Massaker in der Platinmine: Gespräch mit dem Kardinal von Durban
Es waren Bilder, die
an die Zeit der Apartheid erinnern: Die Polizei stürmt eine Mine, in der Arbeiter
streiken. Auf beiden Seiten kommt es zu heftiger Gewalt. 34 Arbeiter sterben. Die
Bilder aus der Platinmine von Marikana im Norden des Landes liessen in den letzten
Tagen viele Südafrikaner an die sechziger Jahre denken: Damals – in der Zeit der Rassentrennung
– kamen in der Stadt Sharpeville fast siebzig Menschen ums Leben. Präsident Jacob
Zuma hat eine staatliche Untersuchung der Vorgänge in der Platinmine angeordnet; die
Proteste in Minen und Stollen weiten sich aus. Am Donnerstag wurde in den Kirchen
in ganz Südafrika mit Gottesdiensten an die Toten von Marikana erinnert. Kardinal
Wilfried Fox Napier, der Erzbischof von Durban, sagte im Gespräch mit Radio Vatikan:
„Was
die Südafrikaner im Moment fühlen, kann man in zwei Worte fassen. Das erste ist Trauer
oder Bestürzung über das Vorgefallene. Das zweite ist Schock: Schock, weil wir alle
nie gedacht hätten, dass es soweit kommen könnte, dass unsere Sicherheitskräfte zu
einer solchen Schießerei imstande sein könnten. Das erinnert wirklich an das Massaker
von Sharpeville. Man sollte sich jetzt allerdings, was Marikana betrifft, mit Einschätzungen
zurückhalten und erst einmal die Ergebnisse der staatlichen Untersuchungskommission
abwarten. Dann werden wir erfahren, wie es zu dieser Eskalation kommen konnte. Jedenfalls
hätten wir nicht mehr geglaubt, dass es jemals wieder solche Aktionen von Seiten der
Polizei geben würde...“
Eines der „tiefgreifendsten Probleme in Südafrikas
Gesellschaft“ ist nach Ansicht des Erzbischofs von Durban, „dass in den Augen vieler
Leute ein Menschenleben seine Bedeutung und seinen Wert verloren hat“. Das Gemetzel
in der Platinmine werfe aber vor allem ein Schlaglicht auf die schwierige Arbeit in
den Minen. Die Kirche ist nach Auskunft von Kardinal Napier „sehr aktiv“ im Einsatz
für die Arbeiter:
„Ich glaube, dass es in jeder einzelnen unserer Diözesen
und in jeder Pfarrei eine Art Lebensmittelhilfe-Programm für die Armen gibt, das auch
Kleidung oder Hilfen anderer Art verteilt. Noch aktiver müssen wir wohl werden, wenn
es um die Vermittlung bei Konflikten wie dem von Marikana geht. Allerdings wäre es
da wahrscheinlich am hilfreichsten, wenn die Kirchen alle zusammen – oder vielleicht
sogar alle Religionen zusammen – ihre Vermittlung anbieten würden, und nicht dass
eine einzelne Kirche die Verantwortung für eine solche Vermittlung auf sich nimmt.“