Bosnien-Herzegowina: Schluss mit Schuldzuweisungen
Zur Beendigung gegenseitiger Schuldzuweisungen und zu einer Zukunft in Frieden haben
in Sarajevo höchste religiöse Würdenträger in Bosnien und Serbien aufgerufen. 20 Jahre
nach Beginn des Bosnienkrieges und der Belagerung der Stadt äußerten sich Kardinal
Vinko Puljic von Sarajevo, Patriarch Irinej von Belgrad und Großmufti Mustafa Ceric
von Sarajevo auf dem Interreligiösen Friedenstreffen der katholischen Gemeinschaft
Sant’Egidio, das an diesem Dienstag mit einer Friedensprozession, einem Gebet und
einem Appell aller Religionen zu Ende geht.
Seiner Hoffnung auf eine neue
Generation, die nicht vom Gefühl des Hasses geprägt sei und verschont bleibe „von
den schrecklichen Erfahrungen des Konflikts“ gab der serbisch-orthodoxe Patriarch
Irinej Ausdruck. Er besuchte als erstes serbisches Kirchenoberhaupt Sarajevo.
Am Samstag hatte Irinej dort auch an der katholischen Messe zum Fest Mariä Geburt
teilgenommen, die von Kardinal Puljic von Sarajewo geleitet wurde. Puljic sagte,
das Friedenstreffen solle Zeichencharakter für die Zukunft haben: „Von dieser Stadt
aus wollen wir der Welt zeigen, dass Koexistenz nicht nur möglich ist, sondern dass
sie der einzige Weg ist. Wenn die Grundregeln dafür auch im alltäglichen Leben praktiziert
werden, dann werden wir Bauleute des Friedens und Hoffnungsträger für morgen.“ Großmufti
Ceric wies auf das in zwei Jahren beginnende „100 Jahr“-Gedenken zum Ersten Weltkrieg
hin. Der Krieg sei wegen des damaligen Initialereignisses - das Attentat an Thronfolger
Franz Ferdinand von Österreich-Este am 28. Juni 1914 in Sarajevo - untrennbar mit
der bosnischen Hauptstadt verbunden. Die Stadt trage aber auch die Wunden der 11.000
Opfer der Belagerung 1992-1996, davon 1.000 Kinder. Sie verdienten Gedenken und Respekt
und forderten dazu auf, „Gott zu geloben, dass wir alles in unserer Hand Mögliche
tun werden, damit sich so etwas nie mehr ereignet“. Der Präsident der Jüdischen
Gemeinde in Bosnien, Jakob Finci, warnte vor einer globalen Katastrophe, gegen
die eingelenkt werden müsse. Die Menschheit stehe „an einer Wegkreuzung“. Dabei säßen
alle in einem Boot. „Wenn einige Löcher in den Boden bohren, sollen sie sich bewusst
sein, dass alle gemeinsam untergehen werden“, so Finci.
An dem ökumenischen
und interreligiöse Friedenstreffen nahmen Staats- und Regierungschefs aus Europa,
Religionsführer aus aller Welt sowie acht Kardinäle teil. Im Mittelpunkt der dreitägigen
Begegnung stand neben dem Gedenken an den Beginn des Bosnien-Kriegs vor 20 Jahren
der 50. Jahrestag der Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils, bei dem der interreligiöse
Dialog ins Leben gerufen wurde. Sant'Egidio veranstaltet seine jährlichen Friedenstreffen
nach dem Vorbild der historischen Weltgebetstage für den Frieden in Assisi in verschiedenen
Städten, um die Friedensbotschaft von Assisi zu verbreiten. Im Vorjahr war München
Schauplatz.