Papst Benedikt XVI.
informiert sich in diesen Tagen aus erster Hand über die Lage in Kolumbien, wo offizielle
Friedensgespräche zwischen FARC-Rebellen und der Regierung avisiert sind. Bereits
die zweite Gruppe Bischöfe aus dem konfliktgeschüttelten Land weilt seit Anfang September
zum Ad-Limina-Besuch in Rom. Diesen Anlass wollen die kolumbianischen Bischöfe nutzen,
auf die pastorale und soziale Situation ihres Landes aufmerksam zu machen, in dem
die linksgerichteten Rebellen der FARC und die Regierung nach Jahrzehnten der Entführungen,
Morden, Erpressungen und Drogenkriegen nun offenbar zu Friedensgesprächen bereit sind:
Ab Oktober werde in Oslo verhandelt. - Héctor Epalza Quintero ist Bischof von Buenaventura,
eine Stadt, die in einem der am schwersten betroffenen Gebiete Kolumbiens liegt. Im
Radio Vatikan Interview erzählt er von der Situation in seiner Diözese:
„Ich
bin der Bischof einer Diözese, in der der Großteil der Einwohner, rund 80 Prozent,
afrikanischer Herkunft ist. Weitere drei Prozent sind Ureinwohner und die restlichen
17 Prozent Mestizen. Es handelt sich um eine Diözese, die am westlichen Rand Kolumbiens
am Pazifik liegt. Dort sind wir jedoch im Zentrum des bewaffneten Konflikts, der Kolumbien
auch heute noch schüttelt, und dort verkünden wir das Evangelium des Lebens, das unser
Wegweiser und das „Evangelium der Wahrheit“ ist, wie Papst Benedikt XVI. sagt.“
Diese
Aufgabe ist „sehr hart“, bestätigt der Bischof im Gespräch. Doch die Gläubigen harrten
als „Zeugen der Wahrheit“ aus.
„Insbesondere in der Region, in der ich
lebe, gibt es viele Tote, Vermisste oder Vertriebene. Die Kirche versucht nach dem
Beispiel des guten Samariters, sie alle aufzunehmen und zu begleiten. Zum Beispiel
feiern wir am 2. November in der Diözese von Bonaventura den „Tag der Solidarität
mit den Opfern“. Als Bischof feiere ich da die Messe auf dem Friedhof der Pfarrei,
in der es die meisten Toten, Morde, und Vermisstenfälle gab, und bringe ein Wort des
Trostes. Wir versuchen außerdem, das historische Gedächtnis zu erhalten. Dazu haben
wir eine „Kapelle des Gedächtnisses“ eingerichtet, in der sich Fotografien der Verschwundenen
befinden. Es ist sehr hart, doch der Herr gibt uns die Kraft, diese Mission der Verkündung
durchzuführen.“
Der Pastoralplan der Gemeinden, so der Bischof weiter,
lege viel Gewicht auf den Monat September, in den die so genannte Woche des Friedens
fällt. Sie sei jedoch aufgrund seines Ad-Limina-Besuchs um eine Woche verschoben worden.
„In Kolumbien hat die Regierung ein Gesetz verabschiedet, das sich „Wahrheit,
Gerechtigkeit und Wiedergutmachung” nennt. Wir Bischöfe halten uns aber an das Evangelium
und sagen, dass es außer diesen Elementen auch die Vergebung und die Versöhnung braucht,
die jedem Christen eigen sind. Deswegen ist das diesjährige Motto der Friedenswoche
in der Diözese Bonaventura „Machen wir das Unsichtbare sichtbar“. Den Opfern und den
Familien der Verschwundenen sagen wir: wir arbeiten für den Frieden. Wir haben eine
Kommission, die sich „Leben, Gerechtigkeit, Solidarität und Frieden“ nennt. Diese
Kommission ist während des gesamten Jahres sehr aktiv im Friedensprozess, mit Mitteilungen
oder Anzeigen, beispielsweise gegen die Gewalt an Frauen. Dieses Jahr sind 17 Frauen
ermordet worden, außerdem sind 40 Menschen verschwunden und es gab 140 Gewaltopfer.
Das alles tut uns sehr weh, denn es handelt sich um ein Attentat gegen das Leben und
deshalb gegen den Frieden.“
Der Bischof betont, wie engagiert er und seine
Gemeinden an der Neuevangelisierung arbeiten. Trotz der schmerzlichen Erfahrungen,
die er und seine Gemeindemitglieder machen müssen, habe er viel Hoffnung für die Zukunft
Lateinamerikas:
„Lateinamerika, auch wenn es, so wie der Rest der Welt,
schmerzlich von der Gewalt berührt ist, wird die Kraft der Liebe Christi sein.“
Während
ihres Besuches beim Kirchenoberhaupt haben die Bischöfe den Papst eingeladen, im Zuge
seiner Lateinamerikareise zum Weltjugendtag 2013 in Rio de Janeiro auch Kolumbien
zu besuchen. Eine eventuelle Reise, so die Antwort des Papstes, „liege in den Händen
der Vorsehung“. Die Friedensverhandlungen zwischen der FARC-Guerilla und der Regierung
nehmen unterdessen konkrete Formen an. In einer Fernsehansprache am Dienstag hatte
Präsident Juan Manuel Santos nochmals bestätigt, dass die Verhandlungen auf neutralem
Gebiet in Oslo und Havanna Mitte Oktober beginnen werden. FARC-Chef Timoleon Jiménez,
alias „Timochenko“, sagte in einer nach Havanna übertragenen Videoaufzeichnung: „Die
Tür zur Hoffnung ist wieder geöffnet. Der Frieden ist eine Frage für alle.“ Die katholische
Kirche hat in dem Konflikt, der seit über 20 Jahren mehr als 200.000 Menschenleben
gefordert hat und das Leben in der Region allgemein enorm destabilisiert, seit jeher
ein wichtige Vermittlerrolle eingenommen.