2012-09-09 13:17:54

Aktenzeichen: Thomas Mann an die Deutschen


RealAudioMP3 Radio London - 70. Jahrestag Während des Zweiten Weltkriegs hat sich Thomas Mann monatlich über die BBC in London an die deutsche Bevölkerung gewandt. In der Rede vom 27. September 1942 klagt er die systematische Massenvernichtung der Juden an. Eine Sendung von Aldo Parmeggiani.

Während einer Ferienreise in die Schweiz im Mai 1933 beschloss Thomas Mann angesichts der beginnenden nationalsozialistischen Diktatur, mit seiner Familie nicht mehr nach Deutschland zurückzukehren. Danach war er verschrien und verpönt als mit dem Feind Verbündeter und Fahnenflüchtiger.

Es wurde ein endgültiger Abschied. Seitdem lebte Mann abwechselnd im Exil in der Schweiz und - ab 1938 - in Kalifornien. Er nahm 1944 sogar voller Stolz die amerikanische Staatsbürgerschaft an. Erst 1952 zog er in die Schweiz zurück, wo er bis zu seinem Tod 1955 lebte.

Thomas Mann hat sich nicht leicht getan als Redner. Er war kein Mensch, der das Bad in der Menge suchte. Er war zurückhaltend und verhalten, auf Distanz und Manieren bedacht. Öffentliche Auftritte erfüllten ihn, den unerbittlichen Selbstbeobachter, immer wieder mit Unsicherheit und Selbstzweifeln.

Der Schritt, zum deutschen Volk zu sprechen, ist ihm zweifellos selbst in der Studioeinsamkeit nicht leicht gefallen. Umso höher ist er zu bewerten. Denn Thomas Mann war kein ausgesprochen politisch tätiger Mensch. Umso mehr erfüllte es ihn mit Stolz, von der Führungselite des Dritten Reiches zu denjenigen gezählt zu werden, die zum Widerstand aufriefen.

Die 58 kurzen Ansprachen, die Thomas Mann von Kalifornien aus an das deutsche Volk richtete, waren zu jener Zeit technisch kompliziert zu erstellen. Sie wurden zunächst auf eine Schallplatte aufgenommen, auf dem Luftweg nach New York gebracht und von dort aus nach London gekabelt. Dementsprechend ist auch die Tonqualität der nunmehr vor 70 Jahren erfolgten Rundfunkansprachen.
Einmal monatlich strahlte sie die BBC aus, sodass sie über Langwelle in Deutschland zu empfangen waren. In Deutschland war dazu das Abhören von “Feindsendern” unter strenge Strafen gestellt.

Die Reden Thomas Manns sind an ein breites Publikum gerichtet und der damaligen Zeit entsprechend hochemotional und voller Pathos. Angesichts der Unmenschlichkeit und Zerstörungswut gegen andere Völker und der Abschottung Deutschlands aus der Staatengemeinschaft waren deutliche Worte am Platz.

Thomas Mann konfrontiert seine Hörer mit Kriegsverbrechen, systematischer Verfolgung und Ausrottung der Juden, mit Menschenexperimenten, Vergasungen und Euthanasie. Er berichtet von dem menschenverachtenden und unmenschlichen Vorgehen gegen die Zivilbevölkerung in den besetzten Ländern, dem Bombenterror und der Dezimierung durch gezielten Hunger. Diesen Tatsachen stellt er die geistige Größe und Kultur der Vergangenheit Deutschlands gegenüber, und er ruft auf zu Umkehr, Umdenken und Buße.

(rv 09.09.2012 ap)







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