Soziologe: Katholische Kirche wird katholisch sein oder nicht sein
Katholisch heißt allumfassend.
Darauf sollte sich die Kirche wieder mehr besinnen, denkt der spanische Religionssoziologe
José Casanova, der letzte Woche den mit 5.000 Euro dotierten „Theologischen Preis"
der Salzburger Hochschulwochen entgegennahm. Die katholische Kirche habe Raum für
alle möglichen Gruppen, von der Theologie der Befreiung bis hin zur Piusbruderschaft,
und sie müsse sich dieser Tatsache bewusst sein.
„Die katholische Kirche
kann nur dann katholisch sein, wenn es innerhalb der Kirche genug Raum für alle gibt:
Für Piusbrüder, für Jesuiten, für Jansenisten, für das Opus Dei, Comunione e liberazione,
Befreiungstheologie – das ist die Kirche!“
Aus seiner Sicht seien es die
Ordensgemeinschaften, Frauen- wie Männerorden, die diese Pluralität heute in der Kirche
repräsentieren und wachhalten, fährt der Religionssoziologe fort.
„Überhaupt
nur dank der Orden gibt es heute noch eine gewisse Autonomie und ein langes Gedächtnis,
dass katholisch zu sein nicht nur heißt zu wissen, was der Papst und der Vatikan heute
sagen, sondern dass katholisch sein heißt, eine tiefe Beziehung zu allen Facetten
der Kirche zu haben.“
Ordensgemeinschaften sind aus Casanovas Sicht auch
deshalb exemplarisch für die Kirche, weil sie in ihrem Inneren selbst unterschiedliche
Spektren vereinten.
„Es gibt progressive Jesuiten und konservative Jesuiten.
Aber sie sind Brüder. Es sollte in der katholischen Kirche Raum für alle diese Formen
geben, katholisch zu sein. Die innere Pluralität ist die einzige Möglichkeit, wirklich
eine katholische, universale Kirche zu sein. Sonst wird es nur eine sektarische Kirche
für die eine oder andere Form von Katholizität geben. Und das können wir uns nicht
erlauben, denn dann werden wir vielleicht eine römische Kirche sein, aber keine katholische.“