Die syrische Bevölkerung
ist nach den Worten des Sondergesandten der UNO und der Arabischen Liga für Syrien,
Lakdar Brahimi, nicht vor den katastrophalen Kämpfen zu schützen. Der Sicherheitsrat
der Vereinten Nationen scheint auch durch das jüngste Massaker an den allerjüngsten
Opfern seine abwartende Haltung nicht aufgeben zu können oder zu wollen – mindestens
25 unbeteiligte Kinder sind nach Medienberichten am Mittwoch bei Kampfhandlungen umgekommen.
Die Hilfsorganisationen UNICEF und Save the Children fordern nun Schritte, um wenigstens
die Kinder so gut es geht vor den Folgen des Krieges zu schützen. In einer am Donnerstag
verbreiteten Stellungnahme macht UNICEF darauf aufmerksam, dass 1,3 Millionen Kinder
von der Krise im Land betroffen seien. Unterdessen verfolgt Jesuitenpater Paolo Dall´Oglio
eine andere Strategie: Fasten für den Frieden in Syrien und für das Gelingen der bevorstehenden
Reise Papst Benedikts in den Libanon. Der Pater musste erst kürzlich seine Wahlheimat
Syrien, in der er vor etwa 30 Jahren das antike Kloster Mar Moussa wiederbelebt hat,
wegen massiver Morddrohungen verlassen. Fasten für den Frieden – geht das? Wollten
wir von Pater Dall´Oglio wissen.
„Das Fasten ist ein spiritueller Akt der
zusammen mit dem Gebet, mit einem innigen Wunsch geht. Es ist eine Möglichkeit, eine
existenzielle Konzentration auf ein Ziel hin zu erreichen, auf etwas, um das wir den
Himmel bitten, aber um das wir uns auch auf Erden bemühen. Das Fasten, das Freunde
in der ganzen Welt unternehmen, hat zum Ziel, dass die Papstreise gelingen möge, friedlich
vonstattengehe, ja den Frieden in den Nahen Osten bringe und vor allem ein Wort des
Trostes und der Wahrheit für Syrien. Die Syrer leiden unwahrscheinlich, der Bürgerkrieg
wird immer schlimmer, die Revolution tritt wegen des Krieges auf der Stelle, an dem
viele internationale und regionale Parteien indirekt und durch die syrischen Gewehre
beteiligt sind. Der Papst wird sagen, dass das aufhören muss, dass die Syrer ein Recht
haben auf demokratische Selbstbestimmung, Gerechtigkeit und Transparenz.“
Die
Syrer hätten aber auch ein Recht darauf, eine pluralistische, interreligiöse und zivile
Gesellschaft zu werden. Pater Dall´Oglio sagte, er lege seine ganze Hoffnung darauf,
dass die Reise des Papstes dazu beitragen könne, die Leiden der syrischen Bevölkerung
zu lindern. Dabei sei aber auch für die Bevölkerung noch viel zu tun:
„Die
jungen Menschen kämpfen für die Hoffnung, für ein besseres Syrien. Leider wissen wir
jetzt, dass sich dieses bessere Syrien auch dafür anstrengen muss, sich wieder aufzubauen,
denn ein Großteil des Landes ist zerstört. Es gibt keine Infrastrukturen mehr, und
das Vertrauen unter den Bürgern ist nahezu verloren. Deshalb gibt es sehr viel zu
tun. Viele Christen reisen ab, und diejenigen, die zurückkommen, werden Akteure an
vorderster Front sein, gemeinsam mit ihren muslimischen Mitbürgern, um das Syrien
aufzubauen, das wir uns alle für unsere Kinder und die nächsten Generationen wünschen.“
Dabei, so Pater Dall´Oglio, sei es nicht hinnehmbar, dass der Westen seine
Interessen in Syrien zu Lasten der Bevölkerung verteidige. Man könne nicht daran denken,
den Iran über Syrien zu treffen oder den Einfluss Russlands auf dem Kontinent zurückzudrängen,
denn das habe ernste Konsequenzen.
„Wenn jemand - ich will jetzt keine
Namen nennen – denkt, dass es in seinem geostrategisch-regionalen Interesse sei, wenn
sich die Feinde gegenseitig töten und eliminieren, dann ist es klar, dass wir für
Syrien keine Hoffnung haben. Ich appelliere an alle: Wir müssen uns um Solidarität
mit den Syrern bemühen statt geostrategische Interessen und kurzsichtige Strategien
zu verfolgen. Deshalb hoffe ich, dass Italien ein neues und großes diplomatisches
Programm für ein neutrales Syrien einleitet, das weder westlich noch postsowjetisch
ist. Syrien muss ein Land aller sein, ein Syrien an der Quelle der mediterranen Zivilisation.
Ganz Syrien muss durch die UNESCO geschützt werden, nicht nur wegen seiner Kulturschätze,
sondern auch weil es selbst ein „immaterielles Kulturerbe“ der Zivilisation darstellt.“
Dabei könnten die Christen eine wichtige Rolle spielen, so der Pater weiter.
„Viele syrische Christen versuchen, die Leiden des syrischen Volkes zu
mindern. Es gibt Syrer, die für die Verletzen arbeiten, viele syrische Christen, die
dafür arbeiten, den Familien zu helfen, die jemanden im Gefängnis haben oder getötete,
entführte oder verschwundene Verwandte zu beklagen haben. Deshalb möge sich dieser
„gute Samaritaner“ an die Arbeit machen und alles in seiner Macht stehende dafür tun,
dass die syrische Gesellschaft im ganzen nicht der Hölle überlassen werde.“