Die Ansprache von Papst Benedikt XVI. bei der Willkommenszeremonie am Flughafen Rafiq
Hariri Beirut am 14. September 2012. Es handelt sich um die offizielle Übersetzung.
Herr Präsident! Meine Herren Präsidenten des Parlaments und des Ministerrats! Eure
Seligkeiten! Verehrte Mitglieder des Diplomatischen Corps! Werte Vertreter des
öffentlichen und religiösen Lebens! Liebe Freunde!
Es ist mir eine Freude,
Herr Präsident, Ihrer geschätzten Einladung zu einer Reise in Ihr Land nachzukommen,
ebenso wie jener, die ich seitens der katholischen Patriarchen und Bischöfe des Libanon
erhalten habe. Diese zweifache Einladung macht damit die beiden Ziele meines Besuchs
in Ihrem Land deutlich. Er unterstreicht zudem die hervorragenden Beziehungen, die
seit jeher zwischen dem Libanon und dem Heiligen Stuhl bestehen, und möchte dazu beitragen,
sie zu festigen. Diese Reise ist auch eine Erwiderung Ihrer Besuche im Vatikan im
November 2008 und dann im Februar 2011, dem neun Monate später jener des Herrn Ministerpräsidenten
folgte.
Bei unserer zweiten Begegnung wurde die eindrucksvolle Statue des
heiligen Maron gesegnet. Seine stille Anwesenheit an der Außenseite der Apsis des
Petersdoms ruft uns den Libanon gerade an dem Ort in Erinnerung, wo der Apostel Petrus
begraben ist. Die Statue macht ein jahrhundertealtes spirituelles Erbe deutlich; sie
bekräftigt nämlich die Wertschätzung der Libanesen für den ersten der Apostel und
für seinen Nachfolger. Zum Zeichen ihrer großen Verehrung für Simon Petrus fügen die
maronitischen Patriarchen ihrem Vornamen den Namen „Boutros“ [Petrus] hinzu. Es ist
schön zu sehen, wie vom Heiligtum des Apostels Petrus aus der heilige Maron immerfort
als Fürsprecher für Ihr Land und den gesamten Nahen Osten eintritt. Herr Präsident,
ich danke Ihnen schon jetzt für alle Anstrengungen, die im Hinblick auf das Gelingen
meines Aufenthalts bei Ihnen unternommen wurden.
Ein weiterer Grund meines
Besuchs ist die Unterzeichnung und die Übergabe des Nachsynodalen Apostolischen Schreibens
der Sonderversammlung der Bischofssynode für den Nahen Osten Ecclesia in Medio
Oriente. Es handelt sich um ein bedeutendes kirchliches Ereignis. Ich danke allen
katholischen Patriarchen, die dafür eigens gekommen sind, insbesondere dem verehrten
emeritierten Patriarchen Kardinal Nasrallah Boutros Sfeir und seinem Nachfolger Patriarch
Bechara Boutros Raï. Mein brüderlicher Gruß gilt allen Bischöfen des Libanon wie auch
allen, die angereist sind, um mit mir zu beten und um dieses Dokument aus den Händen
des Papstes selbst zu empfangen. Durch sie grüße ich väterlich alle Christen im Nahen
Osten. Das Nachsynodale Apostolische Schreiben, das sich an die ganze Welt richtet,
bietet sich an, diesbezüglich eine road map für die kommenden Jahre zu sein.
Ich freue mich auch, in diesen Tagen zahlreichen Vertretern der katholischen Gemeinden
in Ihrem Land begegnen zu können und zusammen feiern und beten zu können. Ihre Präsenz,
ihr Einsatz und ihr Zeugnis sind ein anerkannter und sehr geschätzter Beitrag im täglichen
Leben aller Bewohner Ihres geschätzten Landes.
