„Wir sind nur eine kleine Kirche, aber wir lieben den Papst“
Die syrisch-katholische Kirche ist eine von sechs katholischen Religionsgemeinschaften,
die in der libanesischen Verfassung ausdrücklich anerkannt werden. 1783 aus der syrisch-orthodoxen
Kirche heraus entstanden, ist sie eine sehr junge und zahlenmäßig überschaubare katholische
Kirche: Viele ihrer Gläubigen fielen in der Zeit des Ersten Weltkriegs Massakern zum
Opfer. Kirchenchef ist Patriarch Ignace Youssif III. Yunan von Antiochien, der in
Charfet auf dem Berg Libanon residiert. Unser Korrespondent Stefan Kempis fragte ihn
dort, mit welchen Gefühlen die syrisch-katholische Kirche auf den Besuch Benedikts
XVI. sieht.
„Wir sind sehr begeistert über diesen Besuch, sehr dankbar –
denn wir sind nur eine kleine katholische Kirche sui iuris, aber wir lieben den Papst.
Wir werden unsere Liebe wieder erneuern und den christlichen Bund neu abschließen!
Wir sind eine apostolische Kirche, die viel für den Heiligen Vater betet und hofft,
dass sein Besuch wirklich eine Gnade für alle Christen und Nicht-Christen wird.“
Sie
sprechen von einer kleinen katholischen Kirche – könnten sie einmal ein Porträt Ihrer
Gemeinschaft zeichnen?
„Wir sind eine zweite syrische Kirche von Antiochien;
unsere Liturgiesprache ist wie bei den Maroniten, Chaldäern oder Syro-Malabaren das
Aramäische, also die Sprache, die schon unser Herr, die Jungfrau Maria und die Apostel
gesprochen haben. Wegen der sehr traurigen Leiden der Geschichte sind wir sehr reduziert
worden, doch bleiben wir unserer Liturgie treu, unserer aramäischen Sprache und unseren
Traditionen – genauso wie die Kirchen, die größer sind als die unsere.“
Sie
haben auch Gläubige in Syrien, wo lange der Sitz Ihres Patriarchats war (in Aleppo
im 19. Jahrhundert nämlich). Wie sehen Sie im Moment die Lage der Christen in Syrien?
„Es
ist eine sehr traurige Lage für die Christen wie überhaupt für die ganze syrische
Bevölkerung. Wir haben vier Diözesen in Syrien und leiden wie die anderen Christen,
aber vielleicht sogar mehr, weil wir in der Regel in Gegenden leben, wo gekämpft wird.
Wir fürchten wirklich einen massiven Exodus aus Syrien nach Libanon oder in die Türkei,
und wir führen nächste Woche eine Synode durch, auf der wir diese Lage in allem Ernst
studieren wollen.“
Sie kennen schon den Exodus vom Irak in die Nachbarländer.
Die Kirche hat immer die Ansicht vertreten, die Christen sollten trotz der schwierigen
Lage im Irak bleiben bzw. möglichst dorthin zurückkehren. Halten Sie daran fest?
„Wir
haben immer die Christen dazu aufgerufen: Wir haben eine besondere Mission als Christen,
unser Glauben und unsere Freundschaft zu Christus, unserem Erlöser, zu zeigen und
in unserem Land zu bleiben. Aber ich muss ja die Wahrheit sagen – wir sollen kein
falsches Zeugnis ablegen. In den dreieinhalb Jahren, die ich Patriarch bin, habe ich
schon sieben Mal den Irak besucht, und immer habe ich unseren Christen dazu geraten:
Bleibt da, wir sollten zusammen unsere Rechte verteidigen. Aber so traurig es ist,
das zu sagen – nach dem Massaker in unserer Kathedrale Ende Oktober 2010 kann ich
nicht mehr mit derselben Emphase diesen Vorschlag machen. Besonders, seit ich die
Verwundeten in Rom und Paris besucht habe. Die haben mich gefragt: Was sagen Sie uns,
sollen wir zurück in den Irak, um dort ermordet zu werden? Ich kann Ihnen da nicht
mehr sagen: Geht zurück in den Irak, denn ich weiß schon, dass die Lage noch nicht
sicher ist und dass man nicht sagen kann, dass ein junger oder ein Familienvater sich
bei Anschlägen usw. verteidigen können.“
Ihre Kirche ist auch im ökumenischen
Dialog aktiv, u.a. im Dialog mit anderen christlichen Kirchen syrischer Tradition.
Der Papst wird hier in Ihrem Patriarchat am Sonntag ein ökumenisches Treffen halten.
Nun hat uns heute ein libanesischer Bischof gesagt, die einzelnen christlichen Kirchen
arbeiteten noch nicht richtig zusammen, und deswegen sei auch die letzte Postsynodale
Exhortation, nämlich die nach der Libanonsynode Mitte der neunziger Jahre, in der
Schublade verschwunden. Liegt es etwa mit der ökumenischen Zusammenarbeit im Libanon
weiter im Argen?
„Das ist eine Meinung. Wir müssen natürlich in dieser Sache
immer noch mehr tun: noch mehr als Christen zusammenarbeiten. Aber wir sollten auch
nicht so pessimistisch sein, denn die Christen sind vielleicht politisch gespalten
im Libanon, aber ein gemeinsames Zeugnis unseres Glaubens geben wir doch viel mehr
als in der Vergangenheit. Unsere Schulen, Krankenhäuser und Universitäten sind doch,
wie Sie wissen, für alle geöffnet, auch für Nichtchristen – aber natürlich ist es
in Sachen Ökumene wichtig, noch viel mehr zu tun.“