das ist in der Argumentationskette erst der zweite, krönende Schritt.

Besonders interessant wird es, als der Autor das Kyros-Orakel mit einer etwa zeitgleich entstandenen Kyros-Inschrift vergleicht: Auch wenn beide Texte von einem Universalgott sprechen (Marduk hie, Jahwe dort), so gewinnt doch die Proklamation des so genannten exklusiven Monotheismus im Jesaja-Text durch den Vergleich eine deutliche Kontur. Und dass in einem der Ursprungstexte des hebräischen Monotheismus die Gewalt des Fremdherrschers Kyros gegen die Juden als seine Indienstnahme durch den einen Gott dargestellt wird, wirft wiederum ein Licht auf Jan Assmanns Monotheismus-These. Leuenberger macht deutlich, dass kaum eine biblische Gottesvorstellung so wirkmächtig war (übrigens schon innerhalb des Alten Testaments) wie die von Deuterojesaja entworfene.

Das Buch über Echnaton und Zarathustra ist im Wilhelm Fink Verlag München erschienen und kostet etwa 40 Euro.
Das Buch von Martin Leuenberger ist in der Reihe Stuttgarter Bibelstudien Nr. 224 im Katholischen Bibelwerk Stuttgart erschienen und kostet etwa 20 Euro.


(rv 15.09.2012 sk)








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