2012-09-05 14:11:15

Kolumbien: Ein Bischof erzählt


RealAudioMP3 Papst Benedikt XVI. informiert sich in diesen Tagen aus erster Hand über die Lage in Kolumbien, wo offizielle Friedensgespräche zwischen FARC-Rebellen und der Regierung avisiert sind. Bereits die zweite Gruppe Bischöfe aus dem konfliktgeschüttelten Land weilt seit Anfang September zum Ad-Limina-Besuch in Rom. Diesen Anlass wollen die kolumbianischen Bischöfe nutzen, auf die pastorale und soziale Situation ihres Landes aufmerksam zu machen, in dem die linksgerichteten Rebellen der FARC und die Regierung nach Jahrzehnten der Entführungen, Morden, Erpressungen und Drogenkriegen nun offenbar zu Friedensgesprächen bereit sind: Ab Oktober werde in Oslo verhandelt. - Héctor Epalza Quintero ist Bischof von Buenaventura, eine Stadt, die in einem der am schwersten betroffenen Gebiete Kolumbiens liegt. Im Radio Vatikan Interview erzählt er von der Situation in seiner Diözese:

„Ich bin der Bischof einer Diözese, in der der Großteil der Einwohner, rund 80 Prozent, afrikanischer Herkunft ist. Weitere drei Prozent sind Ureinwohner und die restlichen 17 Prozent Mestizen. Es handelt sich um eine Diözese, die am westlichen Rand Kolumbiens am Pazifik liegt. Dort sind wir jedoch im Zentrum des bewaffneten Konflikts, der Kolumbien auch heute noch schüttelt, und dort verkünden wir das Evangelium des Lebens, das unser Wegweiser und das „Evangelium der Wahrheit“ ist, wie Papst Benedikt XVI. sagt.“

Diese Aufgabe ist „sehr hart“, bestätigt der Bischof im Gespräch. Doch die Gläubigen harrten als „Zeugen der Wahrheit“ aus.

„Insbesondere in der Region, in der ich lebe, gibt es viele Tote, Vermisste oder Vertriebene. Die Kirche versucht nach dem Beispiel des guten Samariters, sie alle aufzunehmen und zu begleiten. Zum Beispiel feiern wir am 2. November in der Diözese von Bonaventura den „Tag der Solidarität mit den Opfern“. Als Bischof feiere ich da die Messe auf dem Friedhof der Pfarrei, in der es die meisten Toten, Morde, und Vermisstenfälle gab, und bringe ein Wort des Trostes. Wir versuchen außerdem, das historische Gedächtnis zu erhalten. Dazu haben wir eine „Kapelle des Gedächtnisses“ eingerichtet, in der sich Fotografien der Verschwundenen befinden. Es ist sehr hart, doch der Herr gibt uns die Kraft, diese Mission der Verkündung durchzuführen.“

Der Pastoralplan der Gemeinden, so der Bischof weiter, lege viel Gewicht auf den Monat September, in den die so genannte Woche des Friedens fällt. Sie sei jedoch aufgrund seines Ad-Limina-Besuchs um eine Woche verschoben worden.

„In Kolumbien hat die Regierung ein Gesetz verabschiedet, das sich „Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung” nennt. Wir Bischöfe halten uns aber an das Evangelium und sagen, dass es außer diesen Elementen auch die Vergebung und die Versöhnung braucht, die jedem Christen eigen sind. Deswegen ist das diesjährige Motto der Friedenswoche in der Diözese Bonaventura „Machen wir das Unsichtbare sichtbar“. Den Opfern und den Familien der Verschwundenen sagen wir: wir arbeiten für den Frieden. Wir haben eine Kommission, die sich „Leben, Gerechtigkeit, Solidarität und Frieden“ nennt. Diese Kommission ist während des gesamten Jahres sehr aktiv im Friedensprozess, mit Mitteilungen oder Anzeigen, beispielsweise gegen die Gewalt an Frauen. Dieses Jahr sind 17 Frauen ermordet worden, außerdem sind 40 Menschen verschwunden und es gab 140 Gewaltopfer. Das alles tut uns sehr weh, denn es handelt sich um ein Attentat gegen das Leben und deshalb gegen den Frieden.“

Der Bischof betont, wie engagiert er und seine Gemeinden an der Neuevangelisierung arbeiten. Trotz der schmerzlichen Erfahrungen, die er und seine Gemeindemitglieder machen müssen, habe er viel Hoffnung für die Zukunft Lateinamerikas:

„Lateinamerika, auch wenn es, so wie der Rest der Welt, schmerzlich von der Gewalt berührt ist, wird die Kraft der Liebe Christi sein.“

Während ihres Besuches beim Kirchenoberhaupt haben die Bischöfe den Papst eingeladen, im Zuge seiner Lateinamerikareise zum Weltjugendtag 2013 in Rio de Janeiro auch Kolumbien zu besuchen. Eine eventuelle Reise, so die Antwort des Papstes, „liege in den Händen der Vorsehung“. Die Friedensverhandlungen zwischen der FARC-Guerilla und der Regierung nehmen unterdessen konkrete Formen an. In einer Fernsehansprache am Dienstag hatte Präsident Juan Manuel Santos nochmals bestätigt, dass die Verhandlungen auf neutralem Gebiet in Oslo und Havanna Mitte Oktober beginnen werden. FARC-Chef Timoleon Jiménez, alias „Timochenko“, sagte in einer nach Havanna übertragenen Videoaufzeichnung: „Die Tür zur Hoffnung ist wieder geöffnet. Der Frieden ist eine Frage für alle.“ Die katholische Kirche hat in dem Konflikt, der seit über 20 Jahren mehr als 200.000 Menschenleben gefordert hat und das Leben in der Region allgemein enorm destabilisiert, seit jeher ein wichtige Vermittlerrolle eingenommen.

(rv 05.09.2012 cs)








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