Es bedeutet mir viel, mit
großer Ehrerbietung auch die orthodoxen Patriarchen und Bischöfe, die gekommen sind,
um mich zu empfangen, und die Vertreter der verschiedenen Religionsgemeinschaften
im Libanon zu begrüßen. Ihre Anwesenheit, liebe Freunde, bringt die Wertschätzung
und die Zusammenarbeit zum Ausdruck, die Sie unter allen im gegenseitigen Respekt
zu fördern wünschen. Ich danke Ihnen für Ihre Bemühungen, und ich bin sicher, daß
Sie weiter nach Wegen der Einheit und der Eintracht suchen. Ich vergesse die traurigen
und schmerzlichen Ereignisse nicht, die viele Jahre lang Ihr schönes Land heimgesucht
haben. Das glückliche Zusammenleben aller Libanesen soll dem ganzen Nahen Osten und
der restlichen Welt zeigen, daß innerhalb einer Nation die Zusammenarbeit zwischen
verschiedenen Kirchen, die alle zu der einen katholischen Kirche gehören, im Geist
brüderlicher Gemeinschaft mit den anderen Christen und zugleich das Zusammenleben
und der respektvolle Dialog zwischen den Christen und ihren Geschwistern anderer Religionen
bestehen können. Sie und ich wissen, daß dieses Gleichgewicht, das überall als Beispiel
dargestellt wird, höchst labil ist. Gelegentlich droht es zu zerbrechen, da es wie
ein Bogen gespannt ist oder einem Druck unterliegt, der allzu oft parteiisch, ja selbstsüchtig
ist und der Harmonie und der libanesischen Sanftmut als etwas Fremdes entgegensteht.
Deswegen ist es notwendig, echte Mäßigung mit großer Weisheit zu üben. Und die Vernunft
muß über einseitige Leidenschaften obsiegen, um das Gemeinwohl aller zu fördern. Hat
nicht der große König Salomo, der Hiram, den König von Tyrus, kannte, die Weisheit
als die höchste Tugend angesehen? Darum hat er Gott inständig gebeten, und Gott hat
ihm ein weises und verständiges Herz geschenkt (1 Kön 3,9-12).
Ebenso
bin ich gekommen, um zu sagen, wie wichtig es ist, daß Gott im Leben eines jeden gegenwärtig
ist, und wie die Art und Weise des Miteinanders, dieses Zusammenleben, von
dem Ihr Land Zeugnis geben möchte, nur tief sein kann, wenn es auf der Aufmerksamkeit
und der Haltung des Wohlwollens untereinander gegründet ist, wenn es in Gott verwurzelt
ist, der will, daß alle Menschen Geschwister sind. Das berühmte libanesische Gleichgewicht,
das weiter Realität bleiben will, kann dank des guten Willens und des Engagements
aller Libanesen fortdauern. Dann nur wird es den Bewohnern der ganzen Region und der
gesamten Welt als Beispiel dienen. Es handelt sich nicht nur um eine menschliche Leistung,
es ist vielmehr ein Geschenk Gottes, das inständig erbeten, um jeden Preis bewahrt
und entschieden gefestigt werden muß.
Die Bande zwischen dem Libanon und dem
Nachfolger Petri sind historisch und tief. Herr Präsident, liebe Freunde, ich komme
in den Libanon als Pilger des Friedens, als Freund Gottes und als Freund der Menschen.
„Salàmi ō-tīkum“ – „Meinen Frieden gebe ich euch“, sagt Christus (Joh 14,27).
Und hier in Ihrem Land komme ich heute auch gleichsam in alle Länder des Nahen Ostens
als Pilger des Friedens, als Freund Gottes und als Freund aller Bewohner aller Länder
der Region, welcher Herkunft und welchen Glaubens auch immer sie sind. Auch zu ihnen
sagt Christus: „Salàmi ō-tīkum“. Ihre Freuden und Ihre Sorgen sind stets in das Gebet
des Papstes hineingenommen, und ich bitte Gott darum, Sie zu begleiten und zu stützen.
Ich versichere Ihnen, daß ich besonders für all diejenigen bete, die in dieser Region
leiden, und derer sind viele. Die Statue des heiligen Maron erinnert mich an das,
was Ihr erlebt und erduldet.
Herr Präsident, ich weiß, daß Ihr Land mir einen
schönen und herzlichen Empfang bereitet, wie man ihn einem geliebten und geachteten
Bruder erweist. Ich weiß, daß Ihr Land des libanesischen „Ahlan wa Sahlan“ [„Wie Angehörige
seid ihr willkommen und leicht sollt ihr es haben“] würdig ist. Dies ist es
schon und wird es von nun an noch mehr sein. Ich bin glücklich, bei Ihnen allen zu
sein. „Salàmi ō-tīkum“. Gott segne Sie alle. (Lè yo barèk al-Rab jami’a kôm!) Danke